Wie mich der BAföG-Antrag Demut lehrte: Ein Erfahrungsbericht

03.11.2017
Studium
ht

Für viele ist der BAföG-Antrag ein Buch mit sieben Siegeln. Daher möchte ich euch von meinen eigenen Erfahrungen beim Beantragen dieser Form der staatlichen Unterstützung berichten und Tipps geben, wie ihr möglichst unkompliziert euren Antrag einreichen könnt.

Früher oder später muss sich jede Studentin und jeder Student einer wichtigen Frage stellen: Wie finanziere ich mein Studium? Nicht alle können dabei von ihren Eltern unterstützt werden – viele müssen finanziell auf eigenen Füßen stehen. Eine Möglichkeit der Studienfinanzierung ist das BAföG.

Ich selbst gehöre auch zu den Studierenden, die eine Zeit lang die staatliche Unterstützung durch das Bundesausbildungsförderungsgesetz in Anspruch genommen haben. Da meine Eltern finanziell Bill Gates keine Konkurrenz machen, Arbeiten während des Studiums zeitlich nicht mit meinen beiden Studienfächern vereinbar ist und nur Rumpelstilzchen das Geheimnis kennt, Stroh zu Gold zu spinnen, war ich – wie viele andere – auf die finanzielle Unterstützung des Staates angewiesen.

Nächte zwischen Aktenordnern und Aktualisierungsanträgen

"Ich dachte immer, wenn man der deutschen Sprache mächtig ist, kann man jeden Antrag irgendwie ausfüllen – der BAföG-Antrag hat mich das Gegenteil gelehrt." Diese Feststellung stammt von einer Mutter, die für ihre beiden Kinder BAföG beantragen musste, und ich kann ihr nach bestem Wissen und Gewissen Recht geben.

Als ich einige Wochen vor Studienbeginn mit meinem Vater abends um 19 Uhr begonnen hatte, alle nötigen Anträge aus dem Internet auszudrucken und auszufüllen, war mir nicht bewusst, dass dieses Unterfangen unserer beider Nerven bis spät in die Nacht strapazieren würde. Auch wenn sich die Beamten Mühe geben, alle Felder mit kleinen Notizen und Sternchen zu erklären, war mir bei dem Antrag oft nicht klar, ob ich das Gehalt meiner Eltern, mein Einkommen oder ein Wunschgehalt für die Zukunft angeben sollte.

Noch interessanter wurde es, als ich die Aktualisierungsanträge ausfüllen musste. Da sich das Arbeitsverhältnis meiner Mutter in den letzten zwei Jahren verändert hatte und der BAföG-Satz immer auf Grundlage des Einkommens von vor zwei Jahren berechnet wird, musste ich einen Antrag auf Aktualisierung für das Einkommen meiner Mutter stellen.

Irgendwann hatte ich so viele Blätter und Anträge in der Hand, dass es immer schwerer wurde, den Überblick zu behalten. Diesen hatte ich dann endgültig verloren, als für jede Angabe auf dem Antrag ein Beleg gefordert wurde. Angefangen von meinem Mietvertrag über meine Kontoauszüge bis hin zur Gehaltsabrechnung meines Vaters wurde alles verlangt. Es war ein seltsames Gefühl, seine eigene finanzielle Situation und die der Eltern vollständig offen zu legen.

Nach vielen Stunden Aktenordnerwälzen, Kopieren und Ausfüllen waren meine Eltern und ich sehr stolz, endlich alle Unterlagen zusammen zu haben – dachten wir jedenfalls. Auf dem BAföG-Amt in Mainz stellte sich dann allerdings heraus, dass immer noch zwei Bescheinigungen fehlten.

Ein Jahr später, als ich den Antrag erneut mit meiner Schwester ausgefüllt habe und wieder davon überzeugt war, dass ich dieses Mal aber alles richtig gemacht hatte, wurde ich ein zweites Mal eines Besseren belehrt. Auch nach einem Jahr Übung im Anträge ausfüllen, fehlten wieder zwei Bescheinigungen. Daher sehe ich mittlerweile den BAföG-Antrag als gute Chance, Demut zu lernen: Ich werde nie auf Anhieb alles richtig machen!

