„Es war der perfekte Zeitpunkt“ – Interview über ein Studium mit Kind

28.06.2024
Studium, Studieren mit Kind
Sophie Fischer

Ein Studium allein ist schon sehr zeitintensiv, aber wie ist es, wenn man sich noch zusätzlich um ein Kind kümmern muss? Wir haben für euch eine Studentin zu ihren eigenen Erfahrungen interviewt.

Fatemeh* ist 26 Jahre alt und für ihrem Master an die Johannes-Gutenberg-Universität gewechselt. Sie wohnt nicht in Mainz und pendelt ca. eine Stunde zur Uni. Ihren Master im Studiengang internationales Sportmanagement hat sie hochschwanger begonnen und gegen Ende des ersten Semesters ihre Tochter bekommen. Nach der Geburt hat sie ihr Studium fortgesetzt und ihre Tochter regelmäßig in die Vorlesungen oder Seminare mitgenommen. Nun ist sie am Ende ihres Studiums angelangt und muss nur noch die letzten Klausuren und das Pflichtpraktikum absolvieren.

Sie hat im Interview Fragen zum Studium als Schwangere und zum Studium mit Kind beantwortet und viel von ihren privaten Erfahrungen geteilt.

War die Schwangerschaft eine bewusste Entscheidung?

Tatsächlich haben sich Fatemeh und ihr Ehemann mehr oder weniger bewusst für die Schwangerschaft während des Studiums entschieden. Für Fatemeh war schon immer klar, dass sie früh Mutter werden möchte, aber sie wusste nicht, wie früh es funktioniert. Die beiden haben die Babyplanung einfach auf sich zukommen lassen, nach dem Motto „Es kommt, wann es kommen soll“.

So hätte es auch zu jedem anderen Zeitpunkt passieren können, allerdings sagt sie dazu: „Wenn ich darauf zurückblicke, war es der perfekte Zeitpunkt". Dadurch, dass ihre Tochter ein Säugling war, während sie noch die Vorlesungen und Seminare besuchte, konnte sie die Präsenzzeiten perfekt auf die Fütter- und Schlafbedürfnisse ihrer Tochter anpassen. Jetzt, wo sie ein Kleinkind ist, wäre das schwieriger.

Sie meint zudem, dass sie keine richtigen Ängste vor dem Studium in der Schwangerschaft oder mit Kind hatte, da sie immer auf die Unterstützung ihres Ehemanns zählen konnte: „Ich habe mich immer sehr abgesichert gefühlt und einfach gedacht ‚okay ich probier‘s und alles, was ich mit der Kleinen schaffe, schaffe ich und was nicht, das halt nicht‘“.

So konnte sie ohne Stress an die Sache herangehen, da für sie das Pausieren des Studiums nicht schlimm gewesen wäre.

Das sind ihre Tipps für Student:innen, die sich in einer ähnlichen Situation befinden:

  1. Es ist möglich, Kind und Studium zu vereinen. Durch Unterstützungsmaßnahmen der Uni und auch Hilfe aus dem engeren Umfeld funktioniert das. Man muss allerdings lernen, Hilfe anzunehmen!
  2. Es geht vor allem um den Versuch und nicht um das Ergebnis. Man scheitert nicht, falls es doch nicht funktioniert. Man braucht keine Angst vor dem Versagen haben. Falls es nicht klappt, kann man einfach das Studium pausieren und es zu einem geeigneteren Zeitpunkt fortführen.
  3. Man muss sich vor Augen führen, dass man eine andere wichtige Aufgabe übernimmt und sollte sich nicht schlecht fühlen, wenn man für das Studium länger braucht. Man hat einfach eine andere Reihenfolge als andere Studis, die evtl. erst später ein Kind bekommen.

Erfahrungen als Mutter an der JGU

Fatemeh erzählt, dass niemand an der JGU negativ auf ihre Schwangerschaft reagierte. Ihre Kommiliton:innen freuten sich eher darüber und waren sehr interessiert. Zudem waren sie hilfsbereit und offen gegenüber diesem Thema.

Auch die Dozent:innen waren verständnisvoll. Als sie ihre Schwangerschaft vor dem Veranstaltungsbeginn ankündigte, erhielt sie auch das Angebot von einem Professor, sein Büro z.B. zum Stillen zu nutzen. Zwar musste sie nie auf dieses Angebot zurückgreifen, dennoch war dies ein nettes Entgegenkommen.

Sie wendete sich einige Male an das Familien-Servicebüro, was ihr half, den Überblick über ihr Studium zu behalten.

Zudem wurde es ihr ermöglicht, eine Klausur schon zu einem früheren Zeitpunkt zu schreiben, da der der eigentliche Termin am errechneten Entbindungstermin gewesen wäre.

Weitere Angebote, wie z.B. die Eltern-Kind-Räume oder die Kinderbetreuung in der Campus-Kita nahm sie nie in Anspruch. Es hat sich nie angeboten, weil sie nicht in Mainz wohnt. Zudem gab es immer andere Möglichkeiten für sie.

Über ihr Studium während und nach der Schwangerschaft sagt sie, dass es im Großen und Ganzen super gelaufen ist. Obwohl es das Anstrengendste war, das sie jemals gemacht hat, ist sie froh, dass sie sich dafür entschieden hat.

