FILMZ 2022 - Vergangenes beleuchten und Zukünftiges ebnen

09.11.2022
Freizeit
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Am 03. November startet das FILMZ-Festival auch dieses Jahr und gewährt uns von campus-mainz.net sowohl Einblicke hinter die Kulissen der Mitarbeitenden als auch die Eindrücke der Besuchenden.

Bereits zum 21. Mal startete am 03. November 2022 FILMZ – Festival des deutschen Kinos – in Mainz. Innerhalb von elf Tagen werden quer in Mainz in unterschiedlichen Spielstätten Filme aus den Kategorien Langfilm, Mittellangfilm, Kurzfilm, lokaler Kurzfilm, Dokumentarfilm und AndersARTIG präsentiert. Am letzten Festivaltag (Sonntag, den 13. November) werden dann die Gewinner:innen bekannt gegeben und Preise verteilt. Die Entscheidungen werden von den Zuschauerstimmen maßgeblich beeinflusst und gefällt. Nähere Informationen zur Auswahl der Filme und den Abläufen der verschiedenen Wettbewerbskategorien findest du hier.
Außerdem dürfen die üblichen Verdächtigen des Festivals nicht fehlen: Neben der Gong-Show, dem Drehbuch-Pitching, einem Stummfilmkonzert, sowie Partys und Filmquizzen, scheinen die Themenschwerpunkte mehrerer Veranstaltungen dieses Jahr auf der Auseinandersetzung von und mit der geschichtlichen Vergangenheit zu liegen.

Wie genau sich diese Schwerpunkte zusammensetzen, was sie inhaltlich behandeln und was die Besuchenden davon halten, haben wir von campus-mainz.net für euch herausgefunden. Ebenfalls richten wir einen Blick in die Zukunft und erfahren, was sich die deutsche Filmlandschaft in Zukunft erhofft.

Da sich das hybride Konzept im letzten Jahr bewiesen hat und die pandemische Lage mit daraus resultierenden Maßnahmen nicht auszuschließen war, hält FILMZ auch 2022 daran fest. Mit dem hybriden Modell kann sowohl im Mainzer Kino als auch On Demand auf die präsentierten Filme zugegriffen werden. Jeder, auch außerhalb von Mainz, hat also die Chance, an dem Filmspektakel über die Plattform Vimeo teilzunehmen.

Dekolonisierung - Nicht-Vergangenes überwinden

Ein Hauptthemenschwerpunkt wird durch das diesjährige Symposium gesetzt. Es beschäftigt sich mit der Dekolonisierung. Hier geht es vor allem um deren Auswirkungen, welche noch heute spürbar sind, sowie die heutigen globalen, kolonialen Vorgänge. Letztere sollen dargelegt und behoben werden. Bei den gezeigten Filmen werden Gegenpositionen dargestellt, die die Auseinandersetzung der Kolonialgeschichte durch den deutschen Filmkanon aufzeigen.

Neben den Filmvorführungen stand ein Vortragstag im Fokus des Symposiums. Am Samstag, den 05. November 2022, fanden im Gerty-Spies-Saal drei Vorträge mit anschließender Podiumsdiskussion statt. Dr. Maja Figge, Karina Griffith und Prof. Dr. Ömer Alkin betrachteten das Thema Dekolonialisierung aus einer wissenschaftlichen Perspektive und beleuchteten postkoloniale Theorien, Fragen der Autorenschaft und der Archive.

Das Symposium für das Jahr 2022 konnte dank der Kooperation mit dem Bereich Filmwissenschaft des FTMK der Johannes Gutenberg-Universität Mainz und der Landeszentrale für politische Bildung Rheinland-Pfalz entstehen.

Besuchende berichten

Auch die Besuchenden interessierten sich für die Symposiums-Veranstaltung. Im Gespräch mit campus-mainz.net erzählte Ebru, Filmwissenschaftsstudentin in Mainz, sie wäre am Vortragstag gerne dabei gewesen, habe es aber nicht rechtzeitig geschafft. Ihr Interesse sei dadurch gefördert worden, dass eine Dozentin aus ihrem Institut einen thematisch passenden Vortrag hielt.

