Werkstattlesung 2023: Von Studierenden für Studierende

18.02.2023
Campus-News, Freizeit...
kn

Am 2. Februar 2023 wurde nach knapp zwei Jahren wieder eine Werkstattlesung von Studierenden der Komparatistik (FB 05) in Präsenz in der Alten Mensa organisiert und veranstaltet.

Am 2. Februar 2023 haben Studierende der Komparatistik/Allgemeinen und Vergleichenden Literaturwissenschaft (AVL) der JGU im Rahmen des Seminars zu "historischen und theoretischen Aspekten der Literaturvermittlung" unter der Leitung von Jonas Heß M.A. eine Werkstattlesung für alle Interessierten in der Alten Mensa durchgeführt. Im Vorfeld konnten Studierende des Fachs eigene, kürzere Texte einsenden, die dann am Donnerstagabend ab 18 Uhr dem Publikum vorgetragen wurden. Rückblickend wurden auch Impressionen des Abends auf dem offiziellen Instagram-Account der AVL veröffentlicht.  

Unter den elf eingereichten Texten fanden sich Romanauszüge, Text- und Gedichtsammlungen sowie Kurzgeschichten unterschiedlichster Gattungen. Im Vergleich zu dem eher kleinen Uni-Fach stieß dies auf großes Interesse auch außerhalb der Komparatistik-Grenzen, sodass die Veranstaltung gut besucht war. Untermalt von Live-Musik in der dreißigminütigen Pause und gestärkt mit ausreichend Brezeln, Cookies und Getränken, dauerte die Veranstaltung insgesamt drei Stunden.

Der erste Schritt zum Text: Der erste Satz!

"Ilsebill salzte nach." Bei diesem Satz handelt es sich um den Beginn von Günter Grass‘ Roman "Der Butt", der 2007 im Rahmen eines Wettbewerbs der Initiative Deutscher Sprache und der Stiftung Lesen zum schönsten ersten Satz der deutschsprachigen Literatur gekürt wurde. 

Mit diesem Satz wurde auch die Werkstattlesung durch die Studierenden eingeleitet: Es ging um die Suche nach dem richtigen Beginn und der Frage, wie man Lesende mit der eigenen Geschichte fesseln kann. 

Nach den einleitenden Worten der Moderatorin des Abends wurden die Anwesenden auch von Professor Dr. Frank Zipfel im Namen der Dozierenden der AVL Mainz begrüßt. In seiner Rede wies er auf die inzwischen zehnjährige Tradition der Veranstaltung am Institut hin und betonte, wie schön es sei, im Wintersemester 2022/2023 endlich wieder reale Gesichter zu sehen, nachdem im vergangenen Wintersemester die Lesung Corona-bedingt nur Online über Micrsoft-Teams organisiert werden konnte. Des Weiteren war es die erste Werkstattlesung, seitdem Universitätsprofessorin Dr. Irina Rajewsky die geschäftsführende Leitung des Gutenberg-Instituts für Weltliteratur und schriftorientierte Medien vom emeritierten Universitätsprofessor Dr. Dieter Lamping übernommen hat. 

Nach den Einleitungen lag es an Matthis Britz, der im ersten Semester Komparatistik studiert, den Abend mit seiner Kurzgeschichte "Momentaufnahme" einzuläuten.

Von Kuhdärmen, abgebissenen Daumen und Reich-Ranicki

Im Verlauf des Abends wurden den Zuhörern eine ganze Bandbreite an unterschiedlichen Texten und Auftritten geboten.

Während die meisten Autor:innen und Vorleser:innen den Autorentisch in der Mitte des Raumes nutzten, brach Dominique Rodríguez mit dieser "vierten Wand" und stellte sich stattdessen ans Rednerpult, das ansonsten nur für die Anmoderation genutzt wurde. Mithilfe des Beamers, der ansonsten die gesamte Veranstaltung lang ein Kaminfeuer an die Leinwand projizierte und damit die passende Atmosphäre für den kalten Februarabend lieferte, verwandelte der Komparatistik-Student seine Texte in eine farbenfrohe Präsentation der etwas anderen Art. In der Pause hörte man den lachenden Kommentar einer Studentin: "Zwischendurch hatte ich schon einen Kultur-Schock" – vor allen Dingen, als es um ‚El Mondongo‘, Kuhdärme und Tinder ging.