Kompetente Hilfe auf dem BAföG-Amt

Mal abgesehen davon, dass die persönlichen und telefonischen Sprechzeiten auf dem BAföG-Amt so begrenzt sind wie die Himbeeren in der Colorado-Haribo-Tüte, helfen die Beamten bei Fragen immer weiter und gehen den BAföG-Antrag bei Schwierigkeiten zusammen mit dem Antragsteller durch.

Meine Ansprechpartnerin auf dem Amt war sehr kompetent und hilfsbereit. Sie konnte meine Fragen beantworten und hat meinen Antrag sehr schnell bearbeitet. Nach weniger als drei Wochen kam die BAföG-Berechnung.

Fünf Tipps für den BAföG-Antrag

Klug ist, wer aus den eigenen Erfahrungen Konsequenzen zieht – klüger ist, wer aus den Erfahrungen der anderen lernt. Deshalb kommen hier meine fünf hilfreichen Tricks für einen erfolgreichen BAföG-Antrag:

Erstens sollte man den Antrag möglichst früh einreichen. In den ersten Wochen nach Semesterbeginn beantragen viele die finanzielle Unterstützung, dadurch kann es länger dauern, bis der eigene Antrag bearbeitet wird. Am besten ist es, wenn man den Antrag noch vor Studienbeginn einreicht. Dabei ist allerdings wichtig, dass man bereits eine Immatrikulationsbescheinigung erhalten hat und einen Mietvertrag der neuen Wohnung besitzt, falls man für das Studium von zu Hause ausgezogen ist.

Meinen Antrag habe ich zum Beispiel zwei Wochen vor Semesterstart gestellt und nach weniger als drei Wochen war er vollständig bearbeitet. Bis dann allerdings das erste Geld kommt, dauert es erneut mindestens eine Woche.

Zweitens sollte man den Antrag zusammen mit dem Ehepartner oder den Eltern ausfüllen. Von deren Einkommen hängt die eigene Sozialleistung ab. Da man als Tochter oder Sohn meistens keinen Überblick über die Finanzen der Eltern hat, ist es hilfreich, wenn die Eltern direkt beim Antragstellen helfen. Wenn man sich gemeinsam an diese Herausforderung heranwagt, geht es schneller und man kann sich gegenseitig helfen.

Drittens sollte man bei jeder Veränderung der Einkommensverhältnisse von Ehepartner oder Eltern einen Aktualisierungsantrag stellen. Wenn sich zum Beispiel die Einkommensverhältnisse eines Elternteils oder des Ehepartners in den letzten zwei Jahren verschlechtert haben, werden durch den Aktualisierungsantrag die aktuellen Einkommensverhältnisse berücksichtigt und man bekommt möglicherweise mehr Geld. Stellt man diesen Antrag nicht, errechnet sich die finanzielle Unterstützung des Staates wie üblich aus der finanziellen Lage des vorletzten Kalenderjahres.

Viertens sollte man organisiert an den Antrag herangehen. Am besten macht man sich Listen, welche Belege eingereicht werden müssen und welche man am Ende tatsächlich eingereicht hat. Es lohnt sich auch, diese Listen aufzubewahren und so während der gesamten Förderzeit einen Überblick über die eigenen Anträge zu behalten.

Fünftens sollte man immer darauf gefasst sein, dass man doch noch Unterlagen nachreichen und den netten Beamten einen zweiten Besuch abstatten muss. Hier ist es besonders wichtig, sich vorher gut über die telefonischen und persönlichen Sprechzeiten des Amtes zu informieren.

BAföG als dornige Chance sehen

Insgesamt bin ich sehr dankbar, die Möglichkeit gehabt zu haben, durch BAföG die ersten Monate meines Studiums finanzieren zu können. Da ich mittlerweile ein Stipendium erhalte, muss ich diese staatliche Unterstützung nicht mehr in Anspruch nehmen.

Auch wenn ich verstehen kann, dass einige die Berechnungen unfair finden, den hohen bürokratischen Aufwand kritisieren und BAföG insgesamt mehr als Problem wahrnehmen denn als hilfreiche Unterstützung, halte ich mich an das Sprichwort: Es gibt keine Probleme – nur dornige Chancen. Für mich war BAföG die Chance, studieren zu können.

Campus Mainz e.V. unterstützen!

Campus Mainz e.V. ist ein gemeinnütziger Verein und die meiste Arbeit ist ehrenamtlich. Hilf uns dabei auch in Zukunft tolle Dienste für alle kostenlos anzubieten. Unterstütze uns jetzt!