Reportage | Mit den Wildnis- und Naturworkshops Mainz neu entdecken

08.06.2015
Freizeit
sm

Ein AHS-Sonderkurs bringt dich raus aus der Stadt und rein in den Wald. Mit den „Wildnis- und Naturworkshops“ von NaturWERK erkundest du das Mainzer Umland und lernst, warum ein Feuerzeug den ganzen Spaß verdirbt und wie gut es tut sich zu verlaufen.

Es ist Samstag, 10:30 Uhr. Eigentlich würde ich jetzt im Bett liegen und mich fragen, wieso ich nach dem zweiten Glas Weinschorle nicht einfach nach Hause gegangen bin. Doch dieser Samstagmorgen ist anders. 

Ich fahre raus aus der Stadt und rein in die Natur. Am heutigen Samstag lerne ich, nützliche Pflanzen am Wegesrand zu erkennen und wie man Feuer macht im Naturschutzgebiet „Mainzer Sand“. Ich treffe den Mainzer Anthropologen und Naturführer Bernd Schelker inmitten einer Gruppe Studierender und Universitätsangestellten in wetterfester Kleidung. Sie alle blicken in das dichte Blattwerk über ihren Köpfen. Auch ich starre fasziniert in die Blätter der riesigen Eiche. Ein dicker Regentropfen klatscht mir auf die Nase. Der Regen stört aber weder mich noch die anderen um mich herum. 

Von Eichen und Buchen

„Ihr kennt doch bestimmt das Sprichwort: Eichen sollst du weichen, Buchen sollst du suchen.“ Bernd Schelker blickt in die Runde. Wir nicken alle. „Gut, denn es stimmt tatsächlich, dass die Eiche bei Gewitter öfter vom Blitz getroffen wurde, als andere Bäume.“ Die Information macht mich angesichts des schlechten Wetters zugegebenermaßen etwas nervös. Doch Bernd ist noch nicht fertig: „Das liegt allerdings daran, dass sie bis zu 900 Jahre alt sind und deshalb im Laufe ihres langen Lebens öfter vom Blitz getroffen werden, als zum Beispiel Buchen. Frei stehende Bäume, auch Buchen, sollte man bei Gewitter aber lieber nicht suchen.“ Auch die Studentin neben mir scheint erleichtert, als wir weitergehen und die einsame Eiche hinter uns lassen. Wir laufen also hinter Bernd in den Lennebergwald hinein. 

Löwenzahn und Räucherstäbchen

Bernd Schelker ist Erlebnispädagoge und gründete in seiner Studentenzeit an der JGU die Wandergruppe des Allgemeinen Hochschulsports (AHS). „Ich bin schon immer gerne gewandert. In Mainz bin ich jedes Wochenende los und habe das Umland zu Fuß erkundet“, erzählt er mir. Ein Freund habe ihn dann auf die Idee gebracht eine Wandergruppe an der Uni zu gründen.“ Das ist nun fünf Jahre her. Die Wandergruppe gibt es immer noch. 

Wir bleiben stehen. Bernd hat wilden Knoblauch und Löwenzahn am Wegrand entdeckt. „Am Löwenzahn ist alles essbar und er hat zwanzigmal mehr Eisen als Kopfsalat.“ Mein Nachbar steckt sich begeistert eine Blüte in den Mund. „Allerdings ist das hier eine sehr beliebte Strecke von Hundehaltern...“, fährt Bernd fort. Na dann, guten Appetit.

Mit der Gitarre in der Hand

Weiter geht’s in den Wald hinein. Bernd erkannte schon während seiner Studienzeit, dass er zum Wissenschaftler nicht geboren war. „Mir hat es immer viel mehr Spaß gemacht, Gitarrenunterricht zu geben als im Labor zu arbeiten.“ Ich nicke verständnisvoll. Mit Gitarre in der Hand kann ich ihn mir auch besser vorstellen, als mit Gummihandschuhen und Petrischale. „Menschen etwas zu zeigen, sie von etwas zu begeistern, das mich begeistert - das ist schon eher mein Ding.“ Er greift in seine Umhängetasche und hält schließlich ein kleines Stück Holz in der Hand. „Ein Kienspan.“ Er reicht ihn dem Student neben ihm. „Riecht mal dran.“ Das Stück Holz riecht nach Kiefern, ganz extrem. Ein Kienspan ist ein sehr harzreiches vierkantiges kleines Holz. Zündet man es an, glüht es solang bis es verglüht ist und verbreitet einen angenehmen Duft. Ich bin begeistert und nehme mir vor, irgendwann auch so ein Naturräucherstäbchen zu finden.

