Schon im Laufe des vergangenen Semesters hörte ich immer wieder von Kommilitonen und Kommilitoninnen, wie sehr sie sich auf die Ferien freuten. Denn das Tückische am Sommersemester sind nicht die vielen Bazillen, die durch die Gegend fliegen, sondern das schöne, warme Wetter, das mich von freier Zeit, farbenfrohen Drinks und Sandstränden träumen lässt. Als Studierende stellt man sich jedoch darauf ein, zunächst einmal bis Mitte Juli durchzupowern. Aber auch ich freute mich riesig über die Semesterferien. Das vergangene Semester war nämlich ziemlich anstrengend. Ich hatte viel zu viele Kurse belegt und stand permanent unter Strom.
Weißt du, wie ein typischer Unitag bei mir aussieht? Nach dem schnellen Frühstück ziehe ich Anton an und wir müssen Punkt 08:17 Uhr draußen an der Bushaltestelle stehen, damit wir nicht den Bus verpassen. Denn der nächste Bus hat immer Verspätung. Ich bringe Anton also zur Tagesmutter, sage tschüss und eile wieder zur Bushaltestelle. Dann kann ich mich während der Busfahrt zum ersten Mal meinem Handy widmen.
Nach drei Veranstaltungen hintereinander laufe ich wieder zügig zur Bushaltestelle, um den ersten Bus zu bekommen, der mich direkt zur Tagesmutter bringt. Anton wird abgeholt und wir verbringen den Tag meistens auf dem Spielplatz. Abends essen wir gemeinsam mit dem Papa, der dann heim gekommen ist und ich mache daraufhin den Haushalt. In dieser Zeit spielt Anton mit meinem Freund, der ihn auch ins Bett bringt. Und dann setze ich mich auch schon an den Tisch und lerne oder bereite die nächsten Stunden vor.
Richtig viel Freizeit hatte ich also nicht. Im vergangenen Semester gab es aber auch noch eine weitere Herausforderung. Ich hatte nicht nur einen vollen Stundenplan und war somit die komplette Betreuungszeit von Anton an der Uni, sondern habe auch noch angefangen, Lateinkurse zu belegen. In meinem Hauptfach gibt es ein Sprachmodul und ich bin auf die glorreiche Idee gekommen, in eineinhalb Jahren Latein zu lernen. Von den abendlichen Lernstunden gingen also fast täglich ein bis zwei Stunden für Latein drauf.
Meine Bilanz des vergangenen Semesters: sechs Referate, drei Prüfungen oder Klausuren, zwei Hausarbeiten.
Schon als ich den Stundenplan erstellte, war mir bewusst, dass es viel werden würde. Aber die Veranstaltungen waren sehr spannend, teilweise wollte ich die Pflichtveranstaltungen abhaken und ich hatte auch einfach richtig Lust auf die Uni. Aber während des Semesters merkte ich, dass mir die Zeit fehlte, um Latein gründlich zu lernen. Ich konzentrierte mich immer auf die nächste Studienleistung und setzte Prioritäten. Als die sechs Referate endlich geschafft waren, setzte ich mich an den Prüfungsstoff, um auch die Klausuren sehr gut zu bestehen. Ich freute mich deshalb riesig auf die Semesterferien. Dann würde endlich wieder etwas Ruhe einkehren. Und keine Nachtschichten mehr!
Aber Pustekuchen. Ich hatte eine freie Woche im Juli und werde ab Oktober wirklich Zeit haben. Diese Semesterferien sind keine Ferien, sondern tatsächlich nur "vorlesungsfreie Zeit".
Und in dieser vorlesungsfreien Zeit wurde ich noch mit weiteren Schwierigkeiten konfrontiert. Schon in den ersten beiden Wochen hatte unsere Tagesmutter Urlaub. Das war zunächst ganz in Ordnung und ich konnte das in meine Pläne einkalkulieren. In der ersten Woche verschanzten Anton und ich uns also bei meinen Eltern, wo Anton viel spielen konnte und ich Zeit zum lernen fand. Denn in der ersten Woche standen noch zwei Klausuren an. Nachdem ich beide meisterte und glücklich darüber war, diese Fächer endlich abzuhaken, konnte ich in der zweiten Wochen richtig entspannen. Das hieß, abends mal wieder einen Film zu schauen, Freunde einzuladen und nicht jeden Tag Bücher lesen zu müssen. Die Ferien taten mir sehr gut und ich musste mich nach dieser Woche stark überwinden, um mit Elan die Hausarbeiten anzugehen.
