Das Gespräch begann mit einer Kennenlern-Runde, in der sich Volker Beck und Laura-Luise Hammel, dem Publikum vorstellten. Beck ist religions- und migrationspolitischer Sprecher der Fraktion von Bündnis 90/ die Grünen im Bundestag und Vorsitzender der deutsch-israelischen Parlamentariergruppe. Hammel hat Politik- und Geschichtswissenschaft sowie Kulturanthropologie an der Uni Mainz studiert.
Im Anschluss an die Vorstellungsrunde eröffnete Moderator Jonas-Luca König, Senatsmitglied der Universität und Campusgrün-Mitglied, die Debatte. Dabei verwies er in Bezug auf die jüngste Aussage des Fraktionsvorsitzenden der Alternative für Deutschland (AfD) im Thüringer Landtag, Björn Höcke, auf die Grenzen des Sagbaren. Höcke hatte das Holocaust-Mahnmal in Berlin als "Denkmal der Schande" bezeichnet. Seine Aussage hatte bundesweit für Empörung gesorgt.
Spätestens ab diesem Moment hörten die rund hundert Zuschauer gespannt zu. Beck und Hammel sprachen darüber, dass in Israel-Kritik oft unterschwellig der Antisemitismus mitschwinge. Unter der Prämisse “Das wird man wohl noch sagen dürfen“ werde gleichzeitig eine Tabuisierung der Kritik an der israelischen Politik unterstellt.
Stattdessen, so Beck, gehe es bei der Israel-Kritik jedoch meist nicht um einzelne Parteien oder Akteure, sondern um die legitime Existenz des jüdischen Staates, die unterschwellig infrage gestellt werde. "Bei einer Kritik an Putins Politik würde keiner auf die Idee kommen, die Legitimität Russlands infrage zu stellen", sagte Beck. Und die Legitimitätsfrage des Staates Israel steuere wieder zu einem "neuen alten", antisemitischen Bild der jüdischen Gemeinschaft.
"In der Außenpolitik sollten alle Staaten völkerrechtlich gleichbehandelt werden. Nur genau das geschieht leider nicht. In Israel schauen wir ganz genau hin, weil Israel ein jüdisch-demokratisches Land ist und nicht, weil wir so mit den Palästinensern sympathisieren", erklärte Beck. Auch auf europäischer Ebene wünsche er sich mehr Aufklärung, auch in seiner eigenen Fraktion.
Beck ist der Ansicht, die alten, "urradikalen" linken Vorstellungen von Israel als Unterdrücker und Palästina als dem Unterdrückten sollten aufgedeckt und beseitigt werden. Hetze und die doppelte Moral müssten ein Ende finden, so Beck wie auch Hammel.
Auf Unverständnis stieß bei den Diskutanten der Vorwurf des "Pinkwashing" gegenüber der Israelischen Regierung.
Israel gelte als eins der liberalsten Länder in Bezug auf Homosexualität, gleichgeschlechtliche Ehe und Adoptionsrechte für homosexuelle Paare, erklärte Beck. Zwar könnten gleichgeschlechtliche Paare nicht direkt in Israel eine Ehe eingehen, da es keine standesamtlichen, sondern nur kirchliche Ehen gebe und die Kirchen keine Trauungen von Homosexuellen vornehmen. Ein gleichgeschlechtliches Paar könne allerdings in einem anderen Staat heiraten. Diese Ehe werde dann auch in Israel anerkannt und erhalte alle Vorteile einer heterosexuellen Ehe. Beck findet, Deutschland könne sich allein im Bezug darauf noch eine Scheibe abschneiden.
Und trotzdem werde der israelischen Regierung Pinkwashing als Form der Imagepflege vorgeworfen, kritisiert Hammel. Pinkwashing kommt von "Whitewashing", was nichts anderes bedeutet, als sich durch Schönreden "weiß" bzw. frei zu waschen. Mit "Pinkwashing" ist gemeint, dass Akteure ihre Toleranz gegenüber Homosexuellen aus Kalkül besonders herausstellen. In Bezug auf Israel ist damit der Vorwurf verbunden, Israel stelle sich als besonders homofreundlich dar, um ein besseres Bild abzugeben und die Palästinenser zu diskreditieren.
Auch hier sind sich beide einig, dass in diesem Zusammenhang die doppelten Standards der westlichen Welt in Bezug auf Israel erkennbar seien. Keinem anderen westlichen Land würde man eine PR-Maßnahme vorwerfen, wenn dieses die Rechte von Homosexuellen stärkt.
Uneinig waren sie sich dagegen nur in einer Position, in Bezug auf die UN-Resolution zum Siedlungsbau in Israel. Die UN-Resolution, die am 23. Dezember 2016 unterzeichnet worden ist, verurteilt nicht nur die Siedlungspolitik, sondern alle Regionen, die Israel im Sechstagekrieg 1967 von Jordanien erobert hat. In der UN-Resolution wird der Tempelberg und Klagemauer, als "besetztes palästinensisches Gebiet" bezeichnet.
Während Beck in der Resolution eher die Zusicherung der USA zur Demokratie und zu den anerkannten Grenzen sieht, bemängelt Hammel, dass die UN-Resolution die legitimen Grenzen von Israel als besetztes Land bezeichne. Die von Beck hervorgehobene Terrorabsage, die in der Resolution formuliert ist und fordert, dass beide Seiten Terrorakte verurteilen und ihre Bemühungen im Kampf gegen den Terror verstärken, sollte laut Hammel auch als eher neutral angesehen werden. In der Resolution stehe nicht, auf welcher Seite sich die Terroristen genau befinden. Damit, so Hammel, unterstelle die UN-Resolution dem Israelischen Staat eine Beteiligung am örtlichen Terrorismus.
Die Debatte wurde durch eine rege Diskussion mit dem Publikum abgerundet. Diskutiert wurde unter anderem darüber, ob an der Johannes Gutenberg-Universität eine institutionelle Hetze stattfindet: Ein Teilnehmer berichtete von einem Professor, der erklärt habe, Israel habe keine Existenzberechtigung. Hammel, die auch einige Zeit lang im Allgemeinen Studierendenausschuss (AStA) gesessen hat, bestätigte, dass die Problematik dem Studierendenausschuss nicht unbekannt sei.
Insgesamt blieb die Stimmung an diesem Abend, trotz der sensiblen Thematik, durchweg ruhig und wissenschaftlich orientiert. Die Gesprächsrunde hat somit gezeigt: Auch wenn man nicht immer einer Meinung ist, kann man kontroverse und sensible Themen besonnen und ohne Gefühlsausbrüche oder Beleidigungen diskutieren.
Campus Mainz e.V. ist ein gemeinnütziger Verein und die meiste Arbeit ist ehrenamtlich. Hilf uns dabei auch in Zukunft tolle Dienste für alle kostenlos anzubieten. Unterstütze uns jetzt!