Überraschend ernst: Jan Böhmermann im SWR UniTalk

27.05.2017
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Im Gespräch mit Fritz Frey erklärte Böhmermann humorvoll und doch ernst, warum auch Beleidigungen zu unserer Kommunikation gehören sollten, was die Erdogan-Prozesse für seine Arbeit bedeuten und warum es so wichtig ist, sich daran zu erinnern, dass der ganze Irrsinn, der in der Welt passiert, nicht normal ist.

Wie schon bei der Vergabe der Karten war der Ansturm groß: Bereits eine halbe Stunde vor dem Einlass bildeten sich lange Schlangen vor den Eingängen des Hörsaals RW1. Der Vizepräsident der Uni Mainz Prof. Dr. Müller-Stach, der die Veranstaltung mit einem Grußwort eröffnete, sprach von einer "Faszination Böhmermann", die kaum noch zu leugnen sei. 

Im nachfolgenden Gespräch sollte der Satiriker und Moderator Jan Böhmermann dem SWR-Chefredakteur Fritz Frey Frage und Antwort stehen. Frey musste allerdings zwischendurch immer mal wieder die Aufgabenverteilung klären und darauf hinweisen, dass er die Fragen stelle. “Wenn Sie etwas von mir wissen wollen, laden sie mich doch in Ihre Sendung ein!“

Erdogan, Trump und co.: Immer wieder daran erinnern, dass das nicht normal ist

Jan Böhmermann ist vor allem für seine provokante Sprache bekannt. Seiner Meinung nach müssen unschöne Dinge auch unschön gesagt werden, jedoch sollte man das immer auch mit etwas Distanz betrachten. Er und sein Team kritisierten oft an einem Beispiel plakativ und provokativ. Es sei jedoch nicht alles genau so gemeint, wie es gesagt wird, und sollte nicht zu persönlich verstanden werden. Das funktioniert allerdings nicht immer und bei allen, wie der bekannteste daraus entstandene Konflikt, die Prozesse um die Beleidigung des türkischen Präsidenten Erdogan, zeigt.

Es sei unangenehm für ihn gewesen, so Böhmermann, den "Finger der Macht" auf sich zu spüren. Die Solidarität der Menschen zu erfahren, habe ihm in dieser Zeit viel bedeutet. Und genau deshalb sei es ihm auch so wichtig, sich für Deniz Yücel zu engagieren, den Korrespondenten der Zeitung die Welt, der seit einigen Monaten in der Türkei inhaftiert ist. Yücel habe nichts anderes als seinen Job gemacht und sitze nun nichtsahnend, wie es weitergeht, in einer Zelle. 

Böhmermann betonte immer wieder, dass es nicht normal sei zu akzeptieren, dass jemand in einer "moralischen Leere und inneren Kompasslosigkeit" regiere, wie Erdogan oder "der orangene Haufen Menschenmüll Donald Trump". An dieser Stelle wird der humorvolle Satiriker sehr ernst. Solche Themen berührten ihn persönlich, hinter der "Coolness der Bühne" stehe schließlich auch ein normaler Mensch. Trotzdem, sagt er, habe der Konflikt um Erdogan seine Arbeit nicht in der Konsequenz verändert. 

Satire: Eine Gratwanderung

Auch um die Satire als Kunstform geht es im Gespräch zwischen Frey und Böhmermann. Diese sei zwar lustig, aber nicht unbedingt konstruktiv – das müsse sie auch nicht sein, so Böhmermann. Es könne auch Leute treffen, die es eigentlich gut meinen, aber wer, wenn nicht öffentliche Personen, müsse es sich gefallen lassen? 

Natürlich geht es im Talk auch um die Frage, ob Satire Grenzen kennt. Jan Böhmermann sagt: "Klar gibt es Dinge, über die ich keine Witze mache." Er erklärt, dass das oft sehr persönliches Empfinden ist, allerdings ist ihm wichtig, dass man sich auf Augenhöhe mit dem Ziel befindet, statt "nur nach unten zu treten".

