Der Publizissimus, das selbsternannte "Magazin für Medienkultur, Menschen und Munkler", pausiert seit dem Sommersemester 2020 seine Printausgabe zum zweiten Mal seit seiner Gründung im Jahr 1975 am Institut für Publizistik (IfP). Auslöser dafür ist die Corona-Pandemie, die im März 2020 den Notbetrieb der JGU Mainz nach sich zog und das Verteilen des kostenlosen Kultmagazins zu Semesterbeginn verhindert hat. Im Juni gab es erste Anzeichen dafür, dass die Redaktion nach neuen Wegen suche, um auch weiterhin Artikel zu veröffentlichen. Seit Anfang August ist die Studierendenzeitung, die bislang einmal im Semester erschienen ist, offiziell digital unterwegs und unter publizissimus.de abrufbar.
In der Vergangenheit wurde der Publizissimus zusätzlich zur gedruckten Ausgabe als PDF auf der Website der Publizistikfachschaft hochgeladen. Während des Notbetriebs sei aber auch dieses 70-seitige PDF keine Lösung mehr gewesen, weil es nicht den "Nerv der Zeit" treffe, meint Redakteur Henrik Rampe.
Dabei ist der Gedanke an eine eigene Website alles andere als neu: "Die Idee ist älter als das Virus", gesteht Rampe. Ihm zufolge habe es seit anderthalb Jahren die Überlegung gegeben, eine eigene Website zu erstellen. Doch auch schon vor der Corona-Pandemie sei die Digitalisierung des Magazins eine "Frage von Zeit, Kapazität, Ordnung und Struktur" gewesen und definitiv "nicht der einfachste Weg" zu gehen.
Für Rampe hat sich besonders die Kommunikation in diesem Semester als umständlich erwiesen. Da Redaktionssitzungen aufgrund der Kontaktbeschränkungen vor Ort nicht stattfinden konnten, mussten interne Besprechungen auf Skype ausgelagert werden. Dabei wurden das Konzept, das Layout und die Inhalte der Website mit Vorlauf geplant. Dass man sich physisch nicht habe sehen können, habe seiner Meinung nach die Umsetzung erheblich erschwert und dadurch den Start der Website nach hinten verschoben.
Dagegen hat sich laut Anja Jeitner, Gestalterin und Programmiererin beim Publizissimus, die Gestaltung der Website als "nicht krass kompliziert" herausgestellt. Damit die Redakteur:innen Artikel hochladen können, die dem Design der Druckausgabe gleichen, hat die Programmiererin Erklärvideos zu Designformaten aufgenommen, wodurch Artikel innerhalb weniger Minuten im gleichen Look wie die Website erscheinen.
Im Vergleich zur Printausgabe hat der Publizissimus zum Anklicken, Scrollen und Wischen nun den Vorteil, nicht auf die Zeichenzahl begrenzt zu sein, was in der Vergangenheit mehrmals zum Kürzungsdruck von Artikeln geführt hatte. Während man beim gedruckten Exemplar nicht kurzfristig auf aktuelle Themen reagieren konnte, da vier Wochen vor Druck vom Inhalt bis zum Layout alles stehen musste und "Schnell-Abtippen" schlichtweg ausgeschlossen gewesen sei, habe man nun die Möglichkeit, Infokästen zu füllen, sich durch Bildergalerien zu klicken und Links einzufügen. Dank dieser neuen Funktionen könne man sich insgesamt besser ausdrücken und mehr Informationen vermitteln, meint Anja Jeitner.
Auch wenn Henrik Rampe den Moment vermisst, mit dem eigenen Projekt in den Händen die Druckerei zu verlassen, zeigt er sich sichtlich froh, den Weg Richtung Digitalisierung gegangen zu sein. Denn die vielen Ideen, die während Corona entstanden seien, ließen sich flexibler und intuitiver zum Leben erwecken. Darüber hinaus könne man anhand von Statistiken einsehen, wie oft Onlineinhalte abgerufen wurden. Das trage wiederum dazu bei, die Interessen der Community nachvollziehen und bei künftigen Inhalten stärker berücksichtigen zu können.
