Studieren mit Kind | Mama auf Studienfahrt: ein Erfahrungsbericht

14.09.2017
Studium, Studieren mit Kind
Bettina

Die letzte Exkursion im Studium war nun für Bettina fällig. Mit einigen Kunstgeschichts-Studierenden fuhr sie auf die Documenta nach Kassel. Aber wie wurden ihre beiden Kinder in dieser Zeit betreut?

Als Kunstbegeisterte stand für mich in diesem Kunst-Jahr fest, dass ich auf jeden Fall zumindest eine der großen Kunstschauen ansehen wollte. Die Documenta 14 in Kassel wollte ich unter keinen Umständen verpassen. Sie findet nur alle fünf Jahre statt und, als Anfang des Jahres das Programm für das Sommersemester online erschien, keimte bereits die Hoffnung in mir auf, dass ich vielleicht im Rahmen einer Exkursion die Documenta besuchen könnte. Ich meldete mich für die dreitägige Exkursion an, nicht wissend, ob ich Paul bis dahin schon abgestillt hätte geschweige denn für mehrere Tage abgeben könnte. 

Scheitert mein Vorhaben an der Betreuung für Paul?

Wie du vielleicht in der letzten Kolumne gelesen hast, hatte ich auch noch vier Wochen vor Start der Exkursion keine Ahnung, ob ich wirklich daran teilnehmen würde. Beziehungsweise klärte sich das ob recht schnell auf, aber das wie musste noch geklärt werden. Ich bekam von meiner Familie und der Familie meines Partners sehr viel Unterstützung zugesichert. Die Krux lag aber an unserem kleinen Jungen. Er war elf Monate alt, also eigentlich noch ein Baby. Dabei in einem Stadium von Mama-Phase, Zähne-Kriegen, Nachts-gestillt-werden… im wahrsten Sinne des Wortes ein Säugling. Auch wenn er tagsüber schon feste Nahrung am Familientisch zu sich nahm, stillte ich ihn nachts und er war von mir abhängig. Ein paar klägliche Versuche mit der Flasche scheiterten.

Doch Babys in dem Alter entwickeln sich so schnell. Eine Woche vor der Exkursion reichte ihm die Muttermilch nicht mehr und Paul trank plötzlich auch Prémilch. Seine Abhängigkeit von mir ließ mich dennoch daran zweifeln, ob ich tatsächlich ohne Probleme an der Exkursion teilnehmen könnte. Und hier muss ich kurz etwas einschieben: Jedes Kind ist anders. Während sich mein großer Sohn Anton bereits nach sieben Monaten selbst abstillte, früh alleine die Flaschen hielt und häufig mehrere Stunden am Stück alleine bei Oma und Opa war, war beim zweiten Kind alles anders. Paul ist etwas anhänglicher, hat sich nach elf Monaten selbst abgestillt, wollte lieber bei Mama und Papa als im eigenen Bett schlafen und war bis dato höchstens fünf Stunden von mir getrennt. Solche Bedingungen schaffen natürlich ganz andere Voraussetzungen. Während Anton schon relativ früh alleine bei Oma und Opa schlief, konnte ich mir beim besten Willen nicht vorstellen, Paul mit elf Monaten für drei Tage abzugeben. Wir befanden uns gerade mitten im Abnabelungsprozess.

Die Lösung für das Problem

Es zeigte sich also, dass Paul mit nach Kassel musste. Die Lösung für das Problem lag auf der Hand. Ihn auf die Exkursion mitzunehmen, ging nicht, also musste jemand mit nach Kassel fahren, um auf Paul aufzupassen. Meine Mutter erklärte sich bereit. Ich war begeistert. Sie ist so eine großartige Oma. Ich buchte daraufhin eine Unterkunft und wir regelten unsere Anreise. Ein Tag vor der Abfahrt konnte auch mein Vater bestätigen, dass er frei hatte und mitfahren wollte. Das fand ich wunderbar. Meine Eltern konnten sich also eine schöne Zeit gemeinsam in Kassel machen, spazieren gehen und dabei Paul bespaßen. Viel besser ging es doch nicht. 