Journalismus: "Wie ein Schiff, auf dem sich alle hassen"

"Medien, Politik, Satire, Welt" lautete der Titel der Veranstaltung und so wurde auch über Medien gesprochen, etwa über die Frage nach der Daseinsberechtigung und der Zukunft der öffentlich-rechtlichen Sender. In diesem Zusammenhang erzählt der Satiriker von seiner "Paradiesvogel-Position" bei den öffentlich-rechtlichen und geht auch auf die Frage ein, wie das System für junge Leute wieder attraktiver gemacht werden könnte. Dabei fordert er unter anderem, die technische Entwicklung zu berücksichtigen und beispielsweise mehr in digitale Infrastruktur zu investieren.

Böhmermann betont zudem, wie wichtig der Meinungspluralismus und Debatten innerhalb des Systems seien. Die für ihn perfekte Redaktion beschreibt er als ein Schiff, auf dem sich alle hassen und nur der Sturm und die hohe See alle zusammenhalten. 

Karriere auch ohne Diplom an der Wand

Am Ende des Gesprächs lenkte der SWR-Chefredakteur das Gespräch noch mal auf Böhmermanns Karriere und seine persönlichen Vorbilder. Nach letzteren werde er häufig gefragt, erzählt der Satiriker, und er vermeide es stets, sie zu beantworten. Er könne sich da nicht festlegen und so zählt er unzählige auf, von Rudi Carrell, über amerikanische Serien bis zu Loriot. Man müsse sich inspirieren lassen, aber dann zu sich zurückkehren und seinen eigenen Platz finden, denn man könne die anderen weder kopieren, noch toppen. 

In Bezug auf seine Sendung Neo Magazin Royale gibt Böhmermann zu: Fünf Prozent davon seien gut, 25 Prozent okay und der Rest Füllmasse. Es müsse schließlich auch schlechtere Folgen geben, sonst würden die Zuschauer ja gar nicht mehr merken, wenn etwas gut ist. Böhmermann erzählt von persönlichen Patzern, die in den Shows passieren. Es gehöre dazu, sich selbst nicht immer so ernst zu nehmen: "Lass die Leute sehen, dass du ein Versager bist."

Auf die Anspielung, dass seine akademische Laufbahn ein "dunkles Kapitel" sei (Anm. d. Red.: Böhmermann hatte ein Studium der Soziologie, Geschichte und Theater-, Film und Fernsehwissenschaft begonnen, jedoch nicht zu Ende gebracht), kontert Böhmermann: "Muss ich mich jetzt dafür rechtfertigen, dass ich nicht höhere akademische Bildung angestrebt habe, sondern lieber geil Geld verdiene?"

Zum Ende des Talks erhalten die Zuschauer die Möglichkeit, selbst Fragen an Böhmermann zu stellen. Dabei interessiert die Studis etwa, ob der Satiriker die Deutschen als "satirefaules Volk" bezeichnen würde oder wie er dazu stehe, die Kanzlerin mit seinem Schmähgedicht an Erdogan möglicherweise in Schwierigkeiten gebracht zu haben. Besonders spannend wird es in der Fragerunde jedoch nicht: Die meisten Themen wurden bereits zuvor angesprochen, auf eine überraschende, außergewöhnliche Frage wartet man vergeblich. 

Der UniTalk: eine Institution an der Uni Mainz

Ein- bis zweimal im Jahr finden sich Prominente aus Medien, Politik und Gesellschaft zum SWR UniTalk an der Universität Mainz ein. Zu den bisherigen Gesprächsgästen der Sendereihe gehörten unter anderem Anne Will, Harald Schmidt und Günther Jauch. Der Eintritt zur Veranstaltung ist kostenlos. Bei Böhmermann war der Andrang so groß wie nie: Die Karten waren innerhalb von wenigen Minuten vergriffen gewesen (Campus Mainz berichtete). 

Sendetermine

Für die vielen Interessierten, die bei dem Run auf die Karten kein Glück hatten: Der UniTalk wird am Montag, den 29. Mai, um 21:17 Uhr bei Tagesschau24 und dann am 1. Juni um 23:45 Uhr im SWR ausgestrahlt. Ab Montag könnt ihr ihn euch außerdem jederzeit im Internet, auf der Seite des SWR sowie der Uni Mainz, anschauen. 

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