Das Hochschulgesetz von Rheinland-Pfalz spricht Studierendenschaften ein "hochschulpolitisches Mandat" zu. Dieses Mandat garantiert der Studierendenschaft sich zu Themen, die die Hochschule und die Studierenden betreffen, äußern zu können. Für die studentisch gewählten Vertreter:innen des Studierendenparlaments (StuPa) an der JGU Mainz ist das hochschulpolitische Mandat nicht genug. Ihnen zufolge sei die Universität "Teil des gesellschaftlichen und politischen Lebens."
Daher fordert der Allgemeine Studierendenausschuss im Namen des StuPas die gesetzliche Verankerung eines "allgemeinpolitischen Mandats". Dieses Mandat würde Studierendenschaften das Recht zugestehen, sich zu Themen zu äußern, die außerhalb des universitären Kontexts liegen. Wichtige wie dringende allgemeine Themen seien der Stellungnahme zufolge der Klimawandel, der Kampf gegen Faschismus sowie eine menschenwürdige Flüchtlingspolitik.
Eine Trennung von Hochschul- und Allgemeinpolitik "hindere die Studierendenschaft an der Erfüllung ihrer Aufgaben im gesamtgesellschaftlichen Kontext und am kritischen Umgang mit ebendiesen gesamtgesellschaftlichen Verhältnissen." Aktuell besteht für das StuPa der Eindruck, das hochschulpolitische Mandat diene dazu, "unliebsame Meinungsäußerung der Studierendenvertretungen durch die Angst vor Klagen zu unterdrücken oder im Nachhinein zu sanktionieren."
Nach eigener Aussage sind die Gremien durch die Trennung nicht in der Lage, die Studierendenschaft "angemessen" und "wirkungsvoll" zu vertreten. Die Institution Universität sei ein "Ort der kritischen Auseinandersetzung mit herrschenden Verhältnissen" und der freien Meinungsäußerung. Laut StuPa sollten einer demokratisch gewählten Studierendenvertretung diese Rechte zustehen. Das reine hochschulpolitische Mandat beschränke diese jedoch.
Zur Legitimierung der studentischen Forderung wird auf die Aufgaben der Studierendenschaft im neuen Hochschulgesetz für Rheinland-Pfalz verwiesen. Abschnitt 5 sieht eine der Aufgaben darin, "das staatsbürgerliche Verantwortungsbewusstsein und die Bereitschaft ihrer Mitglieder zur aktiven Toleranz sowie zum Eintreten für die Grund- und Menschenrechte" zu fördern. Das StuPa argumentiert, dass dies mit dem "Verbot allgemeinpolitischer Äußerungen" nicht möglich sei.
Die Forderung beinhaltet konkret eine Ergänzung von § 108 Abs. 2 Satz 2 des Hochschulgesetzes. Dort heißt es derzeit: "Die Studierendenschaft und ihre Organe können für die Wahrnehmung ihrer Aufgaben Medien aller Art nutzen und in diesen Medien auch die Diskussion und Veröffentlichung zu allgemeinen gesellschaftlichen Fragen ermöglichen." Das StuPa tritt dafür ein, den Abschnitt mit "und sich selbst daran beteiligen" zu erweitern.
Die Studierendenschaft hat über § 108 Abschnitt 2 des Hochschulgesetzes bereits die Möglichkeit, sich über Medien in kleinen Teilen zu allgemeinpolitischen Themen zu äußern, solang dies der "Wahrnehmung ihrer Aufgaben" dient. Voraussetzungen ist ein thematischer Bezug zur "gesellschaftlichen Aufgabenstellung der Hochschulen" oder die Folge einer Anwendung wissenschaftlicher Erkenntnisse (§ 108 Abschnitt 2 Satz 1).
Dies ermöglicht dem AStA u. a., über soziale Medien auf Veranstaltungen zur politischen Bildung aufmerksam zu machen und damit "anderen die Diskussion über allgemeine gesellschaftliche Fragen zu ermöglichen" (§ 108 Abschnitt 2 Satz 2). Das Beziehen einer eigenen Position in diesen Diskussionen ist nach der Auffassung des AStA-Arbeitsbereichs für Rechtsangelegenheiten jedoch nicht gestattet. Der AStA hält dies mit Blick auf seine Aufgaben "nicht für ausreichend" und fordert ein eigenes Beteiligungsmandat.
Das Hochschulgesetz legt zudem fest, dass es der Studierendenschaft nicht erlaubt ist, überwiegend allgemeinpolitische Inhalte über Medien zu verbreiten (§ 108 Abschnitt 2 Satz 4). Dazu betont der AStA, dass man sich "selbstverständlich" nicht "hauptsächlich" zu allgemeinpolitischen Fragen äußern wolle.
Die Diskussion über die Einführung eines allgemeinpolitischen Mandats wird deutschlandweit, auch an der JGU, bereits seit den 1970er Jahren geführt. Zu einer Änderung kam es bisher nicht.
Hauptgrund für die Einschränkung auf ein hochschulpolitisches Mandat ist der Status der Verfassten Studierendenschaft als Zwangskörperschaft. Studierende werden mit der Immatrikulation automatisch Teil der Verfassten Studierendenschaft. Eine allgemeinpolitische Äußerung der Vertretung der Studierendenschaft, die der politischen Orientierung eines Teils der Studierenden nicht entspricht, gilt damit als Eingriff in das Grundrecht des Einzelnen.
Dennoch sieht das StuPa seine freie Äußerung zu allgemeinpolitischen Themen als essenziell für seine Arbeit an. Da im Hochschulgesetz nur das Ermöglichen von Diskussionen, nicht aber die Beteiligung daran für das StuPa erlaubt ist, beklagt es einen Eingriff in seine Freiheit, sich zu äußern und damit zumindest einen Teil der Studierenden zu vertreten.
Auf Anfrage rechtfertigt der AStA wiederum den Eingriff in das Grundrecht der Studierenden, die durch seine hochschulpolitischen Äußerungen nicht repräsentiert werden: Denn die "effektive Interessenwahrnehmung für die gesamte Studierendenschaft" überwiege den Wunsch "einzelner" Studierender, nicht dadurch vertreten zu werden. Sie könnten ihre Meinung weiterhin äußern, auch wenn sie der des AStA widerspreche.
Dass der AStA nach außen die gesamte Studierendenschaft vertritt, führt er außerdem auf seine demokratische Wahl zurück: Denn das StuPa und die autonomen Referate des AStA können potenziell von allen Studierenden gewählt werden, und auch an der Vorstandswahl des Zentralen Fachschaftsrats sind wiederum die einzelnen Fachschaften aus Studierenden beteiligt.
Damit verfügen diese Organe offiziell – auch mit Wahlbeteiligungen im knapp zweistelligen Bereich - über ein Mandat, sich für die Studierendenschaft in hochschulpolitischen Fragen zu äußern. Falls ein vergleichbares allgemeinpolitisches Mandat durch die Landesregierung verabschiedet würde, wären laut dem AStA auch allgemeinpolitische Äußerungen damit "verhältnismäßig".
Das Hochschulgesetz, das dieses Mandat erweitern könnte, wurde allerdings nach zehn Jahren erst im September 2020 aktualisiert (campus-mainz.net berichtete) – ein Ende der Diskussion scheint also vorerst nicht in Sicht.
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