Wie die Corona-Pandemie Forschung und Lehre verändert

22.06.2020
Studium
lki, jsp

Die Auswirkungen der Corona-Pandemie spüren auch die Mitarbeiter:innen und Promovierenden an der JGU Mainz. Das Onlinesemester zwingt sie zu neuen Strategien in Forschung und Lehre.

Die Corona-Pandemie wirkt sich zurzeit auf alle Bereiche an der JGU Mainz aus. Die Einschränkungen des Notbetriebs (campus-mainz.net berichtete) betreffen nicht nur die Studierenden, auch in Forschung und Lehre muss man sich mit den Umstellungen vertraut machen. Ob digitalisierte Lernangebote, angepasste Prüfungsformate oder stillliegende Forschungsprojekte – Corona hat Folgen. In der Umfrage "Wie beeinflusst Corona die Forschung und Lehre an der JGU Mainz?" der Redaktion von campus-mainz.net äußern sich Betroffene sowohl positiv als auch negativ dazu. 

Einschränkungen lähmen die Forschung

Während einerseits Forschende durch den "Wegfall der Pendelei" sogar mehr Zeit gewinnen würden, könne Forschung, die beispielsweise mit Ausgrabungen zusammenhängt, in dieser Zeit kaum organisiert werden. Auch könne andere Forschung, die ebenfalls stark von Dienstreisen abhängt, momentan nicht wahrgenommen werden und laufe Gefahr, nicht fertiggestellt zu werden. Zudem seien manche Forschungsprojekte davon beeinträchtigt, dass Kolleg:innen und Forschungseinrichtungen im Ausland lahmlägen und damit die eigenen Vorgänge beeinträchtigten.

Darüber hinaus stellt auch der aktuell eingeschränkte Zugang zu den Bibliotheken für viele der befragten Forschenden ein Problem dar: Die notwendige Recherche sei teilweise nicht möglich und müsse bei manchen temporär nach hinten verschoben werden. Zum Teil sei aber auch das problematisch, da erworbene Drittmittel für Forschungsprojekte und -abläufe nur für eine bestimmte Periode in diesem Jahr verfügbar seien.

Auch das Homeoffice stelle für manche – etwa mit lauten Nachbarn – eine Herausforderung dar. Daneben sei auch ein emotionaler Mehraufwand aufgrund ungünstiger Verhältnisse im Homeoffice problematisch. Obendrein sei das Arbeiten ohne Studierende und Kolleg:innen sowie der Wegfall von Tagungen eine große Umstellung.

Umstellung der Lehre überschattet die Forschung

Während in der Lehre ein erheblicher Mehraufwand in der Bereitstellung des Materials festzustellen ist, sei dies in der Forschung zurzeit nicht übermäßig der Fall. Dies liege vor allem daran, dass "ja fast alles zum Erliegen gekommen ist". Allerdings sieht manch eine:r das Problem des Mehraufwands vor allem dann, wenn die "Krise über den Sommer hinaus dauert".

Zudem sei der erhebliche Mehraufwand in der Lehre Grund dafür, dass die Dozierenden, die sich nun mit der Umstellung ihrer Veranstaltungen beschäftigen, einige Forschungen zurückstellen müssten. Sobald "alle erforderlichen Lernmaterialien bereitgestellt sind", könne aber wieder an Forschung zu denken sein.

Chancen der digitalisierten Lehre

Insbesondere die neuen digitalen Lehrangebote der JGU Mainz (campus-mainz berichtete) werden von den Lehrenden neben den bereits bestehenden gut angenommen. Die neuen Tools würden es erleichtern, digitale Räume für Lehrende und Studierende einzurichten und darin via Onlinekonferenz und Chat zu kommunizieren. Oftmals dienen diese "digitalen Klassenzimmer" auch ergänzend zu Gruppenarbeiten und Referaten von Studierenden, die im virtuellen Raum dann in Diskussionen münden und offene Fragen beantworten.

Grundsätzlich wird den Lehrenden, die sich an dieser Recherche zu den Folgen der Corona-Pandemie beteiligen, weitestgehend zu asynchroner Lehre geraten. Dadurch könnten sie in vorproduzierten Aufzeichnungen die Themen behandeln, die in Präsenzveranstaltungen mündlich vorgetragen werden würden. Da Onlinekonferenzen maßgeblich von der Internetverbindung abhingen und Programme wie Skype für Business für Lehrveranstaltungen mit mehr als zehn Teilnehmer:innen weder live noch als Chat funktionieren würden, kommen asynchrone Lernangebote nicht nur den Lehrenden zugute: v.a. Videobeiträge würden das individuelle Lerntempo von Studierenden fördern und somit den digitalen Mehraufwand seitens der Dozierenden eindämmen, beispielsweise das Skripten solcher Konferenzen.

