Als Theresa Anfang des Jahres den Brief des Studierendenwerks Mainz öffnete und so von der Mieterhöhung erfuhr, musste sie erst einmal schlucken. "Da habe ich mir schon Sorgen gemacht", sagt die Bewohnerin eines Wohnheims des Studierendenwerks Mainz, "Das kam so ohne Vorwarnung und man wusste nicht, ob das jetzt die einzige Mieterhöhung ist oder ob noch mehr kommen." In dem Schreiben begründete das Studierendenwerk Mainz wie mehrfach zuvor den Schritt mit generell steigenden Kosten für Energie, Wasser und Personal, in diesem Fall jedoch zusätzlich "zur Bildung einer Rücklage". Um was es sich genau bei dieser Rücklage handelte, blieb jedoch zunächst unklar.
Die Entscheidung darüber, dass die Wohnheimbewohner:innen künftig mehr Miete zahlen müssen, wurde bereits im Dezember 2018 auf einer Sitzung des Verwaltungsrates des Studierendenwerks gefällt. Thomas Kohn-Ade, Leiter der Öffentlichkeitsarbeit und Marketing des Studierendenwerks Mainz, erklärt, es habe sowohl davor als auch danach Gespräche mit dem Wohnheimparlament-Präsidium zum Thema Mieterhöhung gegeben – soweit die "Vertraulichkeit des Beschlusses" dies zuließ.
Das Wohnheimparlament (WoPa) vertritt die Interessen aller Wohnheimbewohner:innen gegenüber dem Studierendenwerk. Jedes Wohnheim entsendet dafür bis zu drei Vertreter zu den Sitzungen des WoPas. Das WoPa-Präsidium besteht aus einem Präsidenten und seinem Stellvertreter, die das WoPa repräsentieren.
Kurze Zeit später wurde das WoPa vom Studierendenwerk über die Beschlüsse des Verwaltungsrates informiert. So wurde nicht nur die geplante Mieterhöhung bekannt gegeben, sondern auch dass 10 der 15 Euro für generell steigende Kosten vorgesehen sind und die restlichen fünf Euro in eine Rücklage fließen sollen. "Allerdings wurden wir über den Zweck der Rücklage vom Studierendenwerk auch auf Nachfrage nicht informiert", sagt der WoPa-Präsident Matthias Geßler. Dieser Auskunft standen nach Aussage der Geschäftsführung betriebliche Gründe entgegen, so Geßler.
Im Januar 2019 wurde das Geheimnis um die Rücklage schließlich gelüftet. Ein studentisches Mitglied des Verwaltungsrates gab bekannt, dass die fünf Euro der monatlichen Mieterhöhung zweckgebunden für die Sanierung der Zentralmensa verwendet werden, so Geßler. Der Hinweis zum Verwendungszweck der Rücklage kam also aus Sicht des WoPas nicht von der Geschäftsführung des Studierendenwerks. Kohn-Ade erklärt hingegen, sowohl das Studierendenwerk als auch ein damaliges, studentisches Mitglied des Verwaltungsrates haben in der Sitzung des Wohnheimparlaments alle Heimvertretungen über die Beschlüsse informiert. "Wir haben in dem gesamten Prozess großen Wert auf eine aktive, transparente und offene Kommunikation mit den Vertretern der Studentischen Selbstverwaltung gelegt", meint Kohn-Ade.
Theresa hätte sich mehr Informationen direkt vom Studierendenwerk gewünscht. Letztlich hat sie über die Facebook-Gruppe ihres Wohnheims von den Gründen für die Mieterhöhung erfahren. "Wenn die das besser kommunizieren würden, wäre es vielleicht eher nachvollziehbar", meint sie. Während das Studierendenwerk also erneut von transparenter Kommunikation spricht, vermissen die studentischen Gesprächspartner genau diese. Das erinnert an die Unstimmigkeiten im Wohnheim Weisenau, als das Studierendenwerk den Bewohner:innen unerwartet das Mietverhältnis wegen Sanierungsarbeiten kündigte.
