Wenn klettern mehr als nur ein Hobby ist: DIY-Tage in Mainz

17.11.2015
Freizeit, Studigruppen
nb

Klettern macht Spaß und man ist an der frischen Luft. Dass es aber noch einen konkreten Nutzen haben kann, haben wir im Kletterkurs der DIY-Tage vom Haus Mainusch erfahren.

Am Freitagnachmittag der DIY-Woche am Haus Mainusch finden sich eine Handvoll Leute ein, die hauptsächlich durch Freunde vom Kletterkurs Wind bekommen. Es herrscht eine erwartungsvolle Stimmung, als die Klettertrainerin Alena, bepackt mit der Ausrüstung, mit uns Richtung Musikgebäude aufbricht. Gegenüber an den Bäumen sehen wir schon die Taue hängen, die dort am Vortag für das Klettertraining befestigt und über die Äste geworfen worden sind.

Mit zwei Bandschlingen, die Alena einmal um den Baum führt und mit dem sogenannten Prusikknoten schließt, beginnt sie sogleich mit dem ersten Aufstieg. Fasziniert sehen wir zu, wie sie abwechselnd die untere Bandschlinge, die ihren Fuß stützt, und die obere, in die sie sich mit einem Karabiner an ihrem Klettergürtel gesichert hat, be- und entlastet. Die entlastete Schlinge schiebt sie dabei immer ein Stück weiter hoch, sodass sie bald an die Taue reichen und sie aus den Ästen befreien kann.

Was man bei einer Baumbesetzung beachten muss

Von uns Teilnehmern hat noch niemand Erfahrung im Klettern, vereinzelt haben welche schon gebouldert. Julian, ein weiterer Klettertrainer, erklärt uns daher die grundlegenden Dinge über die Kletterausrüstung: wie man den Klettergurt richtig anlegt und was dabei zu beachten ist, wie man einen Karabiner richtig schließt und belastet und was sonst noch an Material wichtig und zu beachten ist.

"Man sollte natürlich darauf achten, dass die Seile nicht zu sehr an etwas scheuern, sonst werden sie porös. Es sollten auch keine zuckerigen Flüssigkeiten oder Urin darüber laufen. Wenn man also einen Baum besetzt, erst den Gurt ablegen, bevor man mal muss." Schmunzeln bei den Teilnehmern: Bäume besetzen - wieso das denn? Ist das Klettern nicht einfach ein Hobby?

Bevor ich mir weiter Gedanken über Julians Aussage machen kann, beginnt er auch schon, eine Klettertechnik zu demonstrieren. Mit zwei Prusiken, die an herabhängenden Seilen befestigt werden, klettert er hinauf und seilt sich noch schneller mit dem Achter wieder hinab.

Erste Kletterversuche

Dass das gar nicht so einfach ist, wie es bei Julian aussieht, merken die ersten Mutigen sofort. Mit der richtigen Technik und einigen Kniffen, die uns Alena noch verrät, gelingt das Hochklettern und Abseilen aber immer besser.

In den Verschnaufpausen geben Alena und Julian Antwort auf alle möglichen Fragen. Angefangen damit, wieviel eine komplette Ausrüstung überhaupt kostet und wo man auch an einem längeren Kletterkurs teilnehmen kann, schwingen die Gespräche bald zu der Motivation der Veranstalter des Kurses. „Durch Freunde habe ich vom Hambacher Forst erfahren, wo eine Gruppe Autonomer sich gegen die Rodung des Altwaldes wegen des Braunkohleabbaus einsetzt", erzählt Alena.

Man höre zwar manchmal von der Rodung des Regenwaldes, aber es habe bei ihr erst Klick gemacht, nachdem sie den Tagebau mit eigenen Augen gesehen habe. Seitdem sei sie Teil der dynamischen Gruppe, der immer mal unterschiedliche Leute angehören.

Aktivisten vs Polizei

Das Klettern nutzt die Gruppe dabei nicht nur für Baumbesetzungen. Alles, woran man ein Seil befestigen kann, wird genutzt. "Zwischen Straßenlaternen oder sogar eng stehenden Gebäuden lassen sich Banner und Seilbrücken spannen oder Barrikaden errichten. Auch an Kränen kommt man gut hoch", erzählt Alena. Ob das nicht auch mal böse ausgehen kann, wenn man nicht richtig gesichert ist? "Man kennt sich ja aus", erklärt Alena, "und weiß, wann ein Seil fest sitzt und wann nicht." Aufpassen müsste man nur auf die Polizeieinheit, die extra aufs Klettern spezialisiert sei, und vor allem auf die Sicherheitsleute.

Im Gegensatz zur Aktivistengruppe achte die Polizeieinheit nämlich nicht auf den schonenden Umgang mit den Bäumen und schlage zum Klettern Enterhaken in die Bäume hinein. Während die Polizeieinheit die Baumbesetzer jedoch zum Herunterholen an sich selbst sicherten, nähmen die Sicherheitsleute Verletzungen bewusst in Kauf. "Manchmal schneiden sie nachts Seile ab. Wenn man beim Abseilen nicht rechtzeitig bemerkt, dass das Seil einfach in der Luft endet, kann man ganz schön tief fallen." Glücklicherweise sei jedoch noch nie ein Bekannter von ihr ernsthaft verletzt worden.

Klettern als Mittel zum Zweck

Wieso aber nimmt man solch ein Risiko auf sich? "Man muss doch den Leuten mal die Augen öffnen", meint Alena. "In den Nachrichten wird in der Regel nicht über die drastischen Maßnahmen der Unternehmen berichtet. Der Staat ist eben kapitalistisch und stellt die Dinge nur aus seiner Sicht dar."

Die Aktionen zeigen Wirkung: Der Hambacher Forst hat mittlerweile unter anderem eine eigene Wikipedia-Seite und auch der WDR berichtete bereits über ihre Aktionen. Alena hofft, noch mehr Menschen durch die Aktionen ihrer Gruppe auf die Umstände aufmerksam zu machen und zum Reflektieren zu bringen. "Unterstützung ist sehr gewünscht", ermutigt Alena. Diese kann von Sachspenden bis zu unterstützenden Briefen reichen. 

Natürlich ist das Klettern aber auch nicht nur ideologisch geprägt. Alena und Julian sind sich einig, es sei das schönste Erlebnis überhaupt, in einem Baumhaus aufzuwachen, geweckt von dem Klopfen eines Spechts und mit einer Haselmaus neben sich – die übrigens beide auch vom Aussterben bedroht sind.

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