Schland-Watch

09.07.2014
Campus-News, Freizeit
ml

Deutschland steht im Finale der Fußballweltmeisterschaft. Doch nicht alle sehen den "unverkrampften Patriotismus" so entspannt. Die Idee zur Facebookseite "Schland-Watch" stammt von Studierenden der Uni Mainz.

Wir haben uns mit einer Betreiberin getroffen und mit ihr über die Hintergründe der nationalismus- und patriotismuskritischen Seite in einem Interview gesprochen.

Woher stammt die Idee zu „Schland-Watch“?

Das war eigentlich eine spontane Idee. Zur Info: Wir sind zu zweit bei Schland-Watch und machen das in unserer Freizeit. Wir sind seit einiger Zeit auf andere Watch-Seiten aufmerksam geworden, z. B. Friedensdemowatch, die kritisch über die Friedensdemos berichten oder auch Kartoffeln im Netz, die dokumentieren nationalistische Ausfälle in den Kommentarspalten deutscher Medien. Da haben wir gedacht, dass die WM ein passender Anlass wäre, themenspezifisch eine eigene Seite aufzubauen. Dann haben wir Schland-Watch Anfang Mai gestartet, unsere engsten Freunde eingeladen und dann hat sich die Seite erweitert.

"Schland-Watch" ist am 8. Mai gegründet worden und hat jetzt schon über 14.000 Likes. Habt ihr das erwartet?

Eigentlich nicht. Es ging aber recht schnell. Wir hatten in der ersten Woche schon 1000 Fans und wir wachsen auch stetig auf diesem Level momentan. Dann haben wir uns angeschaut, was Seiten mit ähnlichem Inhalt an Fans haben. Die haben ca. 8000 Fans, da dachten wir, dass wir das auch erreichen werden. Aber jetzt sind wir die größte Seite, die sich mit deutschem Nationalismus befasst.

Am meisten Fans habt ihr in der deutschen Hauptstadt. Könnt ihr euch das erklären?

Das ist uns auch aufgefallen. Ich kann es mir nicht wirklich erklären. Ich könnte höchstens schätzen, weil die Seite sich nach dem Schneeballprinzip verbreitet, dass viele Leute, die unsere politische Meinung teilen, vielleicht eher in urbanen Zusammenhängen leben.

Ein Blick auf die von euch mit „Gefällt mir“ markierten Seiten zeigt, dass ihr gut mit der Anti-Deutschen-Bewegung vernetzt seid. Was ist das und warum hasst man Deutschland?

Klar, das ist ein Schlagwort, das sich seit den späten 80er Jahren herausgebildet hat. Praktisch ist „Anti-Deutsch“ als neue Richtung innerhalb des linken Spektrums in Deutschland zu verstehen und vornehmlich geht es darum, auf Abwehrstrategien und Schlussstrichfolgerungen kritisch hinzuweisen (Anm. d. R. als Hintergrund sind folgende Links zu empfehlen Schlusstrichdebatte und Historikerstreit). Es gibt da auch kein wirkliches politisches Manifest, das alles zusammenfassen würde. Das ist auch alles sehr ausdifferenziert und heterogen, aber was den Leuten gemein ist, die sich dieser Richtung anschließen, ist, dass man politische Verhältnisse in Deutschland kritisch begleitet und vor allem gegen aufkeimenden Nationalismus und auch Patriotismus in Deutschland wendet. Dass man gerne das Gedenken an die deutsche Vergangenheit hochhalten möchte und Entwicklungen wie das Fahnenzeigen bei der WM 2006 sehr kritisch sieht. Es geht nicht wirklich darum, dass man Deutschland hasst. Für mich persönlich ist es so: Ich lebe gerne hier. Ich weiß, dass ich von vielem profitiere, z. B. von einem Unisystem, in dem ich keine Studiengebühren zahle – das weiß ich alles. Aber trotz allem würde ich mich ganz kritisch aussprechen, wenn man sagt, dass man stolz auf dieses Land ist. Mit geschichtlichem Hintergrund würde ich sagen: Das kann man nicht sein. Ich persönlich würde auch sagen, mir würde es schwer fallen, auf etwas stolz zu sein, das ich nicht selbst erreicht habe. Stolz zu sein auf ein Kollektiv, das halte ich für sehr gefährlich.

Ihr hattet ein Video des Barons zum Viertelfinale Deutschland gegen Frankreich kritisch kommentiert, gepostet und dann wieder gelöscht. Was ist da passiert?

Wir finden das Video schlecht. Da wurde ein Camenbert-Käse mit einem deutschen Bierglas zerstampft. Das war für uns eben kein entspannter Fußball-Patriotismus, sondern ein Zeichen, bei dem es in unserem Augen ausufert. Wir wollten aber dem Baron als Kneipe hier auf dem Campus auch nicht schaden. Wir haben eben sehr viele Fans, die dann auch kritisch kommentiert haben. Deswegen haben wir es dann gelöscht, um dem Baron nicht zu schaden. Aber wir haben auch klar gemacht, dass wir das Video nicht gut finden und dass wir vom Baron, einer Kneipe, die sich selbst auch als links bezeichnet, etwas anderes erwartet hätten. Ich glaube, dass das angekommen ist.

Jetzt hattest du gerade den Gegensatz zwischen verkrampftem und unverkrampftem Fußballpatriotismus aufgemacht. Gibt es den unverkrampften Fußballpatriotismus in deinen Augen überhaupt?

Es kann entspanntes Fußballgucken schon geben. Sicherlich. Ich würde da auch noch mal einen Unterschied machen bei anderen Ländern, weil wir auch oft gefragt werden, was wir zu Nationalismus in anderen Ländern auch im Zusammenhang mit Fußball sagen. Wir sehen das generell kritisch. Wir glauben aber, dass das in Deutschland einfach eine andere Qualität hat und erhoffen uns in Deutschland auch eine gewisse geschichtliche Sensibilität. Z. B. haben wir gestern das Spiel Deutschland gegen Brasilien verfolgt und auch geschaut, was über Twitter gepostet wird. Vieles ist dort mit einem ganz klaren Kriegshintergrund. Viele Grafiken enthalten dort auch eine Kriegsrhetorik. Das halten wir für sehr gefährlich.

Wie steht ihr im Dialog mit Leuten, die das Projekt kritisch sehen? Es darf z. B. niemand auf eure Pinnwand posten.

Wir wollen uns natürlich nicht die Seite zuspammen lassen, aber jeder kann bei uns kommentieren und uns E-Mails schreiben, was auch viele Leute in Anspruch nehmen. Wir versuchen dann vor allem bei den E-Mails auch mit den Leuten zu diskutieren und auch Gründe zu nennen. Das läuft in der Regel auch sachlich. Wir akzeptieren es auch, wenn jemand sich eine Deutschland-Fahne um den Hals hängt und zum Spiel geht, aber wir finden es eben schlecht.

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