Weitaus kritischer als die Kommunikation des Studierendenwerks sieht das WoPa jedoch die zweckgebundene Rücklagenbildung für die Sanierung der Zentralmensa. "Es stellt sich für uns die Frage wie eine Refinanzierung durch nur 4000 Studierende, die wohnhaft in den vom Studierendenwerk vermieteten Wohnheimen sind, gerechtfertigt werden kann, wenn sowohl ehemalige Ausgaben für Neubau und Sanierung sowie anstehende Mensasanierung grundsätzlich Investitionen für die gesamte Studierendenschaft sind", heißt es in einer Stellungnahme des WoPas. Diese Kritik hat das WoPa-Präsidium auch in einem Schreiben an das Studierendenwerk zum Ausdruck gebracht. Doch die Antwort der Geschäftsführung sei unbefriedigend gewesen, so Geßler.
Das Studierendenwerk bestätigt derweil auch gegenüber Campus Mainz: "Der Anteil von 5 Euro der zum 1. März 2019 geltenden Mietanpassung fließt in eine zweckbestimmte Rücklage für notwendige Investitionen in die Instandhaltung von Gebäuden des Studierendenwerks – das größte anstehende Projekt ist die Sanierung der Zentralmensa". Wie dem WoPa-Präsidium mitgeteilt sei es ein Gebot des verantwortungsvollen und nachhaltigen Wirtschaftens, nicht jede Abteilung isoliert, sondern das Angebot des Studierendenwerkes als Ganzes zu behandeln, so Kohn-Ade. "In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass für den Bau der Wohnheime seinerzeit in einem erheblichen Maße Mittel aus Sozialbeiträgen verwendet wurden, welche nun zu einem vergleichsweise geringen Teil zurückgeführt werden", fügt er hinzu.
Die gesamte Studierendenschaft – auch die Wohnheimbewohner – hat also den Bau der Wohnheime durch ihren Semesterbeitrag mitfinanziert. Die Wohnheimbewohner sollen das nun anteilig zurückzahlen für eine Mensa, die alle Studierenden nutzen können. Die Wohnheimbewohner werden also doppelt belastet. Eine fragliche Argumentationslinie, sollen die Wohnheime doch gerade finanziell schlechter Aufgestellten den Zugang zum Studium erleichtern? Für das WoPa ist die Rücklagenbildung aus der jüngsten Mieterhöhung jedenfalls "hoch strittig".
Schon vor der Erhöhung waren die Mieten in den Wohnanlagen des Studierendenwerks Mainz ausgesprochen hoch: Seit Jahren steht Mainz auf Platz 1 der teuersten Wohnheime Deutschlands. Gemäß dem Zahlenspiegel des Deutschen Studentenwerks zahlte man in Mainz im Jahr 2017 durchschnittlich 338 Euro für einen Wohnheimplatz. In München lag der Durchschnittswert im selben Jahr gerade mal bei 287 Euro und bundesweit lag er sogar noch niedriger, nämlich bei rund 246 Euro.
Das Studierendenwerk stellt fest: "Mit einer Durchschnittsmiete von 351 Euro inkl. Strom, Wasser, Heizung und Internet sind wir zwar nicht so günstig, wie wir es gerne wären, liegen aber trotzdem noch deutlich unter den Preisen am privaten Markt in Mainz." Aber auch mit der zum Wintersemester 2019 erhöhten BAföG-Wohnpauschale auf 325 Euro, reicht das aktuell in den Wohnanlagen des Studierendenwerks Mainz lediglich für ein WG-Zimmer in Hechtsheim und der Oberstadt oder für ein Einzelappartement in Weisenau.
Im Wohnheim Kisselberg zahlt man aktuell für ein Einzelappartement mit 15,5 Quadratmetern z.B. 365 Euro pro Monat, das sind ca. 23,50 Euro pro Quadratmeter. In dieser Zahl sind jedoch alle Nebenkosten, inklusive Internetzugang und Bereitschaftsdienst mit einbegriffen. So stellt sich die Frage, was ist in den letzten Jahren passiert ist, dass die Mieten in den Wohnheimen des Studierendenwerks so durch die Decke geschossen sind?
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