Bei asynchroner Lehre erübrigt sich auch die Anwesenheitspflicht, die aktive Teilnahme wird aber auch weiterhin verlangt. Neben Moodle, Skype for Business und Microsoft Teams werden vor allen Dingen weiterhin Scans, kommentierte Overheadfolien, Skripte, Präsentationen und Foren bereitgestellt. Arbeitsaufträge werden, sofern sie nicht auf den genannten Anwendungen hochgeladen sind, via E-Mail versandt.

Herausforderungen des Onlinesemesters

Zwar ist mit der digitalisierten Lehre eine freiere Zeiteinteilung möglich – für Studierende wie auch für Lehrende, v.a., wenn sie eine lange Anfahrt an ihr Institut einsparen. Im Umkehrschluss sind mit dem wegfallenden Pendeln aber auch Nachteile verbunden. Denn wer nicht vor Ort ist, um etwa keine Risiken in Kauf zu nehmen, kann den Kontakt zu Betreuer:innen und Mitabeiter:innen nicht aufrechterhalten. Die Dozierenden müssen dann auf einige der Ressourcen zur Digitalisierung von Lehrmaterialien verzichten und stattdessen auf private Mittel zurückgreifen. Das wirkt sich auch nachteilig auf den eigenen Unterricht aus, denn viele Medien sind ausschließlich in den Universitätsbibliotheken zugänglich und nicht als E-Book verfügbar, sodass die Dozierenden diese in die eigene Lehre nicht integrieren können.

Auch in den Veranstaltungen selbst treten Herausforderungen auf: Während die einen im digitalen Semester den Vorteil darin sehen, dass v.a. Schüchterne eher dazu bereit seien, sich online aktiv zu beteiligen, und man die Studierenden besser kennenlerne, können die anderen dem provisorischen Semester nicht viel abgewinnen. Häufig genannte Aspekte sind der Wegfall von "lebendiger Diskussion" und der – ohne Voranmeldung – "mangelnde persönliche Kontakt", der sich "nachteilig auf die Einschätzung der Studierenden" auswirke. Auch die "Übungsmöglichkeit für mündliches Argumentieren" falle vollends weg. Zudem besteht nur noch eingeschränkt die Möglichkeit, Angelegenheiten "'außerhalb des Stoffes' spontan anzusprechen" und die Studierenden über die angegebene Veranstaltungszeit hinaus zu gewinnen.

Unabhängig davon, ob die von der Universität bereitgestellten oder eigenen Ressourcen in Anspruch genommen werden, bedeutet die Digitalisierung der Lerninhalte einen erheblichen Mehraufwand. Es bedarf viel mehr Betreuung, um Beiträge von Studierenden zu bearbeiten und entsprechendes Feedback zu geben. Besonders das Verfassen von Skripten zu Präsentationen, die normalerweise als Seminar abgehandelt würden, schlage zu Buche und die Chatkommunikation verzögere den Dialog zwischen Lehrenden und Studierenden erheblich.

Auch können studienfachbedingt nicht alle Inhalte, die in der Präsenzlehre möglich wären, digital ausgerichtet werden. Hierbei fallen besonders die praktischen Fächer heraus, die auch oftmals der Einzelbetreuung bedürfen wie in der Musikwissenschaft: "Gesang kann man nicht online unterrichten, es ist ein praktisches Fach und bedarf des direkten Kontakts zwischen Studierendem und Dozent[en]". In diesen Fällen können aber meist zumindest alternative Unterrichtsinhalte angeboten werden, um den Praxisausfall etwas zu beheben. 

Angepasste Prüfungsformate

Unter den Bedingungen der Corona-Pandemie sind nicht alle Prüfungsformate so durchzuführen, wie sie in der Prüfungsordnung festgelegt sind (campus-mainz.net berichtete): Mündliche Prüfungen können daher per Videokonferenz durchgeführt werden, wofür die Bestätigung der jeweiligen Prüfer:innen notwendig ist. Alternativ zu Präsenzklausuren können Take-Home-Prüfungen absolviert werden.

Auf Seiten der Lehrenden stelle individuell beispielsweise eine Umstellung von Präsenz- und E-Klausuren auf Hausarbeiten kein Problem dar. Hausarbeiten könnten aufgrund des eingeschränkten Zugangs zu Literatur auch in kleinerem Umfang verfasst werden. Auch Voraussetzungen für die aktive Teilnahme würden bereits abgeändert, statt einer Präsentation ist etwa ein kleines Essay zu schreiben. Bei den Alternativen der Universität fallen allerdings (vorerst) praktische Prüfungen wie ein Gesangsstück oder musikalischer Beitrag heraus, die live bewertet werden müssen.

