Jurastudierende legen in ihrem Studium bundesweit eine Erste Juristische Prüfung ab, die bis 2003 als Staatsexamen bezeichnet wurde. Diese Erste Juristische Prüfung umfasst eine staatliche Pflichtfachprüfung und eine universitäre Schwerpunktbereichsprüfung. Die staatliche Pflichtfachprüfung besteht aus einem schriftlichen Teil, mit insgesamt sechs Aufsichtsarbeiten, und einer mündlichen Prüfung, die im Anschluss an die bestandenen schriftlichen Prüfungen erfolgt.
Grundsätzlich hat man für das Bestehen der staatlichen Pflichtfachprüfung zwei Versuche. Hat man am Ende des schriftlichen Examens eine zu geringe Anzahl an Punkten, muss man alle sechs Prüfungen erneut ablegen.
Eine Ausnahme dieser Regelung ist der sogenannte "Freischuss". Dies ist ein Freiversuch für die Erste Prüfung, welcher bei Nicht-Bestehen so behandelt wird, als hätte man den Versuch nicht unternommen. Man kann den Freischuss, auch Notenverbesserungsversuch, nach Ende der Regelstudienzeit, quasi als Belohnung für ein zügiges Studium, antreten und hat somit drei statt zwei Versuche.
In Paragraf 5 Absatz 5 des rheinland-pfälzischen Juristenausbildungsgesetzes (JAG) heißt es: "Eine erfolglose staatliche Pflichtfachprüfung gilt als nicht unternommen, wenn nach ununterbrochenem Studium die schriftlichen Prüfungsleistungen spätestens nach dem Ende der Vorlesungszeit des achten Studienhalbjahres vollständig erbracht worden sind." Damit ist der Freischuss nur möglich, wenn nach dem Ende der Vorlesungszeit des achten Semesters alle nötigen schriftlichen Prüfungsleistungen abgelegt wurden.
Ausnahmen gelten jedoch bei Unterbrechungen des Studiums, etwa "wegen schwerer Krankheit oder aus ähnlich wichtigen Gründen". Dem rheinland-pfälzischen Justizministerium zufolge zählt das digitale Sommersemester zu diesen "ähnlich wichtigen Gründen". Daher wird es für alle immatrikulierten Studierenden in Rheinland-Pfalz nicht für die Zulassung zum Freiversuch dazugerechnet.
"Die neue Regelung gilt für alle im Sommersemester 2020 in Rheinland-Pfalz immatrikulierten (künftigen) Kandidatinnen und Kandidaten. Es wird nicht danach unterschieden, in welchem Fachsemester sich die Studierenden während des Sommersemesters 2020 befanden", versichert Justizminister Herbert Mertin.
Ausgeschlossen von der neuen Regelung sind dem Justizministerium zufolge jedoch Studierende, die bereits vor Beginn des Sommersemesters 2020 die Voraussetzungen des Freischusses überschritten oder erfüllt hatten. Die Regelung erfolge automatisch, sodass Studierende keine Anträge stellen müssten. Es bleibt dabei, dass es nur einen Freiversuch gibt.
Die JGU gab derweil bekannt, dass sie zwar für Prüfungen in Bachelor- und Masterstudiengängen einen zusätzlichen Wiederholungsversuch neben den bisherigen drei Prüfungsversuchen gewährt - sie schließt davon aber explizit die dortigen Abschlussprüfungen und die Staatexamensstudiengänge, darunter Jura, aus (campus-mainz berichtete). Somit werden die Zulassungsregelungen für den Freischuss zwar auch an der JGU gelockert, einen zusätzlichen Versuch darüber hinaus bekommen die Jurastudierenden dort aber nicht.
Jura-Studierende der JGU Mainz sind über die Meldungen des Justizministeriums Rheinland-Pfalz dennoch erleichtert. "Wir freuen uns sehr über den positiven Ausgang der Diskussion!", schreibt die Fachschaft Jura der JGU auf ihrer Instagramseite.
Justizminister Herbert Mertin erklärte, dass die juristischen Fakultäten in Rheinland-Pfalz "den Umständen entsprechend vorbildlich bemüht sind, ein vollwertiges Angebot für die Studierenden der Rechtswissenschaft zu gewährleisten", dennoch müsse er feststellen, "dass die Corona-Pandemie doch gewisse Einschränkungen mit sich bringt." Die Anpassung der "Freischuss-Regelung" solle dies kompensieren.
Da sich die Freischuss-Regelung auf die Prüfungen bezieht, die von den Prüfungsämtern der Bundesländer verantwortet werden, gibt es länderspezifische Unterschiede, aber auch Gemeinsamkeiten: So haben sich Hessen, Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg, das Saarland, Bayern, Thüringen, Mecklenburg-Vorpommern, Bremen, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Niedersachsen und Hamburg ebenfalls auf die Ausnahmeregelung festgelegt.
Berlin und Brandenburg lassen das aktuelle Semester zwar auch außer Acht, aber vorerst nur für Studierende, deren Freischuss zum kommenden Oktober anstehen würde.
Studierende in Schleswig-Holstein können beantragen, das Sommersemester 2020 als Freisemester zählen zu lassen. In diesem Ausnahmefall werden die erbrachten Leistungen gewertet, was in einem regulären Freisemester nicht möglich wäre.
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