Das OPEN OHR Festival gibt es bereits seit über 40 Jahren. In den letzten zwei Jahren konnte das Festival aufgrund der Corona-Pandemie nur digital stattfinden, 2022 fand es wieder in Präsenz statt. Das politische Festival beschäftigt sich jedes Jahr in verschiedensten kulturellen Angeboten mit einem spezifischen gesellschaftlich relevanten Thema. Auf dem 48. OPEN OHR Festival dieses Jahr ging es um Steuern. In diesem Rahmen fanden vom 3. bis zum 6. Juni 2022 auf der Zitadelle in Mainz Musikacts, Theateraufführungen, Kabarett, Podiumsdiskussionen und andere vielfältige Kulturangebote statt.
Das Festival bietet nicht nur ein Wochenende Spaß und Festivalstimmung, sondern auch Weiterbildung mit über 100 Referent:innen aus Politik, Kultur, Wissenschaft und Wirtschaft.
Verantwortlich für die Organisation und die Programmgestaltung des Kultur-, Kinder- und- Jugendfestivals ist die Freie Projektgruppe. campus-mainz.net hat sich mit den drei studentischen Mitgliedern Charlotte Seibert, Asya Weißgerber und Marc Heger über den Prozess und die Arbeit hinter den Kulissen des Festivals unterhalten. Also: Ohren auf!
„Wort machen wir alle“
Hört man den Satz „Ich mache Wort“ zum ersten Mal, klingt er etwas seltsam. Was sich aber dahinter verbirgt ist eine der vielfältigen Kleingruppen der freien Projektgruppe, die das Festival gestaltet. Die freie Projektgruppe besteht insgesamt aus elf Mitgliedern, die sich alle ehrenamtlich für das Festival engagieren. Das Team ist sehr jung und kann in jedem Jahr neu zusammengesetzt werden. Die meisten sind zwischen 20 und 30 Jahren alt, erfahrenere Mitglieder seien die Verbindungspersonen bei der Stadt. Gerade diese Personen seien wichtig, um eine gewisse Kontinuität in ein sich ständig veränderndes Team zu bringen, betont Marc.
Die Freie Projektgruppe agiert wie der Name es sagt frei und gehört nicht zur Stadt. „Diese Freiheit ist auch das Schöne am OPEN OHR“, meint Marc. Um ein Festival zu gestalten, braucht es viel Zeit und Organisation. Charlotte erklärt den Anfang aller Arbeit so: „Wir teilen zu Beginn der Saison immer die Sparten auf und bilden dann Kleingruppen die jeweils beispielsweise Musik, Film, Theater oder Kabarett übernehmen. Und dann fangen wir eigenständig in diesen Kleingruppen an zu erarbeiten, wen wir uns vorstellen können, welche Stilrichtungen wir haben wollen, wie wir das Festivalprogramm möglichst rund und vielfältig machen können und jedem etwas anbieten können.“
Charlotte selbst ist in der Kleingruppe „Theater“ und in der Kleingruppe „Wort“ aktiv. Hinter der Kategorie „Wort“ verbirgt sich viel: Hier geht es um die Themenfindung für das Motto des Festivals, das Finden und Planen von verschiedenen Podiumsdiskussionen und Referent:innen. Dazu zählt auch die Ausarbeitung des Themas und des Thesenpapiers aus dem sich dann letztendlich auch die einzelnen Podiumsdiskussionen, Interviews und Lesungen ergeben.
