Weltmeister und Lehramtsstudent – Interview mit Niklas Kaul

04.04.2025
Campus-News, Studium
Dajana Andres

Niklas Kaul meistert sowohl die Herausforderungen des Leistungssports als auch die des Studiums. Im Interview verrät der Zehnkampf-Weltmeister, wie er Balance hält und mit dem Druck umgeht.

Niklas Kaul hat sich bereits früh als herausragender deutscher Zehnkämpfer etabliert – und war nicht zuletzt bei den olympischen Sommerspielen 2024 in Paris vor Ort. Parallel zur Sportkarriere studiert er Lehramt an der JGU Mainz.

Wer ist Niklas Kaul?

Der 26-Jährige Mainzer wuchs in Saulheim auf und fand früh den Weg zur Leichtathletik. Bis in seine Jugend hinein spielte er parallel Handball, entschied sich jedoch mit 15 Jahren für die Leichtathletik –nicht zuletzt wegen der Vielfältigkeit, die ihn bereits bei seinem ersten Mehrkampf im Alter von 14 Jahren begeisterte. Heute ist er Mitglied im USC Mainz.

International wurde Kaul 2019 in Doha jüngster Weltmeister in der Geschichte des Zehnkampfs. Besonders beeindruckte er mit einer herausragenden Leistung im Speerwurf, bei der er 79,05 Meter erzielte. Damit stellte er auch seinen persönlichen Rekord auf und gewann eine Goldmedaille.

Neben seiner Sportkarriere studiert Kaul Physik und Sport auf Lehramt an der JGU. Dabei ist ihm eine ausgewogene Balance zwischen Studium und Leistungssport von großer Bedeutung. Nach den olympischen Spielen 2024 in Paris steht für Niklas nun als nächstes großes Ziel die Weltmeisterschaft im September 2025 in Tokyo an.

Wie balancierst du den Sport und dein Privatleben?

Das funktioniert insofern ganz gut, als dass ich ein Umfeld habe, das sehr sportaffin ist. Ein Umfeld, was auch sehr viel Sport treibt und das dann auch eben Verständnis dafür hat, wenn ich einfach platt von der Woche bin.

Ohne die Unterstützung und das Verständnis meiner Familie, Freunde und Partnerin, wäre es nicht möglich, die Zeit und den Aufwand für die Universität, das Privatleben und den Sport zu bewältigen.

Wie bringst du Studium und Leistungssport unter einen Hut?

Das funktioniert in Mainz gut, weil ich auf dem Uni-Campus trainieren kann. Für mich bedeutet das: kurze Wege, flexible Trainingsmöglichkeiten und keine verlorene Zeit durch lange Anfahrten. So kann ich sogar zwischen Vorlesungen trainieren.

Es gibt Tage, an denen ich morgens um acht in die Uni gehe und abends um neun wieder Zuhause bin. Das ist schon manchmal stressig. Andererseits kann ich durch den Sport auch mein Studium finanzieren und muss nicht nebenbei anderweitig arbeiten gehen. Ich habe aber noch eine halbe Stelle als wissenschaftliche Hilfskraft im Laborpraktikum der Physik, das kommt noch obendrauf.

Wie organisierst du dein Studium konkret?

Bei der Semesterplanung berücksichtige ich die anstehenden Termine für Wettkämpfe. Leistungsnachweise lege ich, wenn möglich, an den Anfang oder das Ende des Semesters. So vermeide ich, dass die Prüfungen in die Hauptwettkampfphase fallen. Ich merke, wie meine Uni-Produktivität kurz vor den Wettkämpfen natürlich starkt abnimmt.

Dieses Jahr ist es relativ entspannt, da die anstehende WM erst nach der Prüfungsphase stattfindet. Letztes Jahr bei den Olympischen Spielen in Paris war es aber schwieriger. Da habe ich mir ein Freisemester genommen.

Das klingt jetzt vielleicht so, als würde ich top organisiert sein. Aber ich muss noch vieles für die Uni nachholen, was sich über die Zeit angesammelt hat.

Warum studierst du Lehramt, obwohl du als Leistungssportler so erfolgreich bist?

Dass es nicht nur der Leistungssport sein wird, war für mich schnell klar. Das Studium gibt mir Sicherheit, eine Alternative zum Leistungssport zu haben. Ich muss immer mit Verletzungen rechnen oder dass es plötzlich nicht mehr so gut läuft. Und weil ich gerne mit Kindern zusammenarbeite, lag Lehramt nahe. Natürlich habe ich als ein Fach Sport gewählt.

Dein zweites Fach ist Physik. Warum?

Physik hat mir in der Schule wirklich viel Spaß gemacht, gerade in der Oberstufe. Dann habe ich gesagt, dass ich es gerne probieren würde, auch wenn ich nicht weiß, ob ich es schaffe.

Und dann war ich nach zwei Tagen Mathevorkurs so fertig, dass ich mich eigentlich wieder abmelden wollte. Heute bin ich sehr froh, dass ich es nicht getan habe.

Inwiefern unterstützt dich die Universität?

Die Uni akzeptiert, dass ich manche Dinge nicht zu den gegebenen Zeitpunkten leisten kann. Sie zeigt Verständnis, indem sie mir zum Beispiel Prüfungen zu einem etwas früheren oder späteren Zeitpunkt anbietet. Das ist da schon eine große Hilfe, wobei ich auch sagen muss, dass ich versuche, dass mir die Uni so wenig helfen muss wie möglich. Ich möchte so gut es geht ein normaler Student sein.

Wie gestaltet sich das Training bei so vielen Disziplinen wie im Zehnkampf?

Die Trainingsplanung erfordert von Anfang an eine klare Priorisierung, da nicht alle Disziplinen gleich intensiv trainiert werden können. Dabei wird das Training an die Punkterechnung der Disziplinen und die Schwächen angepasst, sodass ich mit einem gezieltem Trainingsaufwand das Maximum herausholen kann.

Wie gehst mit Stress um und bereitest dich mental vor?

Als ich damals meinen besten Zehnkampf ablieferte, war meine mentale Stärke ausschlaggebend. Denn von der körperlichen Verfassung her war ich deutlich schlechter als heute.

Kurz vor einem Wettkampf ist es wichtig, dass ich mir bewusst mache, wie viel Arbeit, Zeit und Mühe über da Jahr hinweg in mein Training geflossen ist. Es hilft auch, mich vor stressigen und chaotischen Wettkämpfen auf die Punkte zu konzentrieren, die ich gut kann.

Beim eigentlichen Sport, zum Beispiel dem Speerwurf, muss ich mich dann einfach auf meine Intuition verlassen und aufhören zu denken. Wenn ich die Sachen „zerdenke“, funktioniert am Ende nichts mehr.

Wie gehst mit Enttäuschungen um?

Besonders nach herausfordernden Ereignissen wie beispielsweise meine Verletzung bei den Olympischen Spielen in Tokio am ersten Tag, brauche ich einen Ausgleich. So verliere ich mich nicht in der Enttäuschung.

Damals hat mir ein Laborpraktikum die nötige Distanz zum Sport zu gegeben, um mich von dem Rückschlag emotional zu lösen. Abstand ist für mich essenziell, um die Situation im Nachgang objektiv betrachten und daraus zu lernen

Was würdest du anderen Studierenden, die etwas ähnliches anstreben weitergeben?

Auf jeden Fall, dass man sich realistische Ziele setzen sollte. Vor allem sollte man den Druck rausnehmen, um nicht überfordert zu sein. So leiden am Ende der Sport und das Studium. Es ist nicht schlimm, über die Regelstudienzeit hinaus zu studieren.

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