Dr. phil. Thomas Roessing, M.A. ist zurzeit Mitarbeiter am Institut für Publizistik der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Am Institut ist er ein Experte auf dem Gebiet des freien Onlinelexikons Wikipedia.org und forscht seit einiger Zeit in diesem Bereich. Er selbst ist Wikipedia-Autor und hat schon viele Artikel bearbeitet. Wir haben ihn zum Thema Hausarbeiten, Quellen und Wikipedia befragt.
Man darf Wikipedia nicht als Sekundärliteratur verwenden. Das hat allerdings weniger damit zu tun, dass es sich um ein Wiki handelt, als damit, dass Wikipedia Tertiärliteratur ist, also eine Zusammenfassung von bereits existierender Sekundärliteratur. Man darf ja auch bei einem Referat über Konrad Adenauer nicht einfach den Brockhaus-Artikel verwenden, sondern muss in die Bibliotheken der Historiker und der Politikwissenschaftler gehen und sich Primärquellen (Texte von Adenauer selbst) und Sekundärliteratur (wissenschaftliche Texte über Adenauer) ansehen.
Man kann Wikipedia so nutzen, wie andere Überblickswerke auch: Um sich einen Einstieg in ein unbekanntes Thema zu verschaffen. Wenn man noch nie von einem gewissen „Konrad Adenauer“ gehört hat, ist man mit Wikipedia als Einstieg genauso gut (bzw. wegen der längeren Artikel sogar besser) bedient wie mit dem gedruckten Brockhaus.
In den sogenannten Einzelnachweisen in vielen Wikipedia-Artikeln sind oft geeignete Literaturangaben vorhanden. Ansonsten kann man sich auf die in einem Fach anerkannten Fachzeitschriften und Autoren verlassen. Allerdings ist auch bei gedruckten Quellen Vorsicht geboten. Deshalb sind bei Büchern die Angabe des Erscheinungsjahres und des Erscheinungsorts wichtig. Ein Buch über deutsche Geschichte, das in „Berlin, 1936“ erschienen ist, muss man natürlich mit größter Vorsicht lesen.
Vor allen. Das ist der Job von Wissenschaftlern, nichts als in Stein gemeißelt zu betrachten und alles in Frage zu stellen.
Inzwischen sollte man Wikipedia nicht mehr mit gedruckten Lexika vergleichen. Es gibt viel mehr Artikel, die zumeist auch deutlich länger sind als die Einträge in gedruckten Enzyklopädien. Die Artikel sind auch viel stärker mit Bildern illustriert und intern und extern verlinkt und belegt, als dass bei gedruckten Werken jemals möglich war. Allerdings ist Wikipedia keine Bibliothek, sondern ein Nachschlagewerk. Wenn man eine Bibliothek sucht, ist man innerhalb der Wikimedia-Projekte bei Wikisource richtig. (https://de.wikisource.org/wiki/Hauptseite). Meiner Meinung nach können derartige Online-Angebote – so bequem sie sind – den regelmäßigen Besuch einer guten Universitäts- oder Fachbibliothek allerdings nicht ersetzen.
Aus Sicht von Wikipedia: ja. Mehr als anderthalb Millionen Artikel müssen ja auch gepflegt und aktualisiert werden. Ob sich die Mitarbeit bei Wikipedia als Hobby eignet, muss freilich jeder selbst herausfinden.
Es gibt einige Wikipedia-Nutzer, die sich regelmäßig bei Stammtischen und anderen Veranstaltungen treffen. Ich selbst bin schon einigen Leuten begegnet, die bei Wikipedia aktiv waren, suche aber nicht aktiv den Offline-Kontakt.
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