Streit um Transparenz: Berliner Humboldt-Uni verklagt Studierendenvertreter

10.09.2018
Campus-News, Studium...
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Eine Universität verklagt ihre eigenen Studierenden – damit eskaliert ein bereits seit Längerem anhaltender Konflikt über Transparenz und Datenschutz. Unsere Berlin-Redakteurin Alena fasst die Ereignisse für euch zusammen.

Die Humboldt-Universität (HU) zu Berlin verklagt ihre eigenen Studierenden. Mit der Klage will die Universitätsleitung den ReferentInnenRat (RefRat) [die studentische "Regierung", vergleichbar mit dem AStA an der Uni Mainz, Anm. d. Red.] dazu verpflichten, die Nachnamen seiner Mitglieder an das Präsidium der HU weiterzugeben.

Die Klage ist der Höhepunkt eines bereits länger anhaltenden Konflikts zwischen Präsidium und RefRat. Die Uni kritisiert mangelnde Transparenz der Studierendenvertreter: Sie weigerten sich, die vollen Namen ihrer Mitglieder offenzulegen. 

Offenheit vs. Datenschutz 

Demokratie, auch an der Universität, brauche Offenheit, erklärte das Präsidium gegenüber der WELT. Die Wählerinnen und Wähler hätten einen berechtigten Anspruch, ihre Vertreter zu kennen. Im Mai hatte der RefRat daher die Weisung erhalten, dem Uni-Präsidium regelmäßig eine Namenliste der Referentinnen und Referenten sowie Protokolle und Beschlüsse vorzulegen.

Die Studierendenvertreter kritisieren das Vorgehen der Unileitung in einer Pressemitteilung. Dort sprechen sie von "antidemokratischen Entwicklungen" und einem Verlust der Hochschulautonomie. Die Mitglieder des studentischen Organs bemängeln zudem eine mangelnde Kooperation des Präsidiums. Bereits vor Mai 2018 hätten die Studierendenvertreter der Unileitung Angebote zur Übermittlung der Namen gemacht, auf die diese jedoch nicht reagiert habe. Auch auf Bedenken hinsichtlich Speicherung und Weitergabe der Daten, die der RefRat geäußert hatte, sei die Universität nicht eingegangen. Die Studi-Vertreter befürchten unter anderem, die Berliner Alternative für Deutschland (AfD) könnte die Informationen erhalten.

Der Auslöser: Eine Anfrage der AfD

Hintergrund ist, dass die AfD-Fraktion im Januar 2018 im Berliner Senat eine Kleine Anfrage gestellt hatte, in der unter anderem die vollständigen Namen der studentischen Vertreter an den drei Berliner Universitäten (Freie Universität, Technische Universität und TU) angefragt wurden. Die Anfrage gilt als Auslöser des Konflikts zwischen Unileitung und Studierendenvertreter.

Während FU und TU erklärt hatten, die Informationen aus Datenschutzgründen nicht weitergeben zu wollen, kam die Humboldt-Uni zu einem anderen Ergebnis. Die Unileitung erklärte laut WELT-Information den betroffenen Studierenden, der Datenschutz sei bei öffentlichen Ämtern nicht wirksam. Kritiker vermuten, dass die HU mit ihrer harten Reaktion möglicherweise auch von ihrer eigenen Untätigkeit ablenken wolle. Sie habe die Namen der Studivertreter in den vergangenen Jahren nicht mehr angefordert und damit ihre eigene Aufsichtspflicht vernachlässigt. 

Intransparenz und Postengeschacher in studentischen Organen

João Fidalgo, Finanzreferent des RefRats vermutet gegenüber der taz, die Anfrage ziele darauf, dass das studentische Organ sich nicht politisch – auch nicht gegen die AfD – positionieren solle. Der RefRat stand jedoch schon vorher in der Kritik: Nachfragen kamen nicht nur von der AfD sondern auch von der FDP, Medien und dem StudentInnenparlament (StuPa).

Ende 2017 hatte Unaufgefordert, die Studierendenzeitung der HU, einen langen, aufwendig recherchierten Artikel veröffentlicht, in dem sie dem studentischen Organ mangelnde Transparenz vorwirft. Unter dieser Intransparenz, so die Kritik, könnten die studentischen Vertreter sich ungehindert Posten hin- und herschieben. So würden die eigentlich begrenzten Amtsdauern von einigen Vertretern deutlich überschritten. 

Der RefRat wies die Vorwürfe der Studierendenzeitung in einer langen Stellungnahme zurück. In einer Pressemitteilung sprechen die Studierendenvertreter von einer "einseitig geführten Debatte" und kritisieren "Unterstellungen und Angriffen" der Medien sowie Anfragen der FDP und AfD. 

Vorwürfe beleben studentische Selbstverwaltung 

Kritik an mangelnder Transparenz in der studentischen Selbstverwaltung gibt es nicht nur an der Humboldt-Universität. Auch an anderen Universitäten bemängeln Studierende die mangelnde Offenheit der studentischen Organe. Dass solche Probleme und Zustände in der studentischen Selbstverwaltung überhaupt erst möglich sind und über lange Zeiten hinweg nicht wahrgenommen werden, hängt nicht zuletzt auch mit dem geringen Interesse vieler Studierender an der studentischen Selbstverwaltung zusammen. Schon lange beklagen Studierendenvertreter die geringe Wahlbeteiligung, etwa zu StuPa-Wahlen. Auch in Mainz war dies immer wieder Thema.

Immerhin: An der HU könnte die Diskussion zu einer Belebung der studentischen Selbstverwaltung geführt haben. Dort sind laut Unaufgefordert seither sieben neue studentische Listen gegründet worden. Auch die Wahlbeteiligung ist immerhin von 7 Prozent (2017) auf ca. 8,8 Prozent (2018) gestiegen. Im Sommersemester beschloss das StudentInnenparlament, die Vorwürfe der mangelnden Transparenz intern aufzuklären. Zudem soll geprüft werden, wie die Bereitschaft der Studierenden, sich an Wahlen zur studentischen Selbstverwaltung zu beteiligen, erhöht werden kann. 

Keine Aussicht auf eine baldige Einigung

Während sich also im Studierendenparlament der HU etwas zu bewegen scheint, ist eine schnelle Einigung im Konflikt zwischen Uni und RefRat derweil nicht absehbar. Transparenz vs. Datenschutz – die Beteiligten beharren weiterhin auf ihren Positionen und der Ansicht, selbst alles richtig gemacht zu haben. Kommunikation zwischen den Konfliktparteien findet offenbar kaum statt. 

Hinzu kommt, dass der RefRat derzeit selbst eine Klage gegen die Universitätsleitung anstrebt. Zwar geht es dabei um die Einrichtung eines Instituts für Islamische Theologie gegen das Votum der Studierendenvertreter im Senat, doch dürfte die Klage die Beziehung zwischen HU-Präsidium und RefRat nicht unbedingt verbessern. Die Situation bleibt also angespannt, und die Klage der Universitätsleitung wird sich vermutlich lange hinziehen.

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