Vortragsabend mit Falk Schacht: "Ketzerische Geständnisse eines geläuterten Real Keepers"

12.05.2017
Studium, Freizeit
eb

Was haben Aggro Berlin, Thomas Gottschalk und der Weihnachtsmann gemeinsam? Die Antwort lieferte Ex-"real keeper" und HipHop-Gotteslästerer Falk Schacht am 11. Mai an der Uni Mainz.

Auf der Suche nach einer Definition

Falk Schacht ist Musikjournalist und Lehrbeauftragter an der Leuphana Universität Lüneburg. Seit seiner Kindheit hört er nicht nur HipHop, die Musik und ihre Künstler haben ihn auch seither dazu motiviert, sich mit dessen Geschichte zu beschäftigen. Dabei ist er selbst immer wieder auf Definitionsschwierigkeiten gestoßen. Wer sind die Begründer, die Götter des HipHop? Und was haben Funk- und Soulexperimente junger Schwarzer in der New Yorker Bronx Anfang der 1980er Jahre mit heutigen Vertretern des Deutsch-Rap zu tun?

Schacht wurde vom im Februar neu gegründeten Obama Institut im Rahmen eines Hauptseminars zum Thema "American Hip Hop Culture" an die Johannes Gutenberg Universität (JGU) Mainz eingeladen. In einem multimedialen Vortrag zeichnete er nach, wie er vom Dogmatiker mit engem HipHop-Begriff dazu kam, die Musikrichtung als ein offenes System zu begreifen.

Von DJ Kool Herc zu Cora und die Popspatzen

Schacht problematisierte die Rolle von HipHop Größen wie DJ Kool Herc, Grandmaster Flash, Afrika Bambaataa, Coke La Rock und Grand Wizzard Theodore in der Entstehung der Musikrichtung Anfang der 80er Jahre.  Diese beanspruchten die Erfindung genretypischer Techniken wie dem breaking, scratching oder rapping für sich. Dieser Anspruch sei jedoch vor allem dem Rechtfertigungsdruck einer Öffentlichkeit geschuldet, die der Musikkultur der Bronx zu dieser Zeit mehr und mehr Aufmerksamkeit schenkte.  

Daraus seien Konflikte darüber entstanden, wer das Urheberrecht des HipHop für sich beanspruchen und sich 'real' nennen darf, so Schacht. Man könne jedoch kaum bestimmen, wer die Musikrichtung erfunden habe, ihre Wurzeln gingen im amerikanischen Kontext ohnehin auf den Soul und Funk der 50er und den Jazz der 20er Jahre zurück. Auch die Erklärung des HipHop zu einer Gegenkultur einer unterdrückten Minderheit hätten sich durch Interviews mit den Größen des Genres nicht bestätigt.

All das habe sein Verständnis davon, was HipHop eigentlich sei, liberalisiert und berge vor allem auch für die Forschung über die kaum wissenschaftlich untersuchte Geschichte des Deutsch-Rap neue Perspektiven. Schachts Beispiele wie "Wie wär's mit schulfreiem Montag" (1980) von Cora und die Popspatzen oder der "Fußball-Rap" (1986) von Peter Alexander sorgten bei den Besuchern des Vortrags zwar für Gelächter. Er sehe jedoch selbst in "unangenehmen" Beispielen wie einem rappenden Thomas Gottschalk die Anfänge einer deutschen HipHop-Szene.

Nicht nur Fans im Publikum

An den gut besuchten Vortrag schloss sich eine konstruktive Diskussion der sachkundigen Besucher mit dem Referenten an. Neben zukünftigen Forschungsprojekten thematisierte die Runde auch Problematiken wie Gewalt und Rechtsextremismus in der Szene und erörterte die Frage der kulturellen Aneignung der Schwarzen HipHop-Kultur durch weiße Musiker.

Univ.-Prof. Dr. Oliver Scheiding vom Obama Institut zeigte sich besonders beeindruckt von dieser Reaktion der Studierenden. "Man hatte den Eindruck, dass hier nicht nur Fans diskutieren", so Scheiding, "sondern ernsthaft versucht wird, HipHop als ein gesellschaftliches Phänomen zu verstehen."

Zum Ende des Abends resümierte Schacht, sein Verhältnis zu HipHop sei heute wie sein Verhältnis zu Weihnachten: "Ich weiß, dass es den Weihnachtsmann nicht gibt. Aber ich zelebriere trotzdem das Fest."

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