Vom Traumschiff in den Hörsaal - Harald Schmidt auf dem Campus Mainz

31.05.2015
Freizeit
sb

„Im Grunde ist nur das Falsche wirklich echt“ Was passiert, wenn Fritz Frey von REPORT Mainz einen der bissigsten deutschen Talkmeister zum Interview bittet? Es kommen „mehr Zuschauer, als Harald Schmidt zuletzt bei Sky hatte.“

Fast 1000 Menschen waren dabei, als Harald Schmidt gekonnt und wie gewohnt zynisch über die gesamte deutsche Fernsehlandschaft und besonders bekannte Kollegen herzog. Ob Thomas Gottschalk, Eckhardt von Hirschhausen oder Johannes B. Kerner, niemand wurde verschont.

Vom Traumschiff in den Hörsaal

Wie schon zuvor in den Pressemitteilungen und auch im Titel der Veranstaltung („Wie es Euch gefällt – Medienwelten zwischen Traumschiff und Tragödie“) wurde deutlich, dass Harald Schmidts größte Zeiten hinter ihm liegen. Zu seinem Engagement auf dem ZDF-Traumschiff erklärte er: „Bin aber weltweit der einzige Schauspieler, der sagt: Wenn jemand meinen Text haben möchte, bitte! Ist für mich überhaupt kein Problem. Es gibt so viele junge Kollegen, die den Text auch brauchen. Ich war, glaub ich, vier Wochen auf dem Schiff und hatte drei Drehtage.“ Den Rest der Zeit vertrieb er sich mit stotternden Sachsen, Early-Bird-Frühstücken und kostenlosem Wein zum Mittagessen, der von freundlichen Philippinos namens Alex oder Henry serviert wurde.

Comeback ausgeschlossen

Auch sein sonstiger Tagesablauf, der aus seinen Kindern und Börsenberichten zu bestehen scheint, wurde ausgiebig thematisiert. Dabei blieb an der deutschen Fernsehlandschaft kein gutes Haar: Die Tagesschau sei für ihn die reinste Parodie, „Wetten dass…?“ schon seit zehn Jahren tot und „die Generation unter 30 wartet doch nicht mehr bis es 20:15 Uhr ist.“ Seine Zuschauer seien mit ihm alt geworden und was ihn betrifft, so bezeichnet er die Zeit seiner Show als eine erfolgreiche Zeit, doch „irgendwann ist so eine Phase zu Ende und dann muss man sie zu Ende sein lassen.“ Comeback-Versuche wie bei diversen Kollegen, oder gar ein eigener Roman, sind für ihn ausgeschlossen: „Wer einmal weg ist, äußert sich nicht mehr zu dem, was in dem Genre noch passiert.“ Ein zweiter Thomas Gottschalk oder Helmut Schmidt wolle er auf keinen Fall sein. „Außerdem ist ja meine ganze Biografie sozusagen elektronisch schon verheizt - in den Shows. Ich habe ja wirklich alles erzählt.“

Moral sei zu anstrengend

Über 60 Minuten lang unterhält Harald Schmidt das Publikum ausgezeichnet. Egal, wie langweilig oder belanglos die Fragen auch waren, die Herr Frey ihm stellte (Schmidt zu Frey: „Bleibt es jetzt so oberflächlich? Ich dachte, wir reden heute Abend noch über Substantielles.“), verstand er es immer, die beste Pointe herauszuholen. Er ist, wie er selbst sagt, eben ein Handwerker und kein Künstler. „In Deutschland will man sich immer in eine Künstlerecke flüchten. Das Problem habe ich nicht.“ Auch als Moderator Frey versucht, ihm als Zyniker die heimliche Moral-Karte unterzuschieben, stellt Schmidt schnell klar, dass Empörung für ihn „negativer Narzissmus“ sei, den er gerne den Jauchs, Maischbergers und Plasbergs dieses Landes überlasse. „Moral klingt so, als würde man sich selbst in einer anderen Anständigkeitsliga sehen. Ich muss ja morgens beim Rasieren noch in den Spiegel gucken.“ Er inszeniert sich selbst wie gewohnt auf hohem Niveau, nimmt kein Blatt vor den Mund und fertigt Frey und die Fragen aus dem Publikum mit lässiger Arroganz und Schlagfertigkeit ab. Schade eigentlich. Wirklich interessant wäre es gewesen, die Grande Dame der Satire auch einmal sprachlos zu erleben.

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