Theaterkritik | Pension Schöller

29.03.2016
Freizeit
mgw

Das Mainzer Staatstheater hat den Klassiker "Pension Schöller" in den Spielplan aufgenommen und einen Beitrag zum reinen Amüsement geleistet, der weder zum Mitdenken auffordert, noch unter die Gürtellinie geht. Bis Ende Juni 2016 darf man im Kleinen Haus die Lachmuskeln strapazieren.

Komik durch Chaos

Es könnte alles so einfach sein – ist es aber nicht. Denn wenn es alles so einfach sein würde, wäre es doch nur der halbe Spaß. Dieser Spaß fußt auf den ganz normalen Verrücktheiten mehrerer Figuren, die in eine seltsame Verstrickung geraten. Es ist der harmlose, alte Humor, der auf Wortverdrehungen und Personenverwechslungen beruht, ohne Fäkalsprache auskommt, und zwar bissig, aber niemals bösartig werden kann.

Willkommen in der Pension Schöller

Um 1890 möchte der junge Berliner Alfred Klapproth ein Fotogeschäft eröffnen. Finanziell unterstützen soll ihn sein Onkel, Gutsbesitzer Philipp Klapproth. Der willigt ein, wenn Alfred ihm ein Vergnügen bereitet, indem er ihm eine Irrenanstalt von innen zeigt: Herr Klapproth will endlich mal ein paar Irre kennenlernen. 

Gar kein Problem, denn um die Ecke befindet sich eine Pension, deren Gäste so exzentrisch sind, dass sie leicht als Irre durchgehen. Klapproth fällt auf den bequemen Trick seines Neffen herein und genießt die Verrücktheiten der vermeintlich Verrückten. So lange, bis sie ihn zu Hause besuchen und schließlich um den Verstand bringen. 

Am Ende löst Neffe Alfred zwar die Verwirrung auf und entschuldigt sich, aber da ist es für den Gutsbesitzer leider schon zu spät. Die geistig gesunden Gäste mit ihren schier unerträglichen Marotten sind nun normal, und der (vielleicht) Normale ist wirklich geisteskrank geworden.

Ein fast perfektes Ensemble

Die Darstellerregie hat sichtlich Spaß an dieser erschöpfenden, zugleich erfrischenden Tour de Force. Clemens Dönicke als Philipp Klapproth und Klaus Köhler als Pensionsbetreiber Schöller sind bestens aufgehoben und können ihrer starken komödiantischen Begabung freien Lauf lassen (Die beiden würde ich zu gerne mal in den Hauptrollen von Neil Simons Ein seltsames Paar sehen.) 

Vincent Doddema überzeugt in der Rolle des angehenden Schauspielers Eugen, der an einem scheinbar unüberwindbaren Sprachfehler leidet, weswegen ihm am Ende eine “Fniege in den Hans fniegt“. 

Die einzige Fehlbesetzung ist Matthias Lamp als weitgereister Professor Bernhardy, dessen Motorik der Rolle widerspricht; er hat leider die dumme Angewohnheit, zu oft mit seinen langen Beinen die Gangart einer Frau zu imitieren. Schade, denn in Verbrennungen (von Wajdi Mouawad, Regie: Klaus Schumacher) gab er jüngst eine fesselnde Darbietung seines Könnens.

Kunterbuntes Treiben

Katrin Kersten hat das Bühnenbild und die Kostüme knallig gestaltet, bonbonfarben, unecht und urkomisch. Dass man die Ausstattung nicht zu ernst nehmen sollte, beweisen die Darsteller mit selbstironischen Improvisationen.

Aber ihre zeitgemäße verbale Auflockerung des alten Textes – zum Glück nur selten eingesetzt – ist unangebracht und steigert die Attraktivität der Inszenierung keineswegs: Zeitgenössischer Slang und Schimpfworte passen nicht zum allgemeinen Sprachduktus eines Textes, der kurz vor der Jahrhundertwende entstanden ist. Alles in allem scheint das Publikum jedoch begeistert.

Keine Pensionen mehr

Die Logik hinter diesem rasanten Lustspiel sollte man nicht hinterfragen, aber es lohnt sich zuzuhören, denn an Witz und Esprit von Wilhelm Jacoby und Carl Laufs lassen es manche zeitgenössische Autoren vermissen. 

Bei der Verbissenheit, Plattheit und Aggressivität vieler sogenannter “Comedians“ bleibt einem das Lachen im Halse stecken. Sicher, es gibt auch heute hervorragende Komödien und hervorragende Komiker. Der Humor, oder vielmehr der Gegenstand des Humors, hat sich jedoch stark verändert – und zwar nicht immer zum Besseren.

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