Aber das klappte dann ganz gut. Für die Hausarbeiten hatte ich schon während des Semesters einiges vorbereitet, weil ich bereits für die Referate viel recherchiert hatte. Und an einem freien Vormittag lässt sich ja dann doch so Manches schreiben.
Im August kündigte unsere Tagesmutter an, dass sie noch einmal vier Tage Urlaub nehmen wollte, weil ihr Patenkind getauft wurde. Puh, damit hatte ich nicht gerechnet. Wieder eine Woche, die drauf ging. Ich nutzte die Tage, um wirklich abzuschalten und Pause zu machen. Wir machten Ausflüge, trafen Freunde und hingen manchmal auch einfach nur zu Hause ab. Auch das tat gut. Aber so langsam rannte mir die Zeit davon. Zwischendurch hatte Anton auch mal einen schlechten Tag und wollte zu Hause bleiben.
Doch dann kam die kleine Katastrophe. Kurz vor Abgabe wurde die Tochter der Tagesmutter krank. Sie hatte nicht nur eine Erkältung, sondern eine Magen-Darm-Grippe. Wenn ich jetzt Anton zur Tagesmutter schickte, wäre er daraufhin eine ganze Woche krank. Und unser Urlaub fängt schon bald an. Ich lasse also Anton zu Hause. Zwar habe ich beide Hausarbeiten inhaltlich fertig geschrieben, aber ich muss noch einige Korrekturen vornehmen, sehr viel kürzen und die Quellen überarbeiten. Hallo Nachtschichten! Hallo Kaffee! Denn so schön die Tage mit Anton auch sind, möchte ich auch endlich diese beiden Hausarbeiten abschließen. Tagsüber schläft Anton nicht mehr. Ausgerechnet diesen Sommer sucht er sich aus, um seinen Mittagsschlaf abzuschaffen. Die letzten Zähne kommen auch gerade durch und die Trotzphase hat ihren Höhepunkt. Und der Freund ist außerdem für vier Tage auf Geschäftsreise.
So schlimm ist es dann aber doch nicht. Ich habe im vergangenen Semester nämlich nicht nur die verschiedenen literaturtheoretischen Ansätze und die unterschiedlichen Ausprägungen des Kubismus gelernt, sondern auch, wie ich meine Prioritäten so setze, dass ich glücklich bin.
Es gab da eigentlich noch eine dritte Hausarbeit, die ich in der vorlesungsfreien Zeit hätte schreiben sollen. Für diese Hausarbeit hätte ich nicht einmal zwei Wochen Zeit gehabt. Bestimmt hätte ich das irgendwie hingekriegt, mit vielen Nachtschichten und schlechter Laune. Aber mich erleichtert es sehr, dass ich diesen Plan aufgegeben habe. Nun bekomme ich im nächsten Semester die Möglichkeit, mich voll auf diese Hausarbeit zu konzentrieren und sie gut zu machen.
Und das ist es, was ich im vergangenen Semester gelernt habe. Die meisten Dinge kommen anders, als wir sie planen. Die vielen zusätzlichen Tage, an denen wir nun keine Betreuung hatten, sind sicherlich zum Großteil dafür verantwortlich, dass ich mein Pensum nicht geschafft habe, aber gleichzeitig bin auch ganz froh drum. Ich habe diese Tage sehr bewusst mit Anton genossen, konnte Pause machen und Kraft für das nächste Semester tanken. Und noch eines habe ich gelernt: im nächsten Semester habe ich nicht mehr so einen vollen Stundenplan. Ich konzentriere mich auf etwas weniger Veranstaltungen, lerne fleißig Latein und genieße das Leben.
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