Was passiert, wenn ein deutscher, christlicher Verein im jüdischen Staat Israel versehentlich Grundbesitzer des Landstücks ist, auf dem der einzige erhaltene frühislamische Palast des Landes steht? Die eben beschriebene Szenerie begegnet uns am idyllischen Ufer des Sees Genezareth bei Tabgha und in dieser wahren Geschichte spielt nun auch die Johannes Gutenberg-Universität Mainz eine Rolle.
Der zweite Teil einer Reportage von Nina Termin vom Arbeitsbereich Vor- und Frühgeschichtliche Archäologie im von Institut für Altertumswissenschaften. Den ersten Teil findet ihr hier.
Seit den Ausgrabungen ist wenig geschehen, was zur Konservierung des Palasts beigetragen hätte. Der Deutsche Verein vom Heiligen Lande ist nicht imstande, die Konservierung der Ruine, die in seinem Namen ausgegraben worden ist, auch nur teilweise zu leisten, da die derzeitige Satzung die Verwendung von Geldern nur für soziale Zwecke vorsieht.
Durch einen Pachtvertrag ist die Israel Nature and Parks Authority (INPA) für die Pflege, Präsentation und Sicherung der Anlage zuständig, doch reichten die Mittel bisher nicht für mehr als drei Warnschilder am Eingang und eine jährliche Unkrautbekämpfung.
Man habe große Probleme mit Vandalismus, erklärt der leitende Archäologe der INPA, Dr. Tsvika Tsuk bei einem Treffen im Juni. Der einzige Weg, eine archäologische Stätte wirklich zu schützen sei derjenige, sie einzuzäunen und zu bewachen. Zu oft habe man erlebt, wie frei aufgestellte Erklärungstafeln demoliert worden seien. Aber zur Bewachung aller Anlagen habe man keine Mittel.
Ein in Wert gesetzter, frühislamischer Kalifenpalast, noch dazu mit einer Moschee, ist nur allzu sehr gefährdet, zur Zielscheibe von Angriffe zu werden, zumal angesichts der aktuellen Bedrohung durch den IS und des damit einhergehenden verallgemeinerten Negativbildes des Islam. „Diesen interreligiösen Differenzen wollen wir uns nicht beugen“ betont Kuhnen. „Als Archäologen – gerade auch in der akademischen Lehre – wollen wir allen historischen Epochen gerecht werden und ihre Denkmäler respektvoll schützen, unabhängig von aktuellen politischen Tendenzen. Genauso wie zum Beispiel ägyptische, hellenistische oder römische Denkmäler erzählt auch das islamische Erbe von der wechselvollen Geschichte dieses Landes. Darum muss man an den frühislamischen Umayyadenpalast von Khirbat al-Minya denselben Maßstab anlegen wie an andere archäologische Stätten auch.“
Der Verfall der Anlage ist besonders tragisch wenn man bedenkt, dass Khirbat al-Minya der einzige bekannte, noch in seiner kompletten Ausdehnung erhaltene Residenzbau frühislamischer Zeit in Israel ist, während sich vergleichbare Bauten (Wüstenschlösser) vor allem auf heute jordanischem Boden südlich und östlich von Amman befinden.
„Khirbat al-Minya ist einer der wichtigsten architektonischen Zeugen des Beginns der islamischen Epoche im Heiligen Land westlich des Jordans und damit der epochalen Machtzentrenverschiebung von Rom bzw. Konstantinopel im Westen nach Damaskus und später Bagdad im Osten. Diesen Zeugen drohen wir zu verlieren, wenn wir jetzt nicht einschreiten“, warnt Kuhnen.
Die israelische Antikenverwaltung trug der Bedeutung des Palasts im Jahr 2000 damit Rechnung, dass sie sie für die Aufnahme auf die Liste des UNESCO-Weltkulturerbes vorschlug. Der Antrag scheiterte allerdings daran, dass die Präsentation der Stätte selbst und ihrer direkten Umgebung als unzureichend befunden wurde.
Das Hauptaugenmerk israelischer Archäologie liegt auf dem jüdischen Erbe, das sich großer Popularität erfreut. Christliche und heidnische (z.B. römische) Denkmäler rangieren dahinter. Das islamische Erbe dagegen führt eher ein Schattendasein in der öffentlichen Wahrnehmung, was sich vor allem auf die immerwährenden Konflikte zwischen muslimischer und jüdischer Bevölkerung im Land und aktuell auf den in solcher Form nie dagewesenen islamistischen Terror in den Nachbarländern zurückführen lässt.
Eine angst- und spannungsgeladene Situation, die nur allzu sehr die Gefahr eines Schwarz-Weiß-Denkens der Religionen in sich birgt. Umso erfreulicher ist das bereitwillige und entgegenkommende Engagement von israelischer Seite: Die israelische Antikenverwaltung (IAA) und die INPA begrüßen das Projekt und stellen Arbeiter und Geräte für die geplante Restaurierungskampagne im Herbst.
Den Maßstab für eine zukünftige Gestaltung von Khirbat al-Minya setzt nach Kuhnen die qualitätvolle Pflege jüdischer und christlicher Ausgrabungsstätten in der unmittelbaren Nachbarschaft: „Die nach modernen Kriterien konservierten und präsentierten spätantiken Synagogen und Kirchen von Tiberias, Kapharnaum, Magdala, Tabgha und Kursi zeigen beispielhaft, was der Tourist heute zu Recht nach Abschluss der Ausgrabungen erwartet. Der Kalifenpalast von Khirbat al-Minya hat in diesem Zusammenhang eine besondere Bedeutung, weil er zeigt, dass die frühen Kalifen friedlich und tolerant Seite an Seite mit jüdischen und christlichen Gemeinden lebten.
Diese Botschaft ist umso bedeutsamer, als heute islamistischer Terror die Welt erschüttert und gezielt das archäologische Erbe der Menschheit vernichtet. Gegen diese unselige Entwicklung setzt Khirbat al-Minya ein Zeichen: Das friedliche Nebeneinander von Juden, Christen und Muslimen hat einmal funktioniert, und das lässt hoffen, dass es auch in der Zukunft wieder funktionieren wird.“
Den ersten Teil findet ihr hier.
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