WG-Casting: Janas WG-Vergangenheit

16.11.2016
Wohnen, Wohnblog
Jana

Fast jeder Studi hat schon eins mitgemacht: ein WG-Casting. Jana analysiert, warum es für beide Seiten unangenehm ist, und stellt einzelne Typen von Interessenten vor.

Achtung: Dieser Text enthält Spuren von Pauschalisierungen 

Vier Mitbewohner sitzen um den kleinen Küchentisch herum und dazwischen eine fremde Person. Die Stimmung schwankt zwischen ausgelassen und betont fröhlich, lässig. Oder angespannt, bedrückt, unangenehme Stille. Man redet über dies und das. Musik, Urlaub, Hobbys, Putzplan. Ach nee, alles nicht so wild hier.

"Ja, tschüss dann, wir melden uns. Cool, dass du da warst." Und der Nächste.

Seien wir ehrlich: WG-Castings sind beschissen. Für beide Seiten. Niemand hat Lust darauf, es ist zeitraubend, nervtötend und alles andere als effizient. Aber es ist üblich im WG-Geschäft. Wie sonst soll man sich eine nette WG suchen oder einen neuen Mitbewohner finden, wenn man niemanden kennt, der jemanden kennt... ?

Die WG-Suche

Da ist man nun, in der fremden Wohnung bei den potentiellen neuen Mitbewohnern und versucht, sich gegenseitig zu beschnuppern. Wie ticken die so? Passe ich hier rein? Aber viel wichtiger ist meist, was die Miete kostet und wie groß das Zimmer ist. Allüren und hohe Ansprüche kann man sich kaum leisten - beim aktuellen Wohnungsmarkt muss man froh sein, wenn man überhaupt irgendwo genommen wird.

Die Mitbewohner-Suche

Als WG hat man es leichter. Klar, die Organisation nervt, es müssen Termine gefunden werden, zu denen die Leute dann trotzdem nicht kommen. Als WG ist man auf der sicheren Seite, man sitzt schließlich am längeren Hebel. Anfangs ist es noch unterhaltsam, Kaffee oder Tee werden gekocht, vielleicht Kekse auf den Tisch gestellt (oder sogar Tequila?). Dann kommen die Leute und spätestens nach dem dritten Interessenten wäre man dann doch ganz gerne durch. Nur blöd, wenn der/die Richtige noch nicht dabei war.

Die WG-Casting-Typen: Eine Typologisierung

Der gemeine WG-Suchende ist eine Spezies für sich, die sich in mehrere Kategorien unterteilt. Vorsicht! Pauschalisierungen inklusive.

Der Opportunist: findet alles toll, bewundert den fleckigen Teppich und die Küchendeko von den Vor-vor-Mietern. Er/sie bietet sofort an, für alle zu kochen, kann Waschmaschine, Spülmaschine und überhaupt einen ganzen Hausrat mitbringen und schwört, sich immer an den Putzplan zu halten.

Der Idealist: träumt vom wilden, aufregenden WG-Leben. Partys ohne Ende, alles zusammen machen, beste Freunde werden. Plant die Umgestaltung der WG und das Weihnachtskochen, ach was, jeden Abend wird gemeinsam gekocht. Gehäuft unter Erstis anzutreffen.

Der Realist: hat schon WG-Erfahrung und sieht der Sache entspannt entgegen. Stellt keine hohen Erwartungen in puncto Gemeinschaftsleben, Sauberkeit oder innige Freundschaft innerhalb der WG; freut sich aber über alles, was in diese Richtung geht. Aufgrund der Erfahrungen hat der Realist einige Prinzipien oder absolute No-Gos, er/sie geht deshalb weniger übereifrig und dafür mit zielgerichteten Fragen ins WG-Casting und ist damit nicht selten auch erfolgreich.

Der Austauschstudierende: Was heißt Untermiete auf Englisch? Wie erklärt man GEZ-Gebühren? Der Austauschstudi bringt ein bisschen Wirbel ins WG-Casting. Mit Händen und Füßen werden Missverständnisse gleichermaßen ausgeräumt wie verursacht. Das kulturelle und sprachliche Chaos muss man mögen – nicht nur beim Casting, sondern auch im künftigen WG-Leben.

Der Nerd: hat noch gar nicht mit dem Studium angefangen und redet trotzdem schon von nichts anderem. Ist bestens informiert und vorbereitet. Für andere Fächer kann er sich zwar gar nicht erwärmen, aber immerhin ist er voll und ganz von seiner Studienwahl begeistert. Wenn man damit nichts am Hut hat, ist das allerdings eher anstrengend.

Der Unmündige: kommt mit Eltern zur WG-Besichtigung und spricht außer "Hallo" kein Wort. Kann nicht kochen, nicht waschen und nicht einkaufen und kommt gar nicht auf die Idee nach so etwas wie W-LAN-Nutzung oder Putzplan zu fragen. Darum musste er/sie sich schließlich die letzten 18 (wahlweise auch 25) Jahre nicht kümmern.

Und welcher Typ bist du? Kennt ihr noch mehr WG-Casting-Typen?

Ich habe in meiner WG-Zeit so einige WGs angeschaut und für meinen Geschmack viel zu viele Mitbewohner gecastet. Wenn auch nicht in dieser überspitzten Form, kamen dabei einige dieser Typen tatsächlich vor.

Warum das WG-Casting trotzdem noch nicht ausgestorben ist

Warum tun wir uns so ein WG-Casting überhaupt an? Es kostet Nerven und unsagbar viel Zeit. Trotzdem ist das WG-Casting das beste Mittel, um herauszufinden, ob einem die WG gefällt. Und für die WG, ob der oder die "Neue" in die WG passt.

In anderen Ländern (zumindest habe ich das so in Genf erlebt) gilt das Prinzip: "First-come, first-serve". Wer zuerst zusagt und unterschreibt, hat das Zimmer. Hier wäre das kaum vorstellbar: Die Mitbewohner-Auslese wird von der WG in aufwendigen Verfahren vorgenommen, da soll der Vermieter bloß nicht reinquatschen.

Und das ist ja eigentlich auch das Gute an der Sache. Schließlich will niemand, dass der künftige Mitbewohner einem einfach vom Vermieter in die Wohnung gesetzt wird. Man hat ein Mitspracherecht und meistens lohnt es sich auch, den Aufwand zu betreiben. Wer weiß, vielleicht schlummert tief in uns drin doch noch ein kleiner Idealist, der darauf hofft, endlich die Traum-WG zu finden?

Trotzdem bin froh, nun endlich keine WG-Castings mehr abhalten und nicht mehr ständig einen neuen Mitbewohner suchen zu müssen. Denn neben dem organisatorischen und zeitlichen Aufwand,  heißt das ja auch immer eine Neuformierung des WG-Lebens. Aber das ist ein anderes Thema...

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