Burschenschaften und Studentenverbindungen: Der wahre Preis für günstiges Wohnen

07.10.2024
Studium, Wohnen
Julia Sudan Mendoza & Charlotte Groß

Jedes Semester ziehen neue Studierende nach Mainz und suchen bezahlbaren Wohnraum. Günstige, helle WG-Zimmer in Verbindungshäusern wirken da wie ein Jackpot – doch was steckt hinter diesen Angeboten?

Die Konkurrenz um WG-Zimmer ist groß, die Mieten für viele unbezahlbar. Laut einer Immowelt-Analyse reicht die Wohnkostenpauschale des BAföG in Unistädten wie Mainz selten aus, um die Miete zu decken.  

Hinzu kommt: 2023 war knapp ein Drittel der Studierenden armutsgefährdet, nämlich insbesondere jene, die allein oder in Wohngemeinschaften lebten. In dieser angespannten Situation wirken besonders die günstigen WG-Angebote umso verlockender – und beinhalten weit mehr als nur ein Zimmer.

Attraktive Angebote mit Haken

Zimmer, die zu auffällig niedrigen Preisen auf WG-Gesucht oder ähnlichen Plattformen inseriert werden, sind häufig in den Häusern von Studentenverbindungen. Diese sind nicht nur günstig, sondern auch oft an besondere Bedingungen geknüpft. Wie ein Ex-Burschenschafter 2023 im Interview Campus Mainz verriet, sind sie oftmals an der WG-Größe oder einer Wohnheim-Bar erkennbar. Doch was hat es mit Burschenschaften und Studentenverbindungen auf sich?  

Was sind Studentenverbindungen und Burschenschaften?

Studentenverbindungen sind studentische Vereinigungen, die sich als lebenslange Gemeinschaft verstehen. Mitglieder bleiben auch nach ihrem Studium miteinander verbunden – wer sein Studium abschließt, tritt nicht aus, sondern wird zum "Alten Herrn“ und unterstützt die Verbindung finanziell sowie durch sein Netzwerk, um aktiven Mitgliedern beim Berufseinstieg zu helfen. In Mainz gibt es zahlreiche Verbindungen, die zu übergeordneten Dachverbänden gehören, wie etwa der Cartellverband der katholischen deutschen Studentenverbindungen (CV), dem Coburger Convent (CC) oder der Deutschen Burschenschaft (DB). Das Verbindungswesen ist männlich dominiert – in Mainz nehmen beispielweise vierzehn der zwanzig Verbindungen nur Männer auf.  

Klingen und Narben: Die umstrittene Tradition der Mensur

Eine Form der Studentenverbindungen sind Burschenschaften, daneben existieren auch andere Ausprägungen wie zum Beispiel konfessionelle Verbindungen, Turnerschaften oder Corps. Einige dieser Verbindungen sind “schlagend”:

In schlagenden Verbindungen, insbesondere in Burschenschaften, gehört die Teilnahme an der Mensur einer besonderen Form des Fechtens, zur Tradition. Diese Fechtkämpfe sind streng reglementiert und werden mit scharfen Waffen ausgetragen, wobei Verletzungen, insbesondere Schmissnarben, als Zeichen von Mut und Zusammenhalt gelten. Das Schlagen ist entweder Pflicht oder freiwillig, also „fakultativ“ – wobei es in der Praxis trotzdem erwartet werden kann. Der ehemalige Burschenschaftler berichtete von „sehr viel Druck, an den Mensuren teilzunehmen“.  

Konservative Ideale und strikte Hierarchien 

Burschenschaften positionieren sich politisch konservativ und patriotisch, verbindungstypische Traditionen und Hierarchien sind besonders stark ausgeprägt: Angehende Burschenschafter, die sogenannten Füxe, durchlaufen eine Probezeit, in der sie die Strukturen und Werte der Verbindung kennenlernen. Auch der sogenannte Wichs, eine festliche Uniform, gehört zu den Traditionen, ebenso wie Kneipen – traditionelle studentische Feiern. 

Ein Extremfall: Die Burschenschaft "Germania Halle zu Mainz"

Die Burschenschaft Germania Halle zu Mainz, die dem Dachverband Deutsche Burschenschaft angehört, wird seit 2024 vom Verfassungsschutz Rheinland-Pfalz aufgrund rechtsextremer Tendenzen beobachtet. Nach einer SWR-Recherche pflegten einige Mitglieder der Germania Halle enge Verbindungen zu rechtsextremen Netzwerken und zur AfD. Außerdem bestünden Verbindungen zur „Identitären Bewegung“. Die Burschenschaft wies diese Vorwürfe in einer Stellungnahme an den SWR zurück. 

Augen auf bei der Wohnungssuche!

Nicht jede Studentenverbindung ist pauschal extremistisch oder politisch problematisch und nicht alle Verbindungen sind schlagend. Dennoch ist es wichtig, die mit einem günstigen Zimmer verbundenen Erwartungen zu hinterfragen – denn die Mitgliedschaft in einer Verbindung kann weitreichende Verpflichtungen und Erwartungen mit sich bringen, die über die reine Wohnsituation hinausgehen. Für weitere Infos sowie die Entstehungsgeschichte studentischer Verbindungen, die bis ins 18. Jahrhundert zurückreicht, bietet der Verbindungsreader Mainz einen guten Überblick.  

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