Wie vereinbart man Uni und Kind als Mutter?

Fatemeh nahm ihre Tochter häufig mit in die Uni.

Dafür war es nötig, den Tag so zu planen, dass ihre Tochter in den Vorlesungen bzw. Seminaren beschäftigt war. Das Wichtigste ist, eine geeignete Routine für das Kind zu finden, was die Schlafens- und Essenszeiten betrifft. Somit funktionierte nur das erste Mal, als sie ihre Tochter mitnahm, nicht gut. Sie steckte ihre Tochter mit ihrer eigenen Unsicherheit an, sodass diese, sobald sie sich auf dem Campus befanden, durchgehend schrie. Somit war es auch nicht möglich, die Veranstaltungen zu besuchen und sie mussten den Versuch abbrechen. Doch Fatemeh ließ sich nicht entmutigen und startete einen zweiten Versuch, welcher dann sehr gut ablief.

Seitdem lernte sie immer mehr dazu und wusste schließlich, wann ihre Tochter kurz vor dem Weinen war, und konnte kurz davor schon den Raum verlassen. Auch weitere „Ablenkungsmanöver“ etablierten sich, sodass ihre Tochter meist leise war und niemanden störte.

Ansonsten erhielt sie sehr viel Unterstützung von ihrer Familie und ihrem Ehemann und weiß nicht, wie sie das ohne deren Hilfe geschafft hätte.

Sie sagt: „Ich bin in der besten Position, in der man sein kann, als Studentin mit Kind." Denn neben der Unterstützung muss sie sich auch finanziell keine Sorgen machen, ist durch ihr Auto mobil und wohnt mit ihrem Mann und ihrer Tochter in einer eigenen Wohnung.

Diese Vor- und Nachteile haben sich ergeben

Fatemeh meint, dass durch ein Kind auch einige Nachteile fürs Studium entstehen können, auch wenn diese nicht so prägend sind.

Sein Studium mit einem Kind zu bestreiten ist ihrer Meinung nach wie zwei Vollzeitjobs zu haben, weshalb man einer doppelten Belastung ausgesetzt ist. „Man hat ständig beides im Hinterkopf und wenn man nach Hause kommt, geht es direkt weiter“. Es bleibt weniger Zeit für sie selbst und demnach auch nicht viel Zeit, die sie in die Ehe investieren kann. Dies führte mit der Zeit auch zu kleineren Streitigkeiten in ihrer Beziehung, die aber durch eine gute Kommunikation schnell geklärt werden konnten.

In Bezug auf das Studium zeigte sich, dass sie manche freiwillige Leistungen, selbst wenn sie diese gerne gemacht hätte, nicht erbringen konnte. Als Mutter gibt es viele Termine im Kalender und somit bleiben für Leistungen, welche nicht notwendig sind, keine Kapazitäten übrig. Dadurch war es ihr z.B. nicht möglich, neben dem Studium schon Beziehungen mit Personen aus der Arbeitswelt aufzubauen, welche ihr in der beruflichen Zukunft von Vorteil sein könnten.

Zusätzlich verpasste sie viel von den Dingen, die neben dem Studium an der Uni stattfinden. Fatemeh stellte während ihres Bachelorstudiums fest, dass das Studentenleben viele Vorteile für das Studium bietet, da sie so im Austausch mit den Kommiliton:innen bleibt und automatisch weniger verpasst. Mit einem Kind ist es allerdings schwerer, da das klassische Studentenleben wegfällt. Somit war sie auf sich allein gestellt, was das Studium betraf.

Auch als sie für ihr Studium für zwei Wochen ins Ausland musste, lief dies nicht so reibungslos ab, da es ein Missverständnis gab, und sie kurz vorher doch nicht mit ihrer Tochter kommen sollte. Sie blieb allerdings hartnäckig und schließlich willigte die Direktorin ein, auch wenn sie zunächst nicht positiv gestimmt war. Letztendlich lief alles problemlos ab und durch diese Erfahrung lernte sie, für sich selbst einzustehen.

Für sie war ein Vorteil eines Studiums mit Kind, dass sie stark durch diese Aufgabe gewachsen ist und zu einem „Organisations-Genie“ geworden ist. Dies kann auch von Vorteil für das spätere Berufsleben sein, da sie so bereits weiß, wie man Termine am besten zeitlich abstimmt.

Durch ein Studium mit Kind ist sie stressresistenter, organisierter und selbstbewusster geworden. Fatemeh weiß dadurch, was sie allein schafft, wo sie Hilfe benötigt und hat gelernt, Hilfe anzunehmen.

Falls du selbst Hilfe benötigst und mehr über die Unterstützungsangebote für Studis mit Kind an der JGU erfahren möchtest, findest du hier einen Artikel dazu.

 

*Aus Gründen der Anonymität nennen wir nur den Vornamen.

Campus Mainz e.V. unterstützen!

Campus Mainz e.V. ist ein gemeinnütziger Verein und die meiste Arbeit ist ehrenamtlich. Hilf uns dabei auch in Zukunft tolle Dienste für alle kostenlos anzubieten. Unterstütze uns jetzt!