Auch Asya und Marc kümmern sich neben ihren Sparten „Nettigkeiten“, „Film“ und „Theater“ um „Wort“. Generell wird der Teamgedanke in der Projektgruppe großgeschrieben, auch für Menschen wie zum Beispiel Asya, die das erste Mal beim Festival mitmachen: für sie ist das OPEN OHR ein geschützter Rahmen. „Man ist nicht allein gelassen und hat Unterstützung voneinander in der Projektgruppe aber auch von Stadtseiten, so dass man nicht ins kalte Wasser gestoßen wird und plötzlich ein Riesen-Festival auf die Beine stellen muss. Das ist eigentlich echt super einsteigerfreundlich.“
Die Arbeit der Gruppe beschränkt sich allerdings nicht auf diese ohnehin schon sehr vielfältige Arbeit, sondern wird durch mehrere andere Schwerpunkte ergänzt. Darunter fällt etwa Social Media, Kontakt zu Stiftungen, Vereinen, Sponsoren, Infostände oder das Thema Kinderprogramm und Barrierefreiheit. Besonders wichtig sei auch die Öffentlichkeitsarbeit. Es gäbe Kleingruppen und einzelne Verantwortliche, am Ende stünde aber die ganze Gruppe hinter dem Projekt weshalb etwa bei Pressemeldungen, der Erstellung des Thesenpapiers zum Thema des Festivals oder des Programmhefts viel Zusammenarbeit und Absprachen erforderlich seien, erläutert Charlotte.
Wie findet sich ein Thema?
Das OPEN OHR besteht schon seit den 70er Jahren und beschäftigt sich in jedem Jahr mit unterschiedlichen politischen und gesellschaftlich relevanten und umstrittenen Themen. Im Livestream 2021 ging es beispielsweise um das Thema Familie. In diesem Jahr sollte sich nun alles um die Steuern drehen. Wie kam es zu diesem Thema und wie läuft der Themenfindungsprozess ab? Charlotte erklärt: „Wir können alle selbst Themenvorschläge mit einbringen oder welche aus den letzten Saisons noch mit reinholen, die es vielleicht in eine Endauswahl geschafft haben oder besonders beliebt gewesen sind. Und diejenigen, die Themen vorschlagen, arbeiten dann ausführlicher aus, wie das Thema aussehen könnte, was es beinhalten könnte und dann sprechen wir in der Gruppe darüber, loten die Möglichkeiten der verschiedenen Themen aus und entscheiden basisdemokratisch, welches Thema es wird.“ Das Thema Steuern klang für Asya zunächst überraschend für ein Kinder- und Jugendfestival, aber nachdem sich das Team mit dem Thema beschäftigte, sei schnell klar geworden, welche Wichtigkeit es im Leben einnehme.
Speziell für Kinder und Jugendliche bietet die Projektgruppe das Thesenpapier in einfacher Sprache an, das sich kindgerecht dem Thema Steuern nähert und erklären soll, was das Festival bewirken möchte. Alle Projektgruppenmitglieder haben die Möglichkeit, sich intensiv in das Thema einzuarbeiten, das Thesenpapier wird anschließend von einer Kleingruppe erstellt und mit allen abgesprochen. Besonders wichtig ist die Teamarbeit auf dem Festival. Diese wird auch durch zwei Arbeitswochenenden gestärkt, in denen die Projektgruppen sich miteinander und mit dem Thema des Festivals auseinandersetzt. Das Ziel sei nicht gewesen, Steuerexpert:in zu werden, sondern neue Erkenntnisse zu gewinnen und sich mit den anderen auszutauschen meint Asya.
Das Thema Steuern lässt noch vieles offen und das Team zeigt sich als ergebnisoffen. Asya war selbst gespannt, welche Früchte die Podiumsdiskussionen tragen würden. Besonders durch die Publikumsbeteiligung in allen Podien werde ein Diskurs angestoßen und alle werden zum Mitmachen und Diskutieren eingeladen. Laut Charlotte eigne sich das Thema so gut dafür, weil es alle Ebenen unserer Gesellschaft und unser politisches System betrifft. „Darüber lässt sich Umweltschutz, Geschlechtergerechtigkeit, Staat gegenüber Bürger:innen abdecken , darüber lässt sich so vieles machen. Rüstungsausgaben auch, die ja gerade so viele beschäftigen im Zuge des Krieges in der Ukraine. Ich denke darüber können wir viele zum Nachdenken über das politische System, in dem wir leben, über die Gesellschaft, die wir gestalten wollen und auch über die Mittel, die uns zur Verfügung stehen, Steuern eben, anregen.“
„Eins der letzten Festivals seiner Art“
Das OPEN OHR Festival zeichnet sich nicht nur durch Musik aus, sondern hat darüber hinaus ein diverses Kulturangebot. Es existiere bereits länger als die heute bekannteren Festivals wie „Deichbrand“ oder „Rock am Ring“ berichtet Marc und habe zudem seinen festen Platz im Mainzer Stadtbild. Und auch Charlotte meint: „Das OPEN OHR besticht durch seine Spartenvielfalt.“ Im Programm 2022 fand sich etwa neben Yoga ein Konzert von Acht Eimer Hühnerherzen neben dem Theaterstück „Der Fiskus“ und einer Podiumsdiskussion zum Thema „Tax the rich“.