In bekannteren Gewässern schwamm daraufhin das Gedicht "Die Nachbarskatze" von Alexia Theresa Bartels, das auf einem Alptraum basierte und von einer Daumen-fressenden Nachbarskatze erzählte, die einem dickköpfigen Kind, das ihr Nein zum Streicheln partout nicht akzeptieren will, gnadenlos und blutig eine Lektion erteilt. Die Anspielung auf die Geschichten von Heinrich Hoffmann rund um den "Struwwelpeter" wurden von einigen Zuschauer:innen schnell erkannt, was sich mit Nicken und Lachen ausdrückte. Hoffmann war jedoch nicht die einzige historische Person, die in den Texten Erwähnung fand: Typisch für Literaturstudierende kamen die Texte auch früher oder später auf literarische Themen zu sprechen – und hier durfte natürlich nicht der Name Marcel Reich-Ranicki und seine Literatursendung, das "Literarische Quartett", fehlen. 

Blut floss nicht nur hinsichtlich abgebissener Finger im weiteren literarischen Verlauf des Abends: Auch die beiden Romanauszüge "Sial" und "Der Auftrag" kamen nicht ohne einige Blutstropfen aus. Der Höhepunkt der Dramatik wurde jedoch in der Kurzgeschichte der Komparatistik-Studentin Veronika Nanieva erreicht, als ihre Protagonistin nach Entdeckung des Treuebruchs ihres Liebhabers vom Auto seiner Ex-Freundin erfasst wird und stirbt. 

Musik, Brezeln und Feedback

Neben den literarischen Vorträgen gab es am Abend auch Live-Musik während der dreißigminütigen Pause: Andreas Sauther, ebenfalls Komparatistik-Student, trug seine selbstgeschriebenen Liedtexte vor.

Von der kulinarischen Stärkung des Abends blieb noch genügend übrig, sodass davon auch die Komparatistik-Kurse am Folgetag gesättigt werden konnten. In diesen wurde nicht nur gegessen, sondern auch die Werkstattlesung Revue passiert, wobei das Feedback größtenteils sehr positiv ausfiel. Der Konsens war: Etwas zu lange für die allgemeine Aufmerksamkeitsspanne, dafür jedoch die perfekte Möglichkeit, endlich einmal ins Gespräch mit Kommiliton:innen zu kommen. Vor allem für Studierende, die die ersten Semester Corona-bedingt digital und damit "isoliert" erlebt hatten, war es eine willkommene Gelegenheit, ins Gespräch mit anderen Literaturbegeisterten zu kommen. 

Das "Allerletzte" der Literatur: Der letzte Satz

Um einen thematischen Bogen am Ende der Sitzung zu seinem Anfang zu schlagen, beschäftigten sich die abschließenden Worte zum offiziellen Ende der Sitzung mit dem glorreichen Abschluss eines literarischen Texts. Dabei ging es unter anderem um das Ende von James Joyce‘ "Finnegans Wake", dessen letzter Satz unvollendet ist und durch den ersten Satz des gleichen Werks erst beendet wird. In diesem Sinne wird die Hoffnung gehegt, dass die Werkstattlesung im kommenden Jahr an gleicher Stelle ansetzen und die Tradition fortsetzen wird.

Dabei schwingt auch Sorge um die Zukunft mit: Im Fachbereich 05 sollen in naher Zukunft drei Professor:innenenstellen mit der Emeritierung der entsprechenden Dozierenden nicht wieder besetzt werden. Von dieser Stellenkürzung ist auch die Komparatistik betroffen: Von Seiten der Universitäts-Leitung ist für 2026 geplant, die Stelle von Universitätsprofessor Dr. Winfried Eckel mit dessen Ausscheiden auslaufen zu lassen. 
Diese Kürzung hätte das Wegfallen von Stellen wissenschaftlicher Mitarbeitenden, die Reduktion des Lehrveranstaltungsangebots und damit sowohl deutlich vollere Kurse als auch weniger Chancen zum interaktiven Austausch innerhalb der Seminare zur Folge. Aus diesem Grund plant die Fachschaft Komparatistik in den nun folgenden Wochen gemeinsam mit allen AVL-Studierenden Proteste gegen diese Entscheidung. Ein Anfang wurde hierfür bereits am 30. Januar 2023 mit einer Vollversammlung gemacht, um die nächsten Schritte innerhalb der Studierendenschaft abzusprechen. 

Campus Mainz e.V. unterstützen!

Campus Mainz e.V. ist ein gemeinnütziger Verein und die meiste Arbeit ist ehrenamtlich. Hilf uns dabei auch in Zukunft tolle Dienste für alle kostenlos anzubieten. Unterstütze uns jetzt!