Aber da gab es ja noch etwas. Was machten wir mit Anton? Anton blieb mit meinem Freund bei den anderen Großeltern. Für ihn war das ziemlich toll, weil er bis dahin noch nie bei ihnen "Urlaub" gemacht hatte. Ansonsten machte ich mir kein einziges Mal Sorgen um Antons Betreuung, weil ich einfach wusste, wie unkompliziert es mit ihm ist, egal bei welchen Großeltern.

Drei Tage in Kassel

Während der einzelnen Tage in Kassel konnte ich mich voll und ganz auf das Geschehen konzentrieren. Ich war mir sicher, dass sich meine Eltern melden würden, wenn etwas nicht rund läuft, Paul weint oder nicht einschlafen kann. Am ersten Abend kam ich relativ früh nach Hause und konnte einen glücklichen Jungen in den Arm nehmen. Ausnahmsweise ging er an diesem Tag etwas später ins Bett: von mir in den Schlaf gestillt und nachts an mich gekuschelt. 

Am zweiten Tag frühstückten wir gemeinsam und ich fuhr anschließend los. An diesem Abend wollte die Gruppe gemeinsam essen gehen und ich wollte sehr gerne dabei sein. Ihr wisst ja, Kontakte knüpfen bei einem Weinchen, Stories über das Institutsleben hören usw. Und siehe da, auch das klappte wunderbar. Zum ersten Mal wurde Paul nicht von mir (bzw. von meinem Freund) ins Bett gebracht und schlief scheinbar problemlos ein. An diesem Tag sah ich Paul ganze 14 Stunden am Stück nicht. Zum ersten Mal. In diesen Stunden lernte er zu winken, fuhr mit seinen Großeltern spazieren und hatte Spaß beim Baden. 

Am dritten Tag frühstückten wir wieder gemeinsam und die drei holten mich am späten Nachmittag ab, damit wir nach Hause fahren konnten. 

Natürlich waren die Sorgen, die ich mir in den Wochen vor der Exkursion gemacht habe, nicht unbegründet, aber sie lösten sich schnell auf. Paul tat es sehr gut, so viel Zeit mit seinen Großeltern zu verbringen und er hatte eine schöne Zeit. Er ist dadurch gewachsen. Gleichzeitig konnte ich in der Zeit, in der er mich am meisten braucht, für ihn da sein.

Was die Exkursion für mich bedeutete

Nicht nur für Paul gab es viele erste Male, auch für mich waren diese drei Tage sehr bedeutsam. Denn auch als Mutter ist der Abnabelungsprozess nicht immer einfach. Für mich war es zum einen wichtig, zu sehen, dass Paul auch ohne mich sein kann und dass er im Folgenden auch bereit für eine Fremdbetreuung ist. Nur wenige Wochen später fing nämlich die Eingewöhnung bei der Tagesmutter an.

Außerdem tat es mir sehr, sehr gut, wieder voll in den kunstgeschichtlichen Diskurs einzutauchen und mit begeisterten, kunstaffinen Studis und Lehrenden zu sprechen. Da ich im Sommersemester nur Seminare in Literaturwissenschaft belegt und ich im Semester davor "nur" eine Hausarbeit geschrieben hatte, fehlte es mir sehr, mich außerhalb meiner vier Wände und der virtuellen Welt auszutauschen. Natürlich tat es auch gut, einfach mal ganz alleine unterwegs zu sein, keinen Kinderwagen zu schieben und nicht auf die Mahlzeiten der Kinder achten zu müssen :)

Die Exkursion zeigte mir aber auch etwas anderes. Ich beschäftigte mich sehr intensiv mit meinen Referatsthemen und hatte die Themen durchdrungen. Mir machte es in der Vorbereitung so Spaß, mich mit den Künstlerinnen auseinanderzusetzen. Der Erfolg meiner Referate, die anschließenden Gespräche, das Wissen, das sich ansammelte und auf das ich ab jetzt zurückgreifen kann, führten mir vor, dass das Studium genau richtig für mich ist. Ich liebe es einfach. Und auch wenn die Kinder meine verfügbare Zeit einschränken, bin ich froh, dass ich mich in diesen Stunden mit dem beschäftigen kann, was ich gut finde.

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