Theaterkritik | Schaubühne Mainz: Faust is dead

11.01.2019
Freizeit
es

Die Schaubühne Mainz bringt passend zu den dunklen Monaten eine schauerlustige Verschmelzung von Realität und Virtualität auf die Universitätsbühne. "Faust is dead" feiert am 12. Januar um 20 Uhr im P1 Prämiere.

Wer bin ich? Und wer bist du?

Nach dem Erfolg von Goethes "Iphigenie auf Tauris" meldet sich die Schaubühne Mainz ein Jahr später mit einer weiteren Vorstellung zurück. Das Stück "Faust is dead", das an drei Terminen im Januar gespielt wird, basiert auf dem gleichnamigen Drama von Mark Ravenhill aus dem Jahr 1997. Darin befinden sich die beiden Protagonisten Pete und Alain auf der Flucht. Pete vor seinem Vater, dem er die Diskette für ein weltbeherrschendes Computerprogramm gestohlen hat. Alain flieht vor seiner europäischen Vergangenheit. Beide begeben sich auf eine Reise entlang der US-Westküste, auf der sie auf brutale Art lernen müssen, dass nicht jede Interaktion, die im Netz beginnt, auch dort bleibt. In der Inszenierung von Regisseur René Hanauer kämpfen die Darsteller mit den Tücken der Virtualität und der Erkenntnis, dass die Wirklichkeit enttäuschend sein kann.

Der blinde König sieht alles

Das Bühnenbild ist minimalistisch, die Darsteller spielen in einer Art Balance aus Wirklichkeit und Traum. Um sie herum flackern verschiedene Aufnahmen, eine bunte Collage aus Filmausschnitten, Bildern und Nachrichten, sodass man bald mehr den Filmausschnitten auf der Leinwand, die dieselbe Szene wie auf der Bühne zeigen, als den Schauspielern folgt. "Wenn wir abends im Bett liegen, gucken wir uns innerhalb einer Minute mehrere Videos an. Wir switchen zwischen Nachrichten und lustigen Videos hin und her. Aber wie viel davon können wir überhaupt verarbeiten?", erzählt mir nach der Generalprobe der Regisseur René Hanauer.

Der Spiegel, der dem Publikum hier vorgehalten wird, wirkt. Unwillkürlich stellt man als Zuschauer die eigene Auffassungsfähigkeit in Frage. Unterstützt durch das großartig eingespielte Ensemble, allen voran die drei Hauptdarsteller Anneke Witt, Greta Vahrenhorst und Tobias Koch, entwickelt sich die Vorstellung Stück für Stück zu einem großen "Aha-Moment" für den Besucher. "Der blinde König hat zwei funktionierende Augen, aber er gebraucht sie nicht. Denn er ist der König und hat 1000 andere." Für Gänsehautfeeling sorgt die musikalische Unterstützung unter der Leitung von Alex Schweiss, der die Musik eigens für das Stück komponiert und arrangiert hat.

Was von Goethe übrig bleibt

Während es bei Goethes Faust noch um den Deal zwischen Mensch und Teufel ging, finden wir uns in Mark Ravenhills Drama "Faust is dead" mitten in einer Gesellschaft, die weder an Gott noch an den Teufel glaubt. Was übrig bleibt ist der reine Deal, der die Grenzen zwischen Wirklichkeit und Phantasie verschwinden lässt. Das greift die Schaubühne Mainz auf und verwandelt das Spiel mit der Wirklichkeit in eindrucksvolle Schauerbilder unser selbst. Doch was macht man, wenn die Bilder nicht aufhören wollen sich zu drehen? Überschreibt man sie einfach? Diese Frage kann nur jeder für sich selbst beantworten.

Und das ist wohl auch das Ziel des Stücks. Der Zuschauer befindet sich zu keinem Zeitpunkt in Sicherheit. Immer wieder wird man selbst aufgefordert, das Gesehene in Frage zu stellen und zu verarbeiten. Denn was von Goethe bleibt, ist nicht nur der titelgebende Faust, sondern die Auseinandersetzung des Menschen mit sich selbst im Wandel der Zeit. Wer vorgefertigte Antworten sucht, wird enttäuscht. 

Das sehenswerte Stück kann an diesem Wochenende, 12., 13. und 14. Januar, jeweils um 20 Uhr im Hörsaal P1 der Johannes Gutenberg-Universität gesehen werden.

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