Über Städte- und Bundesländergrenzen hinweg hat die Corona-Pandemie 2020 den Haushalt der Studierendenwerke geprägt. Das gab ihr bundesweiter Dachverband, das Deutsche Studentenwerk (DSW), bekannt. Dieses versammelt alle Studierendenwerke in Deutschland unter sich.
Der Präsident des Deutschen Studentenwerks, Rolf-Dieter Hermann Postlep, betonte zunächst, dass die Pandemie alle Studierendenwerke vor wirtschaftliche Herausforderungen stelle. Dies sei vor allem der Fall, da sich 60 Prozent aller Einnahmen der Studierendenwerke aus den Bereichen Wohnen und Gastronomie zusammensetzten.
Auch DSW-Generalsekretär Achim Meyer auf der Heyde macht das bundesweite Defizit an Einnahmen an der eingeschränkten Mensagastronomie sowie der Unterauslastung der Wohnheime fest. To Go-Angebote oder Zeitslots zum Essen in der Mensa könnten keinen Ausgleich schaffen. Jedoch sieht er im Vergleich zum Sommer, wo eine Unterauslastung der Wohnheime von drei bis 17 Prozent bestand, eine starke Verbesserung. Im Wintersemester sei nur eine Unterauslastung von ein bis fünf Prozent zu verzeichnen, was der Situation vor der Corona-Pandemie entspreche.
Der Leiter der Öffentlichkeitsarbeit des Mainzer Studierendenwerks Thomas Kohn-Ade bestätigt diese Ansichten. So sei derzeit die Auslastung der Wohnheime zum Januar wieder auf 97 Prozent gestiegen, lagen sie im Oktober jedoch noch bei 93 Prozent. 134 Plätze seien demnach zurzeit noch frei. In Angesicht der hohen Infektionszahlen rechne er aber damit, dass die Auslastungszahlen zum Sommersemester wieder sinken, da eventuell weniger neue Studierende nach Mainz kommen könnten.
Kohn-Ade sagte weitergehend, dass die Cafeterien im Januar erneut schließen mussten. In den Monaten davor wären "immer wieder nach den jeweils aktuellen Regeln neue Hygienekonzepte entwickelt" worden, um die Mensen möglichst lange offen zu halten. Als Alternativangebot hätte man einen Foodtruck angeschafft, "der den mobilen Service des Mensablitzes ergänzt und warme Speisen und Streetfood-Spezialitäten, aber auch Salate und andere Verpflegung" anbiete. Dies konnte über den Investitionszuschuss des Landes abgedeckt werden. Der Foodtruck solle aufgrund der positiven Rückmeldung sein Angebot nun weiter ausbauen.
Auch werde nicht mit einem weiteren Personalabbau in den Mainzer Mensen des Studierendenwerks gerechnet. Im Sommer konnten bereits die Verträge von 24 Saisonkräften nicht verlängert werden (campus-mainz.net berichtete). Durch die Verlängerung des Kurzarbeitergeldes bis Ende 2021 und der "Reduktion der variablen Kosten wie Wareneinsatz und Energiekosten" hätten jedoch die angefallenen Umsatzeinbußen ausgeglichen werden können.
Postlep fordere vor allem eine finanzielle Förderung aller Studierenden. Die Überbrückungshilfe des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) für Studierende in pandemiebedingter Notlage wurde in den Monaten von Juni bis September 2020 244.000-mal beantragt. 155.000 Anträge (64 Prozent) wurden genehmigt. So wurden insgesamt 68 Millionen Euro an betroffene Studierende ausgezahlt.
In Mainz und Bingen seien laut Kohn-Ade seit Juni 2020 4.968 Anträge auf Überbrückungshilfe gestellt worden (Stand 19.01.2021). Seit der Neuauflage der Überbrückungshilfen im November sei die "Zahl der Anträge gesunken, obwohl die Anforderungen vereinfacht wurden, etwa durch die Anerkennung von Selbsterklärungen." Es müsse jedoch ein Nachweis erbracht werden, dass der oder die Antragssteller:in vorher versucht hat, die pandemiebedingte Notlage abzumildern. Als solche Nachweise gelten beispielweise Absagen von Job-Bewerbungen.
