Studis kämpfen um Erhalt der AG Sonderpädagogik

20.12.2017
Studium, Campus-News
las

Nun steht es fest: Der Schwerpunkt Sonderpädagogik soll abgeschafft werden. Doch noch haben die Studis ihren Kampf nicht aufgegeben.

Angliederung an die Sozialpädagogik

Bereits im Juli hatten Studierende der Sonderpädagogik ein Protestpicknick gegen die Abschaffung ihres Fachs veranstaltet, um mit Vertretern und Angehörigen des Fachbereichs 02 für Sozialwissenschaften, Medien und Sport über die Zukunft der Arbeitsgemeinschaft Sonderpädagogik ins Gespräch zu kommen.

Doch nun wurde im Rahmen eines Audits des Instituts für Erziehungswissenschaft (IfE) beschlossen: Der Studienschwerpunkt Sonderpädagogik soll der Sozialpädagogik angeschlossen werden.

Jetzt befürchten die Studierenden, dass mit der Abschaffung der AG letztlich auch der Verlust der Expertise einhergehen wird, wenn nicht genügend Inhalte die Integration überleben. Denn danach sieht es momentan aus: Die Professur, die nun zu besetzen ist, soll in Zukunft lediglich den Schwerpunkt "Heterogenität, Diversität und Forschung" erhalten. Den Studierenden zufolge rücken andere, wichtige Themen wie Integration und Inklusion damit in den Hintergrund oder drohen, vollständig verloren zu gehen. Eine weitere Sorge betrifft die persönliche Zukunft der Studierenden: Sie haben zwar das Recht, ihr Fach fertig zu studieren, doch sie bangen um die Studienbedingungen eines Fachs, das es in Zukunft in der Form nicht mehr geben wird.

Der Protest geht weiter

Die Studierenden der Sonderpädagogik protestieren gegen diese geplante Umstrukturierung. Ihre Forderung, die aus ihrem studentischen Positionspapier hervorgeht: "Der Erhalt sonderpädagogischer Themenschwerpunkte und die entsprechende Denomination der ehemaligen Professur der Sonderpädagogik". Über 2.000 Unterschriften gegen die Abschaffung des Studienschwerpunkts hatten die Protestorganisatorinnen dazu über eine Online-Petition gesammelt. Am 13. Dezember wollten sie diese bei der Veranstaltung "Der Protest geht weiter" im QKaff an Vertreter des Dekanats des Fachbereichs 02 übergeben. Vom Dekanat kam jedoch niemand zur Veranstaltung. So wurden die Protest-Unterschriften symbolisch ins Leere übergeben.

Die Mainzer Sonderpädagogik – ein Alleinstellungsmerkmal

Die Sonderpädagogik an der JGU ist ein Studienschwerpunkt der Erziehungswissenschaft und beschäftigt sich mit Menschen mit Behinderung im weiteren Sinne, d.h. körperlichen sowie kognitiven Behinderungen, psychischen Erkrankungen, aber auch Beeinträchtigungen durch Umweltfaktoren. Zentrale Inhalte sind psychoanalytische Pädagogik, Inklusion, Partizipation und Empowerment in den Bereichen Wohnen, Leben, Arbeit, Freizeit und Bildung sowie spezielle Förderung. Zudem hatte die Mainzer Sonderpädagogik bisher ein Alleinstellungsmerkmal: Nirgendwo sonst in Deutschland kann man das Fach mit einer außerschulischen Ausrichtung studieren.

Weitreichende gesellschaftliche Folgen

Im Jahre 2009 hat sich Deutschland durch die Ratifikation der UN-Behindertenrechtskonvention dazu verpflichtet, Rechte von Menschen mit Behinderung zu stärken und Inklusion zu fördern. Nun soll in Mainz ein Studienschwerpunkt abgeschafft werden, der sich genau damit auseinandersetzt und letztendlich diejenigen Menschen ausbildet, die das Übereinkommen in die Praxis umsetzen wollen. So sehen es zumindest die Studierenden. Tabea Keinath, wissenschaftliche Hilfskraft in der AG und Organisatorin der Protestaktion, befürchtet, dadurch gehe die Expertise verloren, die sich das Fach jahrelang erarbeitet habe. Dass diese Expertise jedoch dringend notwendig ist, bestätigen am Mittwochmorgen zahlreiche Vertreter aus der Praxis:

Ein fataler Fehler

Man ignoriere die Belange von Menschen mit Behinderung und werde weder ihnen noch den Pädagogen gerecht, argumentiert Eva Benz, die selbst ihren Master in Sonderpädagogik an der JGU absolviert hat. Die Teilhabe von Menschen mit Behinderung in der Gesellschaft solle selbstverständlicher werden und mit der Abschaffung der AG erreiche man das genaue Gegenteil.

Ingo Klein von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft RLP bezeichnete die Abschaffung als "fatal error" und "ein katastrophales Zeichen". Inklusion sei ein politischer Auftrag, doch man könne sie nicht wie ein Rezept beim Arzt verschreiben. „Was zählt, ist die Haltung, welche man durch ein Studium der Sonderpädagogik entwickeln kann und durch die sich Inklusion überhaupt erst umsetzen lässt", so Klein.

Die Kommunikation mit der Uni: "Ein Kampf gegen Windmühlen"

Die Fachschaftsmitglieder fühlen sich übergangen und bemängeln fehlende Transparenz im Entscheidungsprozess. "Bei Gesprächen durften wir zwar dabei sein, aber dort ist nur genickt worden, nicht wirklich zugehört", beklagen Benz und Keinath. Die Abschaffung sei hinter einem "Deckmantel" beschlossen worden.

Diese Anschuldigungen weist Prof. Daschmann, Dekan des FB 02, gegenüber der Allgemeinen Zeitung  zurück: "Der Vorwurf der Heimlichtuerei ist absurd." Ihm zufolge sei der Prozess transparent verlaufen und die Studierenden wurden miteinbezogen. Außerdem versicherte er, die Inhalte würden trotz Abschaffung des Schwerpunkts erhalten bleiben. Es gehe um eine "inhaltliche Neuorientierung", die auch die aktuelle Debatte um Inklusion und Heterogenität berücksichtige.

Wie es weitergeht

Durch die 2.000 gesammelten Unterschriften erhoffen sich die Protestorganisatorinnen, den Druck auf das Institut erhöht zu haben, um etwas in den folgenden Entwicklungen bewirken zu können. Was die Zukunft bringen wird, ist allerdings ungewiss. Tabea Keinath beendete die Veranstaltung wie folgt: "Wir harren der Dinge, die da kommen oder nicht."

Campus Mainz e.V. unterstützen!

Campus Mainz e.V. ist ein gemeinnütziger Verein und die meiste Arbeit ist ehrenamtlich. Hilf uns dabei auch in Zukunft tolle Dienste für alle kostenlos anzubieten. Unterstütze uns jetzt!