Theaterkritik | "Angst"

18.05.2018
Freizeit
lf

Seit dem Sommersemester 2018 gibt es die neue Theatergruppe "Ego-Projekt Theater" an der JGU, die sich als künstlerische Probierplattform für Studenten versteht. In ihrem Stück "Angst" beschäftigen sie sich mit Radikalismus an beiden Enden des politischen Spektrums.

Wenn man abends das P1 betritt, muss man erst einmal stutzen: Es stehen bereits Darsteller auf der Bühne. Ist man denn etwa zu spät? Hat das Stück schon begonnen? Nein, alles in Ordnung, die Akteure stehen nur schon in den Startlöchern und sobald alle sitzen, beginnen sie zu spielen. 

Die Angst, die von Stückverfasser Fabian Groß gespielt wird, treibt auch sofort ihr Unwesen und findet schnell ihr erstes Opfer. Sie hetzt über sogenannte "Egel", wie sie Ausländer im Kopf ihres konservativen Gesprächspartners festzusetzen versucht, und sich dadurch verbreiten zu können. Die Angst macht einem Angst und nutzt das zu ihrem Vorteil. Grandios treibt Groß dieses Spiel auch mit allen anderen Figuren, die im späteren Verlauf des Stücks auftreten, und deren politischen Meinung. 

Angst auf allen Seiten

Das Thema der "Egel" – oder "Engel", wenn die Linken am Wort sind – zieht sich mit all seinen Facetten durch das ganze Stück. Dadurch setzt sich die Angst in den Köpfen der anderen Figuren fest, was unterschiedliche Reaktionen in diesen hervorruft. Sie gehen von Protesten, in denen versucht wird, Außenstehende auf die linke oder rechte Seite der Auseinandersetzung zu ziehen, bis hin zu Morden und dem Anzünden von Flüchtlingsheimen. 

Auch wenn sich das Stück mit der schwierigen Frage der Flüchtlingswelle und deren extrem-politischen Ansichten beschäftigt, wird man nicht mit einer trockenen politischen Diskussion konfrontiert. Dafür sorgen auch die Auflockerungen, die sich immer wieder einschleichen: Es werden Gutmenschen parodisiert, Fake-News lächerlich gemacht und Rechtsradikale als etwas zurückgeblieben dargestellt. Auch die weiteren erheiternden Passagen sorgen dafür, zum Beispiel, wenn ironisch zu Erika Fischer-Lichte gebetet wird.  

Erfolgreicher Auftakt

Im Gesamten ist das Stück allerdings trotzdem alles andere als seicht. Das Spiel der Angst wirkt manchmal schon etwas wahnsinnig, wenn sie versucht, sich mit sanften Worten, aber auch Drohungen, in den Köpfen festzusetzen. Und auch die Radikalen wirken bedrohlich überzeugend, wenn sie ihre polarisierten Meinungen kundtun. Wenn man glaubt, das Stück hat seinen Höhepunkt erreicht, folgt schon der nächste Knall – meist wortwörtlich, wenn wieder eine Figur erschossen wird.

Abschließend lässt sich sagen, dass das Stück den ein oder anderen vielleicht wirklich nachdenklich zurücklässt, auch wenn einzelne Szenen durch langes Herumreden der Figuren langatmig sind. Trotzdem hat die Gruppe mit ihrem Stück eine großartige erste Inszenierung auf die Bühne gebracht und man darf darauf gespannt sein, was sie als nächstes plant.

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