Wildnis und Natur erleben

Um seine Begeisterung für den Wald und die Natur zu teilen, gründete Bernd „NaturWerk“, oder – wie er es auch nennt – die „School of Nature“. Gemeinsame Bewegung draußen im Grünen mit Do it yourself-Erlebnissen zu verknüpfen – das ist die Philosophie dahinter. Seit dem Sommersemester 2015 bietet Bernd seine Kurse von NaturWerk auch an der Uni im Rahmen des AHS-Programms an. „Die Studenten und Studentinnen können lernen wie man einen Drillbogen baut und damit Feuer macht. Außerdem gibt es einen Workshop zu Tierspuren, Orientierung in der Natur und Wassergewinnung.“ 

Feuer ohne Feuerzeug

Stichwort DIY-Erlebnis: wir sollen Feuer machen. Kein Problem, denke ich, ich habe immer ein Feuerzeug im Rucksack. Oder nicht, denn wenn man aufhört zu rauchen, braucht man das ja nicht mehr... Und jetzt? „Ein Feuerzeug verdirbt den ganzen Spaß.“, sagt Bernd und hält einen kleinen Metallstab mit Kunststoffgriff hoch. „Je weniger du in der Natur auf funktionierende Technik angewiesen bist, desto besser.“ Das sogenannte „Outdoorfeuerzeug“ besteht aus einem Magnesiumstab über den man mit einem kleinen Metallplättchen reibt. Sofort entstehen kleine Funken. Doch die machen noch kein Lagerfeuer. Bernd präsentiert uns seine Zundersammlung: verkohlte Baumwollreste (er nennt das „Luxus“), Zunderpilze und getrocknete Pflanzenteile. Neben dem Outdoorfeuerzeug hat er  noch einen Feuerstein, Pyrit und eine Konstruktion aus Stock, Seil und Brett (Drillbogen) dabei. Mein Feuerpartner und ich entscheiden uns für den Feuerstein. Wenn schon Steinzeit, dann richtig. Wenig später müssen wir uns unseren Größenwahnsinn eingestehen und bedienen uns der Kraft des Outdoorfeuerzeugs. Und siehe da: Fünf Minuten später brennt ein winziges Lagerfeuer vor uns im Sand. Wir fühlen uns wie Chuck Noland (Tom Hanks) in „Cast Away“, auch wenn wir jetzt wissen, dass die Feuerszene wirklich unrealistisch ist. 

Nachdem jeder Gruppe ein kleines Feuer gelungen ist, löschen wir mit Sand und machen uns auf den Rückweg. Wir sind etwa fünf Kilometer weit gelaufen. Wer Lust auf längere Wandereinheiten (20-30 km) innerhalb der Grenzen des AStA-Semestertickets hat, kann sich über wandern@uni-mainz.de in den Verteiler von Bernds AHS-Wandergruppe aufnehmen lassen. 

Müde…

Samstag, 15:30 Uhr. Eigentlich würde ich jetzt langsam wieder fitter werden und mich der Abendplanung annehmen. Aber heute nicht mehr, ich bin schlagskaputt und sehr zufrieden. Mein Fazit vom Wildnis- und Naturworkshop: Ein Tag in den Wäldern von Mainz ist mindestens genauso anstrengend wie eine Freitagnacht in der Neustadt. Aber vermutlich werde ich heute Nacht nicht in einen traumlosen, schweren Schlaf fallen, sondern von Kienspan, Lagerfeuer und Co. träumen und morgen früh erfrischt aufwachen.

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