Interview | Sebastian vom Autonomen Elternreferat

20.11.2015
Studium, Studieren mit Kind...
Bettina

Das Autonome Referat für Eltern des AStA der Universität Mainz (Aurel) kümmert sich um die Belange der studierenden Eltern. Im Gespräch mit Sebastian erfährt Bettina, welche Aufgaben Aurel in der Hochschulpolitik wahrnimmt und welche Rolle Sebastian dabei spielt.

Was genau Aurel macht, kannst du in meiner Einführung hier nachlesen. Um noch mehr über die Arbeit zu erfahren, habe ich mich lange mit Sebastian unterhalten. Mich interessiert, wie viel Zeit Sebastian für Uni und Amt hat und wie er sich finanziert. Er erzählt mir von seinen Erfahrungen und seinen liebsten Projekten bei Aurel.

Wie sieht denn die Betreuungssituation für deine beiden Kinder momentan aus?

Meine Kinder gehen in einen kirchlichen Kindergarten in unserem Dorf. Wenn ich an der Uni etwas zu tun habe, dann bringe ich sie morgens gegen halb neun in den Kindergarten, fahre zur Uni und mache meinen Kram. Ich muss dann eine halbe (oder jetzt, da die Straße gesperrt ist eine) Stunde früher losfahren und hole sie ab. Dann ist der Tag erstmal geblockt, bis die Kinder ungefähr um acht Uhr im Bett sind. Abends steht auch die Hausarbeit an.

Und dann bei zufallenden Augen noch das Lernen. Das kenne ich sehr gut. Wie finanzierst du denn deine kleine Familie und das Studium?

Das ist ein buntes Gemisch von Vielem. Ich erhalte Kindergeld für die Kinder und einen Unterhaltsvorschuss. Dazu bekomme ich eine sehr geringe Bafög-Leistung und etwas Geld von meinen Eltern, aber nicht so viel, wie das Bafög-Amt veranschlagen würde. Ich beziehe Wohngeld, bekomme für meine Tätigkeit im Amt eine Aufwandsentschädigung und bis vor kurzem habe noch von einem sehr kleinen Nebenjob ein bisschen Geld verdient, aber das fällt nicht ins Gewicht.

Studierende generell haben häufig eine Mischfinanzierung und bei Eltern ist das ganz besonders so. Wobei es allerdings auch anders geht: es gibt relativ viele Elternpaare, bei denen nur ein Teil studiert und der andere berufstätig ist.

Wir haben im Elternreferat eine interessante Beobachtung gemacht. Es gibt häufig die Situation: ein Elternteil studiert und der andere arbeitet. Und in der Geschlechterteilung gibt es beide Varianten: sie studiert und er arbeitet oder er studiert und sie arbeitet. Das Witzige ist, dass in beiden Konstellationen der oder die Studierende zum gleichen Schluss kommt, nur mit einer anderen Begründung.

Wenn sie studiert und er arbeitet, heißt es: "Es ist ja klar, er sollte arbeiten und Geld verdienen, ich bin als Studentin eher flexibel. Dann ist es selbstverständlich dass ich den Großteil der Elternzeit nehme und mich ums Kind kümmere."

Wenn er studiert und sie arbeitet, dann heißt es: „Deine Ausbildung ist wichtig, das ist ja eine Investition. Das bekommen wir wieder zurück. Und ich kann Elternzeit nehmen und mehr Elterngeld erhalten als du.“

Es läuft meistens darauf hinaus, dass die Frauen aussteigen, aber jeweils mit einer Begründung, die irgendwie erklärt, warum es in dieser Konstellation sinnvoll ist. Obwohl die andere Konstellation eine ähnliche Antwort liefert.

Wir erklären ihnen dann, dass sie ehrlich zueinander sein sollen, auch sich selbst gegenüber. Dass sie darüber sprechen, wer welche Wünsche hat. Wenn die Leute das bewusst für sich so ausmachen, ist jedes Arrangement ok. Aber wenn sie nicht reflektieren und denken, das muss so sein, dann ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass sie unglücklich sind.

Du hast Recht. Letzten Endes muss man wirklich gemeinsam besprechen, welche Vorstellungen man hat, vielleicht auch Kompromisse eingehen, aber auch klar formulieren, was einem wichtig ist. Erzähl’ uns doch bitte, wie es dazu kam, dass du bei Aurel die studierenden Eltern vertrittst?

Das war damals eine spontane Idee. Ich fand den Gedanken sehr gut, dass es so etwas geben sollte und ging zur ersten Vollversammlung der Eltern. Was das Elternsein anging, war ich in der Zeit gerade selbst politisiert worden. Einfach aufgrund der Erfahrungen, die ich selbst gemacht hatte. Die Arbeit macht mir viel Spaß und ich halte sie auch für sehr wichtig.

Und ich glaube auch, dass das Elternreferat die beste Möglichkeit ist, sich als Eltern überhaupt in die Hochschulpolitik einzubringen. Man kann zwar als Eltern grundsätzlich jeden anderen Posten haben, aber es ist erstmal nötig, dass du dich in einer politischen Hochschulgruppe engagierst und organisierst. Das bedeutet, dass du abends auf die Sitzungen gehen musst. Dann bist du vielleicht im Studierendenparlament. Das tagt ab 20 Uhr, häufig auch bis spät in die Nacht. Dann geht es weiter damit, dass du auf das Plenum gehen musst, wenn du beim AStA tätig bist. Das findet auch abends statt. Das sind insgesamt eher hohe Hürden, gerade für Alleinerziehende. Das Elternreferat ist ein autonomes Referat, das bedeutet, wir haben diese Verpflichtungen nicht und wir teilen uns unsere Arbeit selbstständig ein. Und das ist es, was Eltern auch nötig haben.

