Verträge zwischen JGU und Boehringer Stiftung: Unipräsident räumt Fehler ein

06.07.2016
Campus-News
hr & aw

Die Uni Mainz hat der Presse Einsicht in ihre Verträge mit der Boehringer Ingelheim Stiftung gewährt. Universitätspräsident Krausch räumte dabei problematische Formulierungen im Vertragstext ein. Die Verträge sollen nun geprüft werden.

Gemeinsame Einsichtnahme

Die Universität Mainz hat am Montag, den 4. Juli 2016, Einsicht in ihre Kooperationsverträge mit der Boehringer Ingelheim Stiftung (BIS) gewährt. 

Gemeinsam mit Universitätspräsident Professor Krausch sowie VertreterInnen der Rechts- und Presseabteilung der JGU konnten Journalistinnen und Journalisten die Verträge einsehen. Krausch erklärte die wesentlichen Inhalte der Verträge und stellte sich den kritischen Fragen der Medienvertreter. Dabei musste er einräumen, dass sich in den Kooperationsverträgen problematische Abschnitte finden.

Konkret gibt es zwei große Zuwendungen von Seiten der Stiftung, die in den Verträgen geregelt werden: zum einen die Förderung zur Errichtung und zum Betrieb des Instituts für Molekulare Biologie (IMB), für das die BIS der Universität 100 Millionen Euro zur Verfügung stellt. 

Zum anderen eine Spende mit dem Ziel der Neuausrichtung des Fachbereichs Biologie, welche die BIS mit 50 Millionen Euro unterstützt. Dieser Vertrag diene insbesondere dazu, den Generationenwechsel im Bereich Biologie attraktiver zu gestalten, erklärte Krausch, und "auf möglichst hohem Niveau Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf die Professuren zu berufen.“

“Öffentliche Bekanntmachungen“: Eine missverständliche Formulierung? 

Direkt zu Beginn wies Krausch auf eine problematische Formulierung hin, die sich in beiden Verträgen finde: In einem Paragraphen zum Thema Öffentliche Bekanntmachungen wird festgelegt, dass Veröffentlichungen zunächst unter den Vertragspartnern abgestimmt werden müssen, bevor sie öffentlich gemacht werden. 

Diese Formulierung sei missverständlich, sagte Krausch. Die Regelung beziehe sich auf die Öffentlichkeitsarbeit und nicht etwa auf wissenschaftliche Publikationen. Krausch versicherte: “Die Stiftung will gar nicht die wissenschaftlichen Veröffentlichungen sehen, bevor sie rausgehen.“ 

Claudia Walther, Geschäftsführerin der Boehringer Ingelheim Stiftung, zeigte sich in einem Gespräch mit Campus Mainz überrascht davon, dass diese Passage überhaupt missverstanden werden kann. Bei öffentlichen Bekanntmachungen handele es sich selbstverständlich nicht um wissenschaftliche Publikationen. 

Spitzenforscher am IMB

Sowohl Krausch als auch Walther verwiesen darauf, dass es gelungen sei, Spitzenforscher an das IMB zu holen. Diese würden sich sicherlich nicht in ihre wissenschaftliche Arbeit hineinreden lassen. 

„Keiner dieser Top-Wissenschaftler hätte diese Aufgabe übernommen, wenn sie nicht in völliger wissenschaftlicher Freiheit forschen könnten“, betonte Walther. 

Personalauswahl: Vetorecht der Stiftung?

Neben der Passage zu den öffentlichen Bekanntmachungen stehen weiterhin verschiedene Abschnitte des 100-Millionen-Euro-Vertrages zwischen JGU und BIS in der Kritik. Diese Passagen – so der Vorwurf – sicherten der Boehringer Ingelheim Stiftung weitgehende Mitspracherechte bei der Personalauswahl zu. So stehen beispielsweise die Berufungsvereinbarungen der Professoren am IMB sowie die Bestellung des Geschäftsführers des IMB unter dem Zustimmungsvorbehalt der Stiftung. 

