"Midsummer Night’s Reading": Von gelben U-Booten und Wunschkonzerten

07.07.2017
Freizeit
am

Bei der Lesung der Reihe "Neues aus der Werkstatt" lauschte das Publikum den selbst verfassten Texten und Erzählungen von Studierenden der Komparatistik.

Den salzigen Geschmack leckerer Cracker im Mund, ein Glas lieblichen Weißwein in der Hand – so lässt sich das gemütliche Ambiente der alten Mensa genießen. Die Organisatoren haben ganze Arbeit geleistet und den Saal für eine gemütliche und lockere Atmosphäre hergerichtet. Das Programm beginnt mit einer Begrüßung von Marcus Grisse, der die Wiederaufnahme der Veranstaltung angeregt hat und die Zuschauer durch den Abend führt. Zwischen den einzelnen Auftritten der Studierenden sorgen die Jazz-Klänge des studentischen Goodtimes-Trios, bestehend aus Veronika Frisch, Gregor Schor und Leo Ebert, für die passende musikalische Untermalung.

Wenn man immer kleiner wird…

Als erste Autorin startet Veronika Dyks, die Komparatistik und Französisch studiert, mit der Lesung ihrer Geschichte Kleinstadtkind. Dabei berichtet die Ich-Erzählerin Marie von merkwürdigen körperlichen Symptomen, auf die sie sich keinen Reim machen kann: Pickel, Gewichtsverlust und sie scheint sogar zu schrumpfen. Mut findet Marie in ihren Lieblingsschuhen und in den Briefen an ihre Freundin Mona, in welchen sie von ihrer Verwandlung berichtet. Auch Maries Uni-Freunde reagieren verständnislos. Schließlich fährt Marie aus der Haut: "Man kann sich seine Verwandlung nicht aussuchen, zumindest nicht im echten Leben!" Die Erzählung endet mit einem letzten Brief an Mona, auf dessen Rückseite sie eine Rose malt – und die Veronika Dyks den Zuschauern präsentiert.

Kein Witz: Sie sind ein Pferd!

Der zweite Autor ist Felix-Alexander Wollberg, der als gelernter Konditor seine Leidenschaft zur Literatur entdeckte und nun Germanistik und Komparatistik studiert. Er liest zwei seiner Kurzgeschichten vor. In Kein Witz sucht Herr Hermann seine Hausärztin auf, weil er sich seltsam fühlt. Er ist ungelenkig und kann weder richtig stehen noch sich bewegen. Nach umfassenden Untersuchungen stellt ihm seine Hausärztin die Diagnose: "Sie sind ein Pferd." In Ein Wunschkonzert entdeckt Joshua entgegen dem allgemeingültigen Gesetz, das Leben sei kein Wunschkonzert, dass es ebendies doch sein kann.

Der erste Block des Abends endet mit dem Kurzfilm Das Leben schreibt die schönsten Geschichten von Niklas Becker, Student der Filmwissenschaft. Niklas erklärt vorab, der Film sei kurz und ein "Flachwitz". Das ist der Film in der Tat: ein Mann schlendert durch die Straßen von Mainz bis er, abgelenkt durch einen auffälligen Schriftzug im Hintergrund, schließlich gegen eine Laterne läuft  und die Zuschauer praktisch gleich mit, so schnell ist der Kurzfilm schon wieder vorbei. 

Weichenstörung

Den zweiten Block des Abends eröffnet Annika Baumgart, Studentin der Theaterwissenschaft und Komparatistik. Sie liest zwei Kurzgeschichten aus ihrem Leben vor und beginnt mit Abenteuer Bahnfahren. Sie beschreibt die allmorgendliche Odyssee vieler Pendler, die beim wiederholten Drücken der "Snooze"-Taste des Weckers beginnt und über die rasante Fahrt zum Bahnhof schließlich im Ausfall und der einstündigen Verspätung der ersehnten Bahn gipfelt. Als die Bahn auch noch eine Haltestelle vor der Endstation stoppt, bleibt Annika nichts anderes mehr übrig als zu lachen – ebenso wie den Zuschauern, wovon sich sicherlich einige in der Geschichte wiedergefunden haben. Die zweite Geschichte Gelbe U-