Ein großes Problem sei allerdings, dass viele Notlagen der Studierenden pandemieunabhängig bestehen und sie damit keine pandemiebedingte Unterstützung in Form der Überbrückungshilfe erhalten können. Die strukturelle Armut von Studierenden sei auch schon vor der Pandemie "virulent" gewesen und müsse strukturell angegangen werden, so Postlep.
Der Präsident kritisiert ebenfalls die derzeitige BAföG-Situation, die der gegenwärtigen Studienrealität nicht entspreche. So sei eine Kopplung an die Regelstudienzeit nicht hinnehmbar und solle um mindestens zwei Semester erhöht werden. Auch DSW-Generalssekretär Achim Meyer auf der Heyde kritisiert: "Es reicht nicht, in unregelmäßigen Abständen die BAföG-Fördersätze und -Elternfreibeträge anzuheben." Stattdessen brauche es "dringend eine umfassende strukturelle Reform, um das BAföG zu stärken und es endlich an die Studien- und Lebensrealität der Studierenden stärker anzupassen."
Postlep fordert außerdem die Erhöhung der Elternfreibeträge um 15 anstatt sechs Prozent. BAföG müsse wieder mehr Studierende aus der Mittelschicht erreichen und auch die Förderhöchstsätze sollten auf ein existenzsicherndes Maximum von 900 bis 1000 Euro erhöht werden. Letztlich solle ein "Öffnungsmechanismus" für Krisensituation wie die Pandemie integriert werden und eine Entbürokratisierung sowie einheitliche Digitalisierung stattfinden, um Anträge zu erleichtern.
Zusätzlich fordern die Studierendenwerke einen "Hochschulsozialpakt", der u. a. mehr Mittel für Wohnheime und Mensen vorsieht: 3,5 Milliarden Euro Zuschüsse von Bund und Ländern seien erforderlich, um Wohnheim- und Mensakapazitäten auszubauen und pandemiebedingt nachzurüsten.
Dabei müssten allein zur Verbesserung der studentischen Wohnsituation 4,2 Milliarden Euro in den Neubau, die Sanierung und die Pandemie-Nachrüstung der Wohnheime investiert werden. Mit Blick auf die Folgen der Corona-Pandemie sieht das DSW vor allem Investitionsbedarf im Bereich der Digitalisierung und der Hygiene. Das DSW fordert dafür einen Zuschuss von 1,9 Milliarden Euro. Zum Ausbau der Hochschulgastronomie wurde ein Zuschuss von 1,6 Milliarden Euro bis 2026 gefordert, ebenfalls für Sanierung, Modernisierung und "bauliche Pandemie-Nachrüstung".
Postlep mahnt im Zuge dessen: "Die Pandemie verschärft nur den Investitionsstau bei der sozialen Infrastruktur". Nach Angaben des DSW würden bis zum Jahr 2030 über die großen Bund-Länder-Programme jedoch rund 160 Milliarden Euro in Wissenschaft, Forschung und Hochschulen fließen. "Das ist eine immens wichtige Zukunftsinvestition", betont Postlep. Ihm zufolge müsse nun genauso intensiv und zukunftsorientiert in die soziale Infrastruktur der Hochschulen investiert werden. Eine gemeinsame Bund-Länder-Anstrengung sei gerade wegen der Pandemie "dringender denn je".
Als größte Herausforderung der Pandemie für Studierende sieht Postlep die soziale Orientierung aller Studienanfänger:innen. Auch wenn die Digitalisierung nicht die größte Herausforderung sei, sehe er das Problem, sich in einem Sozialgefüge einer Hochschule zurechtzufinden, als äußerst gravierend. Meyer auf der Heyde ergänzte, dass auch die Persönlichkeitsbildung ohne die soziale Orientierung nicht so von statten gehen könne, wie es ein normaler Hochschulstart vorsehe.
Zudem hätten vor allem sozial schwache Familien Probleme mit der Finanzierung oder der technischen Infrastruktur.
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