Zwiespalt von Beteiligung und Abwesenheit

Wo synchrone Lehre allerdings möglich ist, werden Anwendungen hinzugezogen, die einen digitalen Seminarablauf simulieren sollen. Laut der Corona-Satzung und einem FAQ der Universität zu ihrem Umgang mit der Corona-Pandemie besteht dadurch im Sommersemester 2020 keine Pflicht zur regelmäßigen Teilnahme an Lehrveranstaltungen. Die Regelungen der Prüfungsordnung zur aktiven Teilnahme werden aber nicht ausgesetzt und gelten auch bei digitalen Lehrformaten.

Allerdings gibt es auch hierbei Ausnahmen, denn gerade "im Corona-Semester drohen die schwächeren Studierenden verloren zu gehen", wodurch man die Anwesenheit verstärkt kontrollieren müsse. Sie solle wie die analoge Präsenz selbstverständlich sein und auch für den digitalen Raum gelten. Denn bereits durch das Onlinesemester mache sich die Universität "ein gutes Stück irrelevant, weil sie auf das Kernstück der Lehre, das wissenschaftliche Gespräch, verzichten oder es stark einschränken muss."

Für einige Dozierende, die ihre Eindrücke vom digitalen Semester im Rahmen dieser Recherche teilen, sei die Abschaffung der Anwesenheitspflicht "in ihrer Gänze ein falsches Signal" seitens der Universität gewesen. Denn den Studierenden müsse vermittelt werden, dass es sich lediglich um ein in seinen Möglichkeiten "eingeschränktes" und "kein geschenktes Semester" handelt.

Die Kontroverse um das "Kann-" und das "Nicht-Semester"

Diese kritische Haltung spiegelt sich auch in der Frage nach einem Kann- oder Nicht-Semester wider, die bundesweit etwa in einem offenen Brief aus Lehre und Forschung thematisiert wird (campus-mainz.net berichtete).

Allein für den Aufwand im Vorhinein sollten weder die Lehrenden noch die Studierenden bestraft werden. Im Zusammenhang damit wird das Nicht-Semester vereinzelt etwa als "respektlos" und "Unsinn" empfunden, schließlich seien die Studierenden nach wie vor "bei ihren Veranstaltungsanmeldungen geblieben und werden alle ihre geplanten Leistungen erbringen." Auch sei ausgeschlossen, den Studierenden dadurch "ein halbes Jahr Lebenszeit" zu schenken.

Ein Kann-Semester wird hingegen von einigen Befragten auch als "sehr gute Lösung" angesehen. Für sie ist v.a. der Aspekt ausschlaggebend, dass gute Leistungen von Studierenden weiterhin gewertet werden sollen. Wenn die aktuellen Umstände jedoch dies verhindern und möglicherweise nicht in Regelstudienzeit studiert werden kann, "dann sollte die 'Uhr' der Regelsemester einfach angehalten werden." Dabei müsse klar geregelt sein, dass auch dann weiterhin Stipendien ausgezahlt werden und Projektverträge bestehen bleiben oder verlängert werden. Auch das BAföG müsse weiterhin ausgezahlt werden – hier gibt es bereits Regelungen des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, wonach beispielsweise der Umstieg auf die digitale Lehre keinen negativen Einfluss auf die BAföG-Berechtigung haben dürfe (campus-mainz.net berichtete). Denjenigen, die ohnehin durch das Onlinesemester verzichten müssen und auch im Homeoffice nicht regulär üben können, wie z.B. Musikstudierende, wäre nach Ansicht vieler der befragten Lehrenden mit einem Kann-Semester beholfen.

Die Zukunft des Onlinesemesters

Kritik aus der Lehre richtet sich darüber hinaus an die Leitung der JGU: Während in anderen Institutionen, z.B. einem Kindergarten, bereits Lockerungen im Gange seien, wurde von der Universitätsleitung zu Beginn des Semesters kein "Fahrplan für die Rückmeldung zur Normalität vorgelegt". Mittlerweile wurde beschlossen, dass das Sommersemester 2020 digital bleiben wird (campus-mainz.net berichtete). Darüber hinaus besteht jedoch der Wunsch, die dafür erarbeiteten Materialien auch weiterhin im Wintersemester 2020/21 nutzen und einsetzen zu können. Die Universitätsleitung hat bereits in einer Rundmail an alle Studierenden angekündigt, im Wintersemester weiter auf digitale Lehre zu setzen, diese aber durch Lehrangebote auf dem Campus zu ergänzen.

Auswirkungen für Studierende

Im Rahmen der Recherche zu den Folgen der Corona-Pandemie haben sich neben Lehrenden und Forschenden auch Studierende geäußert: Sie berichten von ihren eigenen Erfahrungen mit dem digital geprägten Studium in diesem Semester und den Auswirkungen der Pandemie auf ihre Arbeitsverhältnisse.

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