Wie viel Prozent der Studierenden an der JGU sind eigentlich Eltern?

Bei einer Gesamtzahl von 36.000 StudentInnen an der Universität Mainz sind zirka 4,1 Prozent der Studierenden Eltern. Das entspricht einer Anzahl von 1.500 Studierenden. Sie verstehen sich schon als Minderheit, aber nicht in dem Sinne, dass sie sich als Gruppe mit genuinen Interessen verstehen, die man organisieren und vertreten kann. Die studierenden Eltern sehen sich eher mit einem Einzelproblem konfrontiert und versuchen es irgendwie für sich alleine zu lösen.

Es kommt ja immer wieder die Diskussion auf, ob das Studium der perfekte Zeitpunkt zum Kinderkriegen ist. Was denkst du darüber? Und welche Antwort kannst du aus deinem Vertreter-Standpunkt aus geben?

Ob das Studium der perfekte Zeitpunkt ist, um Kinder zu kriegen, das begegnet einem ja häufiger, auch in Zeitungen, Zeitschriften, Internet und sonst wo. Und man findet immer mal wieder Leute, die einem erklären, dass das so ist, aber ich halte das persönlich, sowohl aus meinem eigenen Erleben als auch von den studierenden Eltern, die ich regelmäßig hier erlebe, als pauschale Aussage für Unsinn. Es mag Eltern geben, für die es stimmt, für die die Situation einfach passt, sowohl von den sozioökonomischen Rahmenbedingungen als auch vom Studiengang her, aber ich kenne auch viele, bei denen das nicht der Fall ist. Und gerade wenn man keine stabile finanzielle Situation hat, wenn man vielleicht auch auf sich allein gestellt ist, sind das schon ganz doofe Ausgangssituationen.

Ich kenne Eltern, die sind einfach vom Typ her so, dass sie sich quasi problemlos darauf einstellen können, die Bedürfnisse ihres Kindes an erster Stelle zu stellen bzw. die Bedürfnisse ihres Kindes zu ihrem eigenen wichtigsten Bedürfnis zu machen. Und dann gibt es Menschen, bei denen ist das nicht so, die können vielleicht kreuzunglücklich mit der Situation sein. Sie können trotzdem gute Eltern sein und sich gut um ihre Kinder kümmern. Solchen Studierenden, denen es so geht, muss aber keiner sagen, dass das Studium der perfekte Zeitpunkt ist.

Das stimmt. Ich kenne auch Menschen, die zu ihrem alten Beruf zurückgekehrt sind, weil vieles gegen das Weitermachen gesprochen hat. Zum Glück sind das eher die Ausnahmen. Gibt es ein Projekt, das dir sehr am Herzen lag und das für dich persönlich ein Erfolg bedeutete?

Ich persönlich freue mich immer sehr, wenn wir in der Einzelfallarbeit einen Erfolg haben. In der Regel bedeutet das, dass wir einzelnen Studierenden ermöglichen, überhaupt ihr Studium fortzuführen oder nicht pleite zu gehen. Das freut mich immer sehr. Aber am liebsten hätte ich, dass ich Probleme grundsätzlich beheben kann.  

Ich habe mich zum Beispiel sehr gefreut, dass wir mit dem Studierendenwerk ausgehandelt haben, dass es jetzt im Inter II einen Spielplatz geben soll. Diese Zusage ist jetzt allerdings schon ein dreiviertel Jahr alt und der Spielplatz sollte schon längst dort stehen. Das wird aber immer noch nicht umgesetzt. Es gab personelle Veränderungen im Studierendenwerk, sodass es nötig sein wird, da nochmal hinterherzulaufen. Das ist ärgerlich, weil es eigentlich bereits als Thema geklärt war.

Ein sehr positives Echo hat das Anbringen eines Wickeltisches in der Männertoilette in der Zentralmensa hervorgerufen. Bis dahin gab es einen Wickeltisch nur in der Frauentoilette. Das ist ja eigentlich echt keine große Sache, aber das rief zumindest auf Facebook eine sehr große Begeisterung hervor. Das war im Prinzip das, was für die größte digitale Begeisterung sorgte.

Früher wurde die Beurlaubung von Männern und Frauen unterschiedlich gehandhabt. Männer, die wegen Erziehungszeit ein Urlaubssemester beantragt hatten, mussten eine schriftliche Bestätigung der Mutter des Kindes mitliefern, in der diese bestätigt, dass der Mann sich wirklich in dieser Zeit um das Kind kümmert. Das bedeutet, sie wurden dadurch in gewisser Weise stigmatisiert: Es wurde implizit unterstellt, dass es zumindest wahrscheinlich wäre, dass sie sich nicht um die Kinder kümmern, sondern vielleicht einen faulen Lenz machen wollten. Und wenn es dann einmal anders sein würde, müsse man sich rückvergewissern, dass es auch alles seine Ordnung habe. Kinderbetreuung wurde als Aufgabe der Mütter gesehen. Aber die Ungleichbehandlung ist ja nicht nur unfair gegenüber Männern, sondern auch gegenüber Frauen. Das war ziemlich daneben. Ich habe mich mit dem Studierendensekretariat auseinandergesetzt und sie haben das eingestellt. Es gelten jetzt für Mütter und Väter, die ein Urlaubssemester wegen Erziehungszeit beantragen, die gleichen Bedingungen. Und das ist ein kleiner Erfolg, der mir aber sehr wichtig war.

Sebastian, ich danke dir recht herzlich für deine Zeit und das Gespräch. Auf viele weitere Erfolge! Es ist toll, dass ihr euch für die studierenden Eltern einsetzt.

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