Unter Polizeischutz: AStA wiederholt umstrittenen Vortrag

19.06.2018
Campus-News, Studium
hr, jf, eb

Nachdem der Vortrag von Felix Perrefort am 5. Juni abgebrochen wurde, kam er am Montag doch noch zu Wort. Polizeibeamte und Personenschützer stellten vor Ort sicher, dass die Thesen des Bloggers am Wiederholungstermin eine Bühne fanden.

Wenn eine Univeranstaltung mit zehnminütiger Verspätung beginnt, ist das nicht außergewöhnlich. Wenn aber allgemeine Taschenkontrollen eines achtköpfigen Security-Aufgebots den Beginn verzögern, dann liegt ein besonderes Augenmerk auf der Veranstaltung. 

Am ursprünglichen Termin hatte ein Protest zum Abbruch von Perreforts Vortrag "Islamisierung und antirassistisches Appeasement" geführt, weshalb der AStA der Universität Mainz verschärfte Sicherheitsvorkehrungen für notwendig hielt. Zum Wiederholungstermin am 18. Juni wurde mit insgesamt rund 30 Polizeibeamten und Personenschützern eines externen Sicherheitsdienstleisters rund um das Philosophicum alles daran gesetzt, den Vortrag ohne Zwischenfälle durchführen zu können. Allein den Einsatz des Sicherheitspersonals ließ sich der AStA rund 440 Euro kosten. 

Hörsaal P5 wird zum Hochsicherheitstrakt

So bot sich den Zuhörern im voll besetzten Hörsaal schon vor Veranstaltungsbeginn ein bizarres Bild. Auf einer Distanz von zwei Metern positionierten sich Sicherheitskräfte hinter dem Rednerpult. Unterstützt von Kollegen an den Seitenwänden und mehreren Polizeibeamten an den Türen mutierte der Veranstaltungsraum zum Hochsicherheitstrakt, den Perrefort an der Seite von zwei weiteren Personenschützern durch einen separaten Eingang betrat. Eine Erklärung, warum das AStA Referat für Politische Bildung (PolBi) als Veranstalter einen so hohen Aufwand für die erneute Terminansetzung betrieb, lieferte PolBi-Referent Justus Lubahn (RCDS) in seiner kurzen Anmoderation: "Wir als AstA bekennen uns klar zur Meinungsfreiheit und lassen den Vortrag deshalb im zweiten Anlauf durchführen."

Perrefort ist Film- und Kulturwissenschaftler. Er hat mehrere Beiträge für den von Sprachwissenschaftlern als anti-islamisch eingestuften Blog Die Achse des Guten verfasst, sein Vortrag am 18. Juni war nach eigenen Angaben sein erster überhaupt. Im Vorfeld hatten linke Gruppierungen ihm und den Organisatoren schwere Rassismusvorwürfe gemacht. 

Ein Zuhörer brüllte gleich zu Beginn eine Aneinanderreihung von Beleidigungen in den Saal und verließ selbst seinen Platz, bevor ihn acht Polizisten hinausbegleiteten. Die Zuhörerschaft spaltete sich in zwei Lager, anerkennende Zustimmung wechselte sich immer wieder ab mit Zwischenrufen und höhnischem Applaus, den Perrefort erhielt, als er seine Zeile im Redeskript verlor. Mehrfach drohte die Stimmung zu kippen.

Zwischenrufe, Zustimmung und "dumme Frage"

Perrefort sprach über eine "Islamisierung", die nicht in erster Linie durch "tatsächliche islamische Bestrebungen, westliche Gesellschaften zu islamisieren" durchgesetzt werde. Sie realisiere sich durch die Toleranz gegenüber dem Islam, wodurch "Juden erneut in Gefahr gebracht werden." Seinen Gegnern warf er vor, das zu ignorieren. Angesichts des Holocausts kritisierte er den Vergleich zwischen der NSDAP und der AfD, dennoch seien letzterer "mit Sicherheit keine hohen Wahlergebnisse zu wünschen, sondern Gegenkundgebungen." Verschleierung sei für ihn zum einen zwar ausschließlich "patriarchales Herrschaftsinstrument zur Durchsetzung islamischer Geschlechterapartheid", andererseits gebe es aber doch "Frauen, die sich freiwillig derart kleiden", die für ihn von Feministinnen im Besonderen als "Feindinnen ausgemacht werden müssen". Perrefort differenzierte also zwischen Nationalsozialismus und AfD, zwischen antisemitischer Gewalt von Muslimen und Nicht-Muslimen. Wer sich aber mit den Folgen des Kolonialismus in der Gegenwart beschäftigt und zwischen einem radikalen und einem moderaten Islam differenziert, der unterdrücke nur die eigene Angst und rede sich und anderen ein schlechtes Gewissen ein. 