Besonders unterstützt und gefördert wird das Festival vom OPEN OHR Verein, der aus Fans, Freunden und ehemaligen Projektgruppenmitgliedern besteht. „Der Verein hat sich damals gegründet als das OPEN OHR gefährdet war. Weil es gab da immer mal Gegner und da hat sich der Verein gegründet, der sich für den Erhalt des Festivals einsetzt. Immer, wenn es mal Gegenwind geben sollte, steht der Verein dem Festival schützend zur Seite“ sagt Marc.
Das Festival habe schon eine lange Tradition in der Stadt Mainz und entsprechend interessieren sich nicht nur jüngere Generationen für das OPEN OHR. Auch ältere Menschen nehmen das Festival gerne an, für sie gehöre es schon immer zu Mainz berichtet Asya. Weiterhin meint sie, dass diese Breite an Generationen das Festival auszeichne und die tolerante Atmosphäre das Festival zu einem einzigartigen, positiven und friedlichen Erlebnis mache. Auch Charlotte hebt die familienfreundliche, feierliche und ausgelassene Stimmung hervor und freut sich auf die Zitadelle als öffentlich bespielten Ort in Mainz.
Besonders interessant war für die drei studentischen Mitglieder die Perspektive, die Besucher:innen zu beobachten und zuzusehen, wie sie auf das Programm reagierten. Die Zwischenmenschlichkeit spiele hier eigentlich die größte Rolle. Besonders nach dem digitalen Festival, wo viel getan und ermöglicht wurde freuten sich die Fans und Freunde des OPEN OHR Festivals aber trotzdem auf das Wochenende auf der Zitadelle. Den Eindruck erhielt Marc auch über die Verwaltung der sozialen Medien.
Teil des OPEN OHR werden
Die Projektgruppenmitglieder des OPEN OHR arbeiten alle ehrenamtlich und, wie im Fall der Interviewpartner:innen, neben dem Studium. Die drei Studierenden sind sich einig, dass es eine schöne praktische Ergänzung zum Studium darstelle, besonders was die Teamarbeit angehe. Statt alleine im Kämmerchen zu lesen und Texte zu schreiben gibt es jede Woche Sitzungen und eine kontinuierliche Arbeit am Festival. Und am Ende steht nun keine theoretische Arbeit sondern ein Festival, das über 10.000 Besucher:innen anlockt.
Auf dem Festival sind die Mitglieder von morgens bis teils mitternachts vor Ort und betreuen Referent:innen, Künstlerinnen und Teilnehmer:innen. Das Ehrenamt mache es möglich, praktische Erfahrungen neben dem Studium zu sammeln, sich dabei selbst zu entfalten und daran zu wachsen, meint Charlotte. Auch für das nächste Jahr werden neue Mitglieder gesucht, bewerben kann man sich beim Festivalbüro.
Wenn Interesse am Festival besteht rät Asya: „Man kann uns auch immer fragen, man kann das Festivalbüro anschreiben und dann wird man vielleicht weitergeleitet zu einem von uns wenn man sagt man hat Interesse auf die Projektgruppenarbeit, das Interview war jetzt zu kurz um zu wissen, was man da genau macht. Dann kann man sich auch melden und nochmal mehr mit uns reden, weil es ist viel, was man machen kann und man kann es alles gar nicht erzählen.“
Abschließend bleibt nur zu sagen:
„Wir können es nur allen ans Herz legen, Teil des Festivals zu werden. Entweder als Besucher:in oder als Projektgruppenmitglied.“ (Charlotte)
campus-mainz.net bedankt sich bei Asya, Charlotte und Marc für das im Mai geführte Interview.
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