Schrumpfende Zahlen von Studierenden nutzen BAföG - Warum ist das so?

01.06.2024
Studium
Harry Canatti

2023 nahm die Zahl der Studierenden ab, die BAföG beantragen. Doch was ist BAföG überhaupt, was ist die Problematik dabei und wie wirkt sich die 29. BAföG-Novelle auf Studierende aus?

Der erste Schritt ins neue Leben, das erste Mal alleine leben – all dies kann Studieren mit sich bringen. Aber was, wenn man nicht das Privileg hat, sich frisch aus dem Elternhaus eine Wohnung leisten oder arbeiten zu können?

Dafür gibt es u. a. das BAföG, eine staatliche Förderung für Schüler:innen und Studierende, die finanzielle Unterstützung beim Studium brauchen. Doch das BAföG wird immer weniger von Studierenden bezogen, selbst wenn diese Ansprüche darauf hätten.

Was ist BAföG?

Das Bundesausbildungsförderungsgesetz, kurz BAföG, ist dafür da, Studierende und Schüler:innen finanziell zu unterstützen, wenn ihre Familien dies nicht ausreichend tun können. Konkret gefördert wird die erste Ausbildung an berufsbildenden Schulen, Kollegs, Akademien und Hochschulen, wozu auch private Berufsakademien gehören.

Wie funktioniert BAföG?

Wie erwähnt werden Studierende aus familiären Hintergründen, die das Studium nicht selbst finanzieren können, gefördert. Ob BAföG gewährt werden kann, hängt jedoch auch von persönlichen Voraussetzungen ab, wie der Staatsangehörigkeit bzw. dem aufenthaltsrechtlichen Status, dem Alter, der Eignung für die gewünschte Ausbildung und auch dem private Einkommen und Vermögen. In Bezug auf letzteres wird dabei nicht nur das der Eltern berücksichtigt, sondern auch das Vermögen und Einkommen der studierenden Person. Der Freibetrag, d. h. das Geld, was man auf dem Konto besitzen darf, liegt bei 15.000 Euro und bei Auszubildenden ab 30 Jahren bei 45.000 Euro. Bei Überschreitung dieses Freibetrages wird die Zahlung des BAföG angepasst.

Das Besondere an BAföG ist, dass man nur die Hälfte des Darlehens, aber höchstens 10.010 Euro, zurückzahlen muss. Der Höchstbetrag liegt derzeitig bei 934 Euro pro Monat. So würde man mehr Geld bekommen, als man am Ende zurückzahlen muss. Das ist durch die oben genannte „Darlehensbremse“ garantiert. Somit muss man nie mehr als die Höchstzahlung von 10.010 Euro abbezahlen. Die Schulden können teilweise erlassen werden, wenn man bereits vor den 5 Jahren zwischen Studium und Beginn der verpflichtenden Rückzahlung einen Teil der Schulden zurückzahlt.

BAföG kann nur im Erststudium beantragt werden. Das heißt aber auch, dass man es im Master wieder beantragen kann, solange dieses auf dem Bachelorstudium aufbaut. Dadurch würde man aber nochmal ein Darlehen aufnehmen und dieses auch wieder zur Hälfte oder bis zum Höchstdarlehen zurückzahlen.

Schrumpfende Zahlen?

Das Angebot des BAföG klingt beim ersten Hören vielversprechend. Doch warum ergreifen dann immer weniger Studierende die Chance, dieses Angebot anzunehmen?

Laut einer Check-Studie, welche die Studienfinanzierung in 2023 untersucht hat, stieg zwar die Studierendenzahl, die Anzahl der BAföG-Geförderten sank jedoch. 2022 lag die Zahl der Geförderten bei 11,47 Prozent, was zwar einen Aufwärtstrend zeigt, aber trotzdem extrem niedrig ist. In Rheinland-Pfalz gab es 13.290 BAföG-Geförderte, die Zahl lag somit bei 11,4 Prozent.

Umgekehrt bedeutet dies, dass allgemein in Deutschland mehr als 88 Prozent der Studierenden kein BAföG erreicht.

Gründe für die fehlende Beantragung

Diese niedrige Zahl der Studierenden wird im Fazit der Check-Studie an verschiedenen Punkten kontextualisiert. Viele Studierende sind erstmal nicht BAföG-berechtigt. Andere hingegen wissen nicht, dass sie berechtigt wären und stellen erst gar keinen Antrag. Dies kann verschiedene Gründe haben, z. B. aufgrund eines zu komplizierten Antragsverfahrens. Ein weiterer Punkt, der einige Studierende abschreckt, ist das Darlehen, das man am Ende zurückzahlen muss. Obwohl dies erst fünf Jahre nach Abschluss des Studiums zu zahlen ist, sind es trotzdem Schulden, die man mit ins weitere Leben nimmt.