Die Printausgabe des Publizissimus ist auch eine finanzielle Belastung: Denn das Kultmagazin wird Studierenden zwar kostenlos zur Verfügung gestellt, jede Ausgabe kostet die Hochschulgruppe aber 1,50 Euro, so Henrik Rampe. So sei in der Vergangenheit auch kein dickeres Cover möglich gewesen und auch die Auflage sei von 1000 auf rund 300 Exemplare zurückgegangen. Bei den Druckkosten wurde der Publizissimus bisher vom Zentralen Fachschaftsrat (ZeFaR) unterstützt, aber grundsätzlich muss er sich durch Gruppenerlöse und Spenden selbst finanzieren.
Henrik Rampe zeigt sich dennoch optimistisch, dass es in Zukunft wieder "Hard Copies" geben wird – allerdings "frühestens, wenn Corona vorbei ist." Ohnehin sei man stolz auf die Entwicklung der Studierendenzeitung. So hat das Magazin in seinen 45 Jahren drei Stufen "von der Schreibmaschine zum Print hin zu Online" durchlaufen. Die Redaktion setzt vorerst dennoch auf Zweigleisigkeit: Denn auch wenn wieder "Hard Copies" möglich sind, soll die Website parallel zum gedruckten Magazin bestehen bleiben und über einen Fundus "zeitlos schöner Artikel" der vergangenen Printexemplare verfügen.
Die Homepage ist dabei dennoch weniger als akute Überbrückung gedacht, sondern ein weiterer, langfristig angelegter Schritt hin zur Online-Präsenz: So stünden etwa die Chancen auf einen TikTok-Kanal, einen Podcast oder ein eigenes Format wie "Publizissimus-TV" Rampe zufolge nicht schlecht, wenn sich eine Person im Team diesen Projekten annehmen wollen würde.
Das bevorstehende Wintersemester 2020/21 wird hybrid, soll also hauptsächlich aus digitaler Lehre, aber auch aus einzelnen analogen Angeboten auf dem Campus bestehen (campus-mainz.net berichtete). Das stellt das Publizissimus-Team vor die Frage, wie man auch weiterhin auf das einzige Studierendenmagazin an der JGU aufmerksam machen und Interessierte dazugewinnen kann. "Den Leuten auf dem Campus kann man ja nicht mehr hinterherrufen", gibt Henrik Rampe zu bedenken. Gleichzeitig wolle man aber betonen, dass der Publizissimus "alles andere als ein PR-Magazin für den Studiengang Publizistik" sei und daher nicht nur Publizistikstudierende am Team teilhaben könnten. Schließlich sei hier keiner dazu da, "um nur das Literaturverzeichnis zu machen", macht Rampe deutlich.
Zwar gehe es dem Publizissimus nicht darum, die größte Reichweite zu erzielen, und man wisse auch um die eigene Stammleserschaft, aber insbesondere die Website biete nun das Potenzial, gezielt Neulinge anzusprechen, sind sich Anja Jeitner und Henrik Rampe sicher. Um eine interaktive Community über das neue Medium aufzubauen und insbesondere Studienanfänger:innen mit Blick auf das Wintersemester anzuwerben, stehen zurzeit eine Rundmail an alle Studierenden der JGU im Raum und auch der Auftritt in diversen Facebookgruppen sei nicht ausgeschlossen. Darüber hinaus werben sie über ihren Instagramaccount für die neuesten Artikel.
Ob digital oder analog: Im jungen Team von bis zu dreißig Personen verzichte man bewusst auf interne Hierarchien und gebe keine zeitgebundenen Kriterien vor, wie z. B. "einen Artikel pro Semester", so Henrik Rampe. Er sieht darin eine Möglichkeit, sich auch abseits von Nebenjobs und Praktika berufspraktisch aufzustellen und in familiärem Umfeld an dem Entstehungsprozess einer Zeitung teilzuhaben. Programmiererin Anja Jeitner schätzt dabei besonders die "Freiheit, sich kreativ auszuleben". Das digitale Format eröffnet hierfür mehr Platz für neue Ideen und altbewährte Rubriken.
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