Theaterkritik | Das Weihnachtsmärchen in Mainz: Drei Haselnüsse für Aschenbrödel

07.11.2016
Freizeit
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Das Staatstheater in Mainz zeigt in diesem Jahr "Drei Haselnüsse für Aschenbrödel" als Weihnachtsmärchen. Bis Februar bietet sich an mehr als 30 Terminen die Gelegenheit, die Inszenierung von Nora Bussenius zu sehen.

Freitag, der 4. November um 10.45 Uhr. In einer Viertelstunde feiert das diesjährige Weihnachtsmärchen am Staatstheater Mainz Premiere. Mit mir sind mehrere Hundert Kinder im Theater versammelt, der Geräuschpegel ist überwältigend. 

Natürlich kenne ich die Geschichte von Aschenputtel. Aber "Drei Haselnüsse für Aschenbrödel" ist mir bisher unbekannt. Den berühmten Märchenfilm aus den Siebzigern, der für viele Menschen Kult ist, habe ich nie gesehen. Im Grunde genommen ist die Geschichte dieselbe, nur dass Aschenbrödel mithilfe von drei Zaubernüssen das Herz des Prinzen gewinnen kann. 

Eine klassische Inszenierung

Der Vorhang geht auf und enthüllt den Blick auf die Bühne, die zusammen mit den Kostümen ein besonderes Highlight darstellt. Den Großteil des Bühnenraums nimmt der Querschnitt einer Raumfassade ein. Es gibt mehrere, zum Teil noch durch Vorhänge verdeckte Zimmer, die bespielt werden. Die Zimmer sind in unterschiedlichen Grüntönen gehalten. Dabei findet sich die Farbe Grün in all ihren Facetten nicht nur in jeder noch so kleinen Ecke der Bühne wieder, sondern auch in den Kostümen der Darsteller. Die Stimmung, welche Sebastian Ellrich durch diese Farbgebung kreiert, kann man durchaus als weihnachtlich bezeichnen. 

Die Inszenierung selbst ist traditionell. Man erwartet eine klassische Prinzessinnengeschichte – und man bekommt sie auch. Regisseurin Nora Bussenius hält ihre Inszenierung brav und bieder, traut sich wenig Neues. Doch die Kinder sind zufrieden mit der achtzigminütigen Aufführung. Sie folgen der Geschichte begeistert, geben mehrfach Szenenapplaus und als der Prinz sich mit Aschenbrödels Schuh auf die Suche nach der Prinzessin macht, finden sich auf einmal ganz viele kleine Prinzessinnen im Zuschauerraum. 

Überzeugendes Märchen-Ensemble

Die Darsteller füllen ihre Rollen und können durchweg überzeugen, obwohl man sie trotz Mikroports nicht immer gut verstehen kann. So gibt Gesa Geue ein bescheidenes Aschenbrödel, das sich zu einer ungewohnt taffen Prinzessin mausert. Sie macht auch im Jagdanzug als junger Jägersmann eine gute Figur und weiß den Prinzen (Nicolas Fethi Türksever) nicht nur mit ihrer Schönheit zu beeindrucken. 

Klaus Köhler und Antonia Labs geben sich als Königspaar größte Mühe, für den Prinzen eine passende Frau zu finden. Doch der Thronfolger widmet sich lieber der Jagd, statt sich um die anstehende Hochzeit Gedanken zu machen. Ein amüsantes Gespann bilden der Prinz und sein Begleiter (Matti Swiec), die jede gemeinsame Aktion in Lacher der Kinder verwandeln können. Armin Dillenberger glänzt in einer Doppelrolle als Hauslehrer und Knecht Vincek.

Besonders hervorzuheben ist die Darstellung von Susanne Buchenberger als Aschenbrödels Stiefmutter. Sie möchte am liebsten ihre leibliche Tochter Dora (Katharina Alf) als Teil der Königsfamilie sehen – oder doch sich selbst als Königin? Sie spielt die intrigante Antagonistin souverän und authentisch. Dabei bleibt sie nicht nur boshaft, bekommt zuweilen bedauernswerte, zuweilen komische und fast schon lachhafte Züge. Dient am Ende Dora, die eigentlich ein gutes Verhältnis zu ihrer Stiefschwester pflegen möchte, etwa nur als Instrument ihrer Mutter? Ein interessanter Regieeinfall ist dieses Verhältnis der Stiefmutter und ihrer Tochter Dora auf jeden Fall.

Dem Premierenpublikum gefällt es – die Zuschauer bedenken die Darsteller mit lauten Zugabe-Rufen und tosendem Applaus.

Empfehlenswert: Der Besuch lohnt 

Kann man sich dieses Märchen als Aschenbrödel-Neuling anschauen? Ja, denn unterhaltsam ist es auf jeden Fall. Richtig spannend ist diese Inszenierung jedoch für Fans des Filmklassikers. Da bleibt kein Auge trocken, wenn Aschenbrödels Ballkleid stilecht im Glitzerregen auf die Bühne herunterschwebt.

Auch wenn beim Weihnachtsmärchen die Flatrate für Studis nicht gültig ist, man also den vollen Preis (je nach Preiskategorie 15/13/10 Euro) bezahlen muss, ist der Theaterbesuch sicher eine interessante Ergänzung zum Film und durchaus empfehlenswert.

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