Eine weitere plausible Begründung ist, dass die Wartezeit auf den Antrag das Angebot unattraktiv macht. Außerdem gibt es Studierende, die keinen Kontakt zu einem ihrer Elternteile haben und dieses auch nicht suchen können oder wollen. Dies wäre jedoch notwendig für die Feststellung, ob BAföG gestellt werden kann oder nicht.

BAföG und das Deutsche Studierendenwerk

Das BAföG wird immer wieder angepasst. Diese Anpassungen sollen, zumindest in Theorie, den Geförderten helfen. Der letzte Entwurf für neue Änderungen, die „29. BAföG-Novelle“, hat jedoch viel Kritik geerntet.

Das Deutsche Studierendenwerk (DSW) ist ein Zusammenschluss der Studierendenwerke in Deutschland, welche sich für Förderungen der Studierenden einsetzt. Im Sinne dieser Förderungen, haben sie auch Kritik gegenüber dem neuen Entwurf geübt.

In einer Pressemeldung vom 19. Januar 2024 und vom 26. April 2024 schreiben sie, dass der Entwurf, trotz positiver Änderungen, die allgemein gewünschte Reform des BAföG verfehlt. 

Kritik des Deutschen Studierendenwerk

Diese positiven Änderungen seien die Studienstarthilfe (1.000 Euro als Zuschuss, wenn man in den ersten 6 Monaten des Studiums Sozialleistungen bezieht), die angehobenen Freibeträge beim Einkommen, das Flexibilitätssemester, die Vereinfachung des Fachrichtungswechsels und der reduzierte bürokratische Aufwand.

Was jedoch von dem DSW kritisiert wird, ist, dass die Wohnkostenpauschale von 360 Euro, die im BAföG vorgesehen ist, eindeutig zu niedrig sei und unter dem Richtwert der Düsseldorfer Tabelle liege. Die Düsseldorfer Tabelle ist ein Richtwert, um einen angemessenen Unterhalt zu ermitteln.

Neben der Wohnkostenpauschale wird auch der Grundbedarf von 452 Euro kritisiert. Laut dem DSW liege dies unter dem "soziokulturellen Existenzminimum", was durch das Bürgergeld auf 563 Euro angesetzt wird. Nach den Angaben der DSW mangele es nicht an Fördergeld. Stattdessen würde dies einfach nicht von dem Bundesministerium für Bildung und Forschung genutzt. Das DSW fordert daher, den Grundbetrag anzuheben und dabei die Inflation zu beachten, um die Chancengleichheit zu wahren.

Fazit

Die Frage, warum immer weniger Studierende BAföG beantragen, lässt sich nicht mit einer einzelnen Antwort lösen. Die oben genannten Faktoren wie die Schulden, die Schwierigkeit des Antrags, aber auch die kritisierte, niedrige Auszahlung, durch die man am Existenzminimum lebt, sind alles Gründe, weshalb Studierende sich immer weniger mit BAföG auseinandersetzen wollen.

Wie das DSW und auch die Check-Studie besagen, muss die Finanzierung an die derzeitigen Bedingungen angepasst werden. Dies bedeutet momentan: An die Inflation. Die Studie weist auch auf eine ausbaubare Aufklärung und Bewerbung hin. Viele würden nicht wissen, was BAföG genau sei und wie es letztendlich funktioniere.

Schlussendlich kann man sagen, dass die Wahrscheinlichkeit steigt, dass die zuständigen Behörden erkennen, wie überlebenswichtig diese Förderung für manche Studierende ist, je mehr Studierende sich um das BAföG kümmern. Nur so können Reformen eingeleitet werden.

+ + + Update + + + 

Am 5. Juni 2024 wurde im Bundestag bekannt gegeben, dass es noch Verbesserung geben würde zum neuen, oben beschriebenen BAföG-Gesetz. 

Die Wohnkostenpauschale wird angehoben von 360 auf 380 Euro, die Freibeträge der Eltern wird um 5,25 Prozent erhöht und die geplante Anhebung des Darlehensanteil wird zurückgenommen. Somit müssen Studenten weiterhin nicht mehr als 10.010 Euro zurückzahlen, wenn sie mehr als diese Grenze erhalten haben. 

Der freie zusammenschluss von student*innenschaften (fzs) kommentiert diese Änderung und sagt, dass die Änderung nötig, aber nicht ausreichend ist. 

Dass der Druck auf den Bundestag einen Erfolg erzielt hat ist ein "wichtiges politisches Signal" laut dem DSW. Diese kritisieren aber auch die niedrige Nachbesserung und bezweifeln, dass das ganze Geld, was dem BAföG zur Verfügung steht, komplett ausgenutzt wird. 

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