Unirahmenvertrag bedroht digitale Seminarunterlagen

08.12.2016
Studium, Campus-News
hs

Wichtige Semesterunterlagen konnte man als Studierender bislang bequem von einer Online-Plattform wie dem Reader oder ILIAS herunterladen. Doch das wird sich mit dem neuen Rahmenvertrag der VG WORT ab dem 1. Januar 2017 ändern.

Wer sich an der Uni Mainz wichtige Literatur für ein Seminar, eine Vorlesung oder eine Übung beschaffen will, hat es bisher recht leicht: Die meisten Dozierenden stellen die relevante Literatur kostenlos online bereit, sodass man sie nur noch herunterladen muss - doch das wird sich jetzt ändern.

Am 1. Januar 2017 tritt der neue Rahmenvertrag der Verwertungsgesellschaft Wort (VG WORT) in Kraft, der das Hochladen von Dokumenten erheblich ändern wird. Die VG WORT setzt sich für die Urheberrechte von Autorinnen und Autoren ein und sorgt für ihre angemessene Vergütung. Auch die an der Uni online bereitgestellte Literatur muss auf Basis des § 52a im Urheberrechtsgesetz vergütet werden.

Der Rahmenvertrag sieht jetzt eine neue Art der Abrechnung dafür vor: Lehrende sollen ab Januar 2017 jedes einzelne Dokument, das sie online stellen wollen, bei der VG WORT melden, damit es vergütet werden kann. Bisher hatten die Bundesländer dafür eine Pauschale an die Verwertungsgesellschaft gezahlt. 

Universitäten lehnen Rahmenvertrag ab

Die Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) sowie weitere Universitäten weigern sich, diesen Rahmenvertrag zu unterschreiben. Er sei "unverhältnismäßig und realitätsfremd", heißt es in der Stellungnahme des Universitätenbündnis German U15, zu dem neben 14 anderen großen deutschen Universitäten auch die Uni Mainz gehört.

Keine Literatur mehr online?

Da die JGU diesem Vertrag nicht beitreten wird, hat die Uni-Leitung die Dozierenden bereits angewiesen, bis zum Jahresende alle Dokumente aus dem Reader und anderen Plattformen zu löschen. Dies geht aus einer Verwaltungsverfügung des Präsidenten vom 14. November 2016 hervor. Damit soll sichergestellt werden, dass urheberrechtlich geschützte Werke nicht mehr auf Lernplattformen genutzt werden, denn das würde dann gegen das Urheberrecht verstoßen. 

Doch auch wenn die Uni diesen Vertrag unterschreibt, könnte es sein, dass weniger oder sogar gar keine Semesterunterlagen mehr hochgeladen werden. Mit der Neuregelung hätten die Lehrenden einen deutlich größeren Aufwand damit, online gestellte Dokumente der VG WORT zu melden. Bei der einzelnen Abrechnung kommt es dann nämlich auch auf die Anzahl der Seiten und auf die Anzahl der Kursteilnehmer an, die auf die Dokumente zugreifen können. 

Studierende sind am meisten betroffen

Das digitale Lehrangebot wird also durch den Rahmenvertrag der VG WORT beeinträchtigt werden, ob er unterschrieben wird oder nicht. Wenn wichtige Literatur nicht mehr online zur Verfügung steht, werden die Studierenden wieder mehr Aufwand bei der Literaturbeschaffung haben.

Dozierende könnten alternativ Literaturlisten ausgeben, womit sich die Kursteilnehmer die jeweiligen Texte selbst beschaffen und kopieren können. Auch Papier-Reader mit der relevanten Literatur, die man sich in einer Buchhandlung kaufen kann, wären eine Alternative.

Rebecca Kleemann vom Allgemeinen Studierendenausschuss (AStA) gibt zu bedenken, dass viele Studierende weder über die "finanziellen Ressourcen verfügen, um eine umfangreiche Fachbibliothek zu erwerben, noch über die zeitlichen, um sich die diversen Inhalte individuell zusammenzukopieren." Deshalb fordert der AStA in einer Stellungnahme: "Die finanzielle Absicherung von Autor*innen darf nicht auf Studierende abgewälzt werden, sondern muss gesamtgesellschaftlich sichergestellt sein."

Hintergrund: Urteil des Bundesgerichtshofs

Die VG WORT hatte beim Oberlandesgericht München eine gesetzliche Regelung für die Abrechnung von öffentlich gemachtem Lernmaterial eingeklagt, um die Autorinnen und Autoren dafür besser zu bezahlen. Daraufhin hat der Bundesgerichtshof bereits 2013 beschlossen, dass jedes für das Studium auf eine Lernplattform hochgeladene Werk einzeln bei der VG WORT abgerechnet werden muss.  

Um diese Einzelmeldungen zu regeln, schlossen die VG WORT und die Kultusministerkonferenz im September 2016 einen Rahmenvertrag ab, um damit eine angemessene Vergütung für die Urheber sicherstellen. Jetzt ist es an den Universitäten, diesem Rahmenvertrag beizutreten oder nicht.

Wie es weitergeht, wenn die Universitäten ihn nicht unterschreiben und ob es neue Verhandlungen mit der VG WORT geben wird ist noch unklar – eine schnelle Lösung könnte also schwierig werden.

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