Im Jahr 2019 erfolgte die Verabschiedung des Gute-KiTa-Gesetzes. Der Bund sagte den Ländern damals eine finanzielle Unterstützung von 5,5 Milliarden Euro bis 2022 zu, welche auf die einzelnen Länder aufgeteilt wurden. Ziel waren "Maßnahmen zur Weiterentwicklung der Qualität in Kindertagesbetreuung und die Entlastung der Eltern von Gebühren", wie es auf der Website des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend heißt. Verträge zwischen Bund und Ländern hielten jeweils die individuellen Handlungskonzepte für die Qualitätsverbesserungen der Kinderbetreuung fest.
Rheinland-Pfalz erhielt zu diesem Zeitpunkt 263 Millionen Euro vom Bund. Dies hatte zur Folge, dass zum Beispiel die Zahlungen für die Qualitätssicherung an die freien Träger, d.h. die nicht-öffentlichen Einrichtungen, von 2.500 Euro pro Jahr auf 4.500 Euro erhöht werden konnten. Ebenso unterstützten die neuen finanziellen Mittel dabei, Programme wie etwa "Kita!Plus" ins Leben zu rufen. Dennoch wies das damalige Landesgesetz über die Erziehung, Bildung und Betreuung von Kindern in Tageseinrichtungen und in Kindertagespflegen (KiTaG) Defizite auf, welche mit der Verabschiedung des neuen Kita-Zukunftsgesetzes nun zum 1. Juli 2021 in Rheinland-Pfalz behoben werden sollten.
Auf die Frage, warum das alte Landesgesetz eine Überarbeitung bedurfte, gibt das Ministerium für Bildung Rheinland-Pfalz auf dessen Website unterschiedliche Antworten: So sei zum Beispiel der durchschnittliche Personalschlüssel zwischen den einzelnen Kommunen sehr unterschiedlich. Ziel sei somit, die Personalausstattung auf ein einheitliches Niveau zu bringen.
Ferner werden die neuen gesellschaftlichen Rahmenbedingungen als Grund für eine Gesetzesüberarbeitung genannt. Eltern sollen demnach nun einen Rechtsanspruch auf die Betreuung ihrer Kinder schon ab dem vollendeten ersten Lebensjahr erhalten. Des Weiteren solle eine Neuregelung von Betreuungszeiten eine mögliche Betreuungslücke über die Mittagszeit verhindern. Auch die Eltern selbst und die Kinder sollen als Teil des Kita-Beirats stärker eingebunden und vertreten werden.
Ein weiteres wichtiges Projekt, für welches zusätzliche Gelder bereitgestellt werden sollen, sei das Sozialraumbudget. Dieses sehe vor, gleiche Entwicklungs- und Bildungschancen für alle Kinder zu ermöglichen. Mit Kita-Sozialarbeiter:innen solle demnach auch die Förderung von Kindern aus sozialschwachen Familien gewährleistet werden. Außerdem werde ab jetzt auch gesetzlich Zeit für Leitungsarbeiten beschlossen. Dafür seien ebenso Einstellungen von Verwaltungskräften vorgesehen, welche die Kitaleitung unterstützen. Zuletzt strebt das Kita-Zukunftsgesetz eine Vereinfachung des Finanzierungssystems an und die Einführung eines webbasierten Administrations- und Monitoringsystems.
Die Ziele formuliert Dr. Stefanie Hubig, Ministerin für Bildung des Landes Rheinland-Pfalz, zusammenfassend mit "mehr Qualität, mehr Geld und mehr Gebührenfreiheit". Doch inwieweit konnten diese Schlagworte auch umgesetzt werden? Das Studierendenwerk Mainz, Träger jeweils einer Kita auf dem Campus und dem Gelände der Hochschule Mainz, nimmt dazu Stellung.
So lautete die Aussage der Geschäftsführerin des Studierendenwerks, Frau Diestel-Feddersen, zu dem überarbeiteten KiTaG in der Pressemitteilung vom 17.09.2021. Warum das neue Kita-Zukunftsgesetz zum Sparprogramm wurde, zeige sich laut Studierendenwerk in vielerlei Hinsicht. Waren vorher schon Betreuungskräfte knapp, so fielen jetzt bei gleicher Kinderanzahl in der Kita "Campulino", welche auf dem Gelände der Hochschule Mainz liegt, 3,86 Stellen weg.