SWR-Reporter Thomas Leif kritisierte während des Pressetermins: 

“Das zieht sich ja wie ein roter Faden durch den Vertrag, dass Kontrollmechanismen in der Hand des Stifters sind.“ 

Leifs Anwalt Carl Christian Müller, der ebenfalls anwesend war, bezeichnete den Zustimmungsvorbehalt der Stiftung als einen eindeutigen Verstoß gegen das Hochschulrecht.

Verträge werden geprüft

Rechtlich betrachtet ließe sich aus den Regelungen im Vertrag ein Vetorecht ableiten, räumte Präsident Georg Krausch ein. Er versicherte jedoch: "Es sollte kein inhaltlicher Einfluss genommen werden und es ist kein inhaltlicher Einfluss genommen worden.“ 

Auch Claudia Walther von der Boehringer Ingelheim Stiftung betont: 

“Das wird jetzt in den Medien als Vetorecht dargestellt. Wir haben das nie so verstanden.“

Dennoch wolle man sich die problematischen Passagen der Verträge ansehen und ändern, versicherte Unipräsident Krausch während der Einsichtnahme mehrfach. Schließlich seien Verträge nie für den besten Fall, sondern immer für den “worst case“ gemacht. 

Die Stiftung erklärte dazu, man warte jetzt auf die Änderungswünsche der Universität.

“Wie konnte das passieren?“

Auf die Frage, wie es überhaupt zu den problematischen Formulierungen im Vertrag kommen konnte, sagte Krausch, Einflussnahme in diesem Sinne sei schlichtweg nie ein Thema gewesen. "Ich glaube, dass wir es an dieser Stelle wirklich nicht gesehen haben“, erklärte der Unipräsident, "Es war sehr wenig Zeit und es war natürlich zweifellos auf beiden Seiten eine Euphorie da.“ 

Zwischen Qualitätssicherung und Einflussnahme

Es sei eine Gratwanderung zwischen Qualitätssicherung und Einflussnahme, sagte Krausch während des Pressetermins. Claudia Walther erklärte ebenfalls, dass die Qualitätssicherung für die Stiftung wichtig sei. Dafür müsse man jetzt eine geeignete Form finden. 

Die Boehringer Ingelheim Stiftung hatte bereits im Mai gegenüber Campus Mainz gesagt, sie müsse auch sicherstellen, dass ihr erklärtes Ziel erreicht wird – und dieses lautet: Spitzenforschung fördern, wie Walther erneut betonte: "Unsere Intention ist schlicht und ergreifend Spitzenforschung nach Mainz zu holen. Unsere Intention ist es nicht, in die Belange der Uni einzugreifen.“ 

Grundsatzdiskussion über Transparenz 

Ob die geprüften und - gegebenenfalls - geänderten Verträge erneut öffentlich gemacht werden, bleibt unklar. Weder Krausch noch Walther haben darauf zum aktuellen Zeitpunkt eine Antwort. Diese Frage müsse sorgfältig überlegt und grundsätzlich geklärt werden, so Claudia Walther.  

Zum Thema Transparenz gebe es jedoch aktuell eine gesellschaftliche und politische Grundsatzdiskussion, in die man sich nicht begeben wolle, erklärte Walther. “Wir haben die rechtlichen Vorgaben zur Transparenz erfüllt und sind darüber hinaus gegangen – beispielsweise durch die Einladung der Journalisten und Journalistinnen zur ersten Einsichtnahme im Jahr 2015.“ 

"Bestes Mäzenatentum“

Der Universitätspräsident erklärte gegen Ende des Pressetermins, man wolle durch die Gewährung der Einsicht in die Verträge zeigen, welcher Geist in den Verträgen herrsche und dass die viel spekulierte Einflussnahme nicht zu finden sei. Es handele sich um "bestes Mäzenatentum an dieser Stelle“, so Krausch, "Das ist der Geist, der hier herrscht.“ 

Thomas Leif resümierte am Ende der Einsichtnahme, es sei ein “fairer und analytischer Austausch“ gewesen. Man sei jetzt im Bilde. 

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