Der AStA hatte den Wiederholungsvortrag auf seiner Facebookseite im Vorfeld mit der Meinungsfreiheit gerechtfertigt und angekündigt: "Wir freuen uns über einen akademischen Diskurs!" Der Organisator des Vortrags, ehemaliger PolBi-Referent Robert Herr, war am Tag vor dem ursprünglich geplanten Termin von all seinen hochschulpolitischen Ämtern zurückgetreten. Er äußerte sich bisher nicht auf eine Anfrage der Redaktion, ob Perrefort als Islam-Kommentator eingeladen wurde und inwiefern er dazu qualifiziert sei, den Islam zu kommentieren. Auch eine Anfrage an die Juso-HSG blieb bisher unbeantwortet.

Spätestens in der abschließenden Diskussionsrunde zeigte sich, dass eine Veranstaltung das Etikett "wissenschaftlich" nicht bloß dadurch erhält, dass man sie in einem Hörsaal abhält. Als Perrefort erneut betonte, er unterscheide nicht zwischen einem "guten und einem bösen Islam" bekam er als Rückfrage zurück, ob er auch nicht trenne zwischen Christentum auf der einen und Ku-Klux-Klan und Kreuzzügen auf der anderen Seite. Den Gegenvergleich wies Perrefort so zurück: "Diese unglaublich dumme Frage werde ich nicht beantworten." 

AStA verteidigt die Einladung

Einige Zuhörer sahen die Aussagen als pauschalisierend, die Veranstaltung trage zu einem Klima an der Uni Mainz bei, in dem sie sich diskriminiert fühlten. In der abschließenden Diskussionsrunde wurden aber nicht nur Ansichten und Standpunkte des Redners kritisiert. Auch der AStA als Veranstalter musste sich die Nachfrage aus dem Publikum gefallen lassen: "Warum ladet ihr so einen Referenten überhaupt ein?"

Nachdem der AStA die Veranstaltung genehmigt hatte, lag die Entscheidung der Durchführung und schließlich der Wiederholung des Vortrags allein bei ihm. Lubahn, der als Herrs Co-Referent die Organisation des Vortrags nach dessen Rücktritt kurzfristig übernommen hatte, sagte im Vorfeld: "Der AStA würde niemals einen Rassisten einladen. Es geht mit dem Vortrag darum, wichtige Themen unserer Zeit auf dem Campus zu diskutieren  und zwar im Rahmen der Freiheitlich demokratischen Grundordnung. Herr Perrefort entspricht dieser."

Weiter sagte Lubahn: "Uns ist bewusst, dass Religion immer auch ein sehr persönliches Thema ist. Herr Perrefort vertritt zwar eine sehr scharfe und kritische Meinung zum Islam. Religionen dürfen aber immer auch kritisiert werden, vor allem an einer Universität. Wer das nicht möchte, muss nicht zum Vortrag gehen." Er sieht den Rassismusvorwurf gegenüber Perrefort nicht bestätigt. Zudem sei "ein direkter Aufruf zur Gewalt gegen Muslime in den Texten von Perrefort nicht zu finden." Er habe den Vortrag zwar nicht geplant, er und der AStA stünden aber weiterhin hinter der Veranstaltung.*

*Das Gespräch mit Justus Lubahn fand einige Tage vor der Wiederholung des Vortrags statt.

Campus Mainz e.V. unterstützen!

Campus Mainz e.V. ist ein gemeinnütziger Verein und die meiste Arbeit ist ehrenamtlich. Hilf uns dabei auch in Zukunft tolle Dienste für alle kostenlos anzubieten. Unterstütze uns jetzt!