Durch die geänderten Personalberechnungen werde der Personalmangel mehr als deutlich, so auch im Montessori-Kinderhaus "Sprösslinge" direkt auf dem Campus. Eine lang geplante Eröffnung zwei neuer Gruppen sei mit dem neuen Gesetz dort nur noch schwer umsetzbar. Bei gleicher Teamstärke würden die Gruppen immer größer, da auch die Nachfrage nach Betreuungsplätzen nicht nachließe.
Die Folge: Für weitere Personalausfälle greifen die Kitas nun auf einen festgelegten Spar-Maßnahmenplan zurück, welcher bspw. Absagen von Ausflügen und Festen sowie die Kürzung von Öffnungszeiten oder auch die Reduktion des Betriebs auf Notbetreuung vorsieht.
Doch nicht nur in diesem Fall seien die genannten Kitas durch das neue Gesetz benachteiligt. So müsse in dem besonderen Fall der Uni-Kitas auch der hohe Anteil internationaler Kinder berücksichtigt werden. Hierbei bedarf es aufgrund unterschiedlicher Sprachkenntnisse, häufiger Kita-Wechsel und damit einhergehender Eingewöhnungen der Kinder eine besondere Betreuung, wofür das Geld derzeit aber nicht ausreiche. Ebenso gäbe es für die Kitas mit dem Studierendenwerk als freien Träger keine kommunalen Zuschüsse. Sachkosten und ein Teil der Personalkosten würden demnach aus den Sozialbeiträgen der Studierenden finanziert.
Im Sommer diesen Jahres startete aus den genannten Gründen eine Petition von 113 Eltern der Kita-Ausschüsse des Studierendenwerks an die Stadt Mainz, welche ebenfalls Unterstützung durch das Autonome Referat der Eltern der Universität erfuhr. In der Petition heißt es, dass mit der neuen Grundpersonalisierung des neuen Kita-Gesetzes das ursprünglich ernannte Ziel, die verbesserte Betreuungsqualität, nicht mehr möglich sei. Es wird die Forderung genannt, die Gelder aus dem Sozialraumbudget der Stadt Mainz als Ausgleich für zusätzliche Stellen zu erhalten, um weiterhin eine gute Betreuung zu garantieren. Das Studierendenwerk bestärkt dieses Anliegen gleichermaßen.
Nach eigener Aussage des Studierendenwerks blieben nämlich Verhandlungen mit Stadtrat und Steuergruppe in der Vergangenheit erfolglos. Das Sozialraumbudget erfuhr in diesem Jahr mit der Gesetzesnovelle eine Erhöhung von 46 auf 50 Millionen Euro und wird um jedes weitere Jahr um 2,5 Prozent dynamisiert. Die Verteilung des zusätzlichen Budgets für mehr Personal und die Jugendämter soll ein Eckpunktepapier festlegen. Laut des Bildungsministeriums Rheinland-Pfalz sei das Geld allerdings vorrangig für die Kitas in benachteiligten Wohngebieten vorgesehen, in denen eine Schwerpunktförderung oder Kita-Sozialarbeit und damit zusätzliches Personal notwendig sei.
Hierbei ginge es nun um eine langfristige Unterstützung und keine temporären Förderungsprojekte. Die Eltern wollen sich mit dieser Antwort nicht zufriedengeben und betonen immer wieder die bereits erwähnten Besonderheiten bei der Kinderbetreuung in hochschulnahen Einrichtungen.
Neben der akuten Lage betont das Studierendenwerk ebenfalls den anhaltenden allgemeinen Fachkräftemangel: Stellen müssten demnach mehrfach ausgeschrieben werden und ein Großteil an Betreuungskräften würde abwandern, da sie in anderen Bundesländern, wie z.B. Hessen, eine bessere Ausstattung und Bezahlung erfahren würden. Zusätzlich stellten Corona-Auflagen die Kitas bis Ende Juni 2021 vor alltägliche Herausforderungen, die keine gewohnte Betreuungsumgebung zuließen.
Ferner wird der Kita-Alltag nun mit der Gesetzesnovelle von der Sorge um die gute Förderung und Vorbereitung der Kinder auf den Schulstart überschattet: "Ohne entsprechende Mittel für Mehrpersonal sind es nach den langen, drastischen Einschränkungen in der Corona-Zeit andernfalls schon wieder die Kleinsten, die zurückstecken müssen", so die Geschäftsführerin des Studierendenwerks Alexandra Diestel-Feddersen.
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