Auch Harald (62), Festival-Liebhaber und multimedialer Hobbykünstler, welcher schon bei dem allerersten FILMZ-Festival dabei war, interessierte sich für das Symposium. Allgemein konzentriert Harald sich diese Woche, vor allem auf Veranstaltungen, die Gespräche beinhalten.  „Filme hab‘ ich schon genug gesehen“, meint der 62-Jährige. Er war auch am Samstag, den 05. November, bei den Vorträgen dabei. Gerade Karina Griffiths Kurzfilme und ihr Vortrag hätten es ihm angetan. Laut seinen Angaben habe sie davon erzählt, wie schwer es sei, an nicht-zugängliche Filme heranzukommen, wenn diese etwa nicht in Mediatheken digital vorliegen und einem der Zugang zu Archiven verweigert wird. Dies mache die Dekolonisierung der Geschichte umso schwerer. Sie habe vor allem über den nicht-zugänglichen Film „von der Entdeckung und was für einen Bezug sie dazu hat“ gesprochen. Griffith beziehe sich dabei auf ihre Recherchen zum Film „They Call It Love“ (1970) von King Ampaw, welcher im Rahmen des Symposiums gezeigt wurde. Griffith habe sich auf die Spuren von Schwarzen und PoC-Filmemacher:innen in deutschen Filmarchiven begeben. Das habe auch Harald neugierig gemacht, den Film aus den 70er Jahren anzusehen.

Länderübergreifende Filmbeziehungen

Abgerundet wird das Programm durch die Sektion SPOTLIGHT, welche in diesem Jahr die deutsch-polnische Filmbeziehung beleuchtet. Die belastenden historischen Verflechtungen und Wiederannäherungen der Nachbarländer sollen genauer betrachtet werden. Die gezeigten Filme arbeiten hierbei die kriegsgeprägte Vergangenheit filmisch auf und inszenieren eine gemeinsame Perspektive. Die Originalsprache mit Untertiteln vermittelt dem Zuschauenden dabei ein authentisches Gesamtbild.

Auch das SPOTLIGHT-Thema von letztem Jahr wird wieder aufgegriffen. Dort ging es um die Perspektiven deutsch-französischer Koproduktionen. Dieses Jahr kommt es auf Grund des 60-jährigen Jubiläums der Partnerschaft zwischen dem Land Rheinland-Pfalz und der französischen Region Bourgogne-Franche-Comté zu einem gemeinsamen Ereignis. FILMZ zeigt gemeinsam mit dem Kurzfilmfestival “Fenêtres sur courts” aus Dijon eine Auswahl lokaler Kurzfilme aus beiden Regionen. Inhaltlich behandeln die Filme eine bunte Mischung aus französischen und deutschen Produktionen.

Diese Kurzfilme werden am Samstag, den 12. November, im Cinémayence um 19 Uhr kostenlos gezeigt und abschließend im Haus Burgund in einem Filmgespräch inklusive Umtrunk mit den Filmschaffenden besprochen.

Queere Kollektive - Vielfältigkeit sichtbar machen

Das Sonderscreening über Queere Kollektive fand am Freitagabend, den 04. November, in Kooperation mit der Kulturbäckerei Mainz, einem soziokulturellen Zentrum, statt. Die Veranstaltung habe es sich zum Ziel gemacht, die Lebensrealität der Queeren-Szene sichtbar zu machen. Wichtig war den Verantwortlichen hierbei, die Filmemacher:innen zu Wort kommen zu lassen.

Ein Gespräch über ein gemeinsames Projekt war bereits im September 2021 geplant worden, konnte auf Grund des vor der Tür stehenden Festivals jedoch erst dieses Jahr vonstatten gehen, erzählte uns Niklas Rörig im Gespräch. Er ist seit drei Jahren bei FILMZ und betreut die Leitung des Rahmenprogramms, sowie die Gruppe des Drehbuch-Pitchings.

Der Abend stand unter dem Aspekt der Queeren Kollektive. Im Fokus befand sich der Coming-of-Age Film „Futur drei“ (nähere Informationen zur Handlung des Films findest du hier) des Kollektivs Jünglinge. Die Mitglieder:innen des Filmkollektivs, welche in ihren Zwanzigern sind, sind in den hybriden Kulturen des postmigrantischen Deutschlands aufgewachsen. Sie vertreten die Meinung, dass ein junger Film aus Europa queer und vielfältig sein solle. Diese Filme sollen spezifische Geschichten über den Lebensalltag in unserer Gesellschaft und Geschichten über das Erwachsenwerden beinhalten. Leider konnte keine:s der Mitglieder:innen beim Event anwesend sein. Das Kollektiv wurde aber von Univ.-Prof. Dr. Marc Siegel, Professor für Filmwissenschaften an der Universität Mainz, vertreten. Siegel berichtete, dass der Film als Studierendenfilm entstanden sei und von der Unzufriedenheit der Filmemacher:innen mit der Repräsentation von queeren und migrantischen Personen geprägt sei. Es sei wichtig auszudrücken, dass die dargestellte Liebesgeschichte aufgrund ihrer Intersektionalität keine schwule, sondern eine queere sei. Der Film handele davon, die eigene Identität in einer konventionellen Gesellschaft zu finden.

Die Wichtigkeit des Themas lässt sich auch an dem vollen Kinosaal erahnen. Auch eine angeregte Fragerunde mit Nachfragen an die Filmschaffende Sophie Averkamp lassen darauf schließen.

"Lebensrealitäten abbilden, aber möglichst alle!"

Auch Niklas war zufrieden mit dem Abend, bei dem er moderierend tätig war. Im späteren Gespräch mit campus-mainz.net antwortete er auf die Frage, wie er die Veranstaltung im Vergleich zu anderen empfinde, mit: „Das kommt immer ein bisschen drauf an. Wir haben immer unsere kleinen Babys, welche ein bisschen besser laufen. (…) Aber gerade bei etwas nischigeren Themen, auch wenn ich das Thema selbst nicht mehr unbedingt als nischig empfinde, kann man sich nie so sicher sein, wie viele Leute dann am Ende wirklich erscheinen.“ Weiter führte er aus: „Ein ausgebuchter Saal sagt eigentlich schon alles und gerade deshalb bin ich sehr zufrieden über die Besucherzahlen heute Abend“.

Auch zum Thema der momentanen Repräsentation der queeren Lebenswelt im deutschen Kino und inwiefern Veranstaltungen wie das diesjährige Sonderscreening etwas bewirken können, hat Niklas eine Antwort parat: „Tendenziell würde ich sagen, dass gerade die jüngeren Filmemacher:innen einen größeren Fokus darauf legen, als vielleicht die großen Studios. Gerade im Studierendenfilm, den wir ja auch hier als Nachwuchsfestival fördern, sieht man einfach, dass dieses Thema mehr und mehr Anklang findet. Ich finde es sehr schön und auch sehr wichtig, dass eben nicht nur gewisse Lebensrealitäten irgendwo abgebildet sind, sondern hoffentlich möglichst alle.“

Dass die Darstellung von nonkonformen Lebensrealitäten oft auf Basis persönlicher Erfahrungen beruht, lässt sich in unterschiedlichen Veranstaltungen am ganzen Wochenende wiederfinden. Der Vorfilm des Screenings „As we like it“ von Sophie Averkamp wurde vom persönlichen Background der Regisseurin, sowie der Casting-Direktorin beeinflusst und behandelt unter anderem die Themen Co-Elternschaft und Transidentität. Ähnlich wie bei „Futur drei“, beschreibt einer der Gewinnertexte des Drehbuch-Pitchings, „Baba Jagas Hütte“ von Alisa Kolosova, eigene Erfahrungen als Immigrantin. Dabei geht es in ihrer Geschichte um ein aus Russland immigriertes Mädchen, welches auf der Suche nach ihrer eigenen Identität in einer Hütte der Realität entflieht.

Für die Zukunft wünscht sich Niklas, dass gar nicht unbedingt darauf geachtet werden solle, mehr Themen dieser Sparte zu behandeln, sondern Personen, welche sowieso diese Hintergründe haben, zu fördern und beispielsweise durch Produktionsfirmen mehr zu unterstützen. Man solle einfach jeder Person und jeder Lebensrealität den Raum bieten, welchen sie bzw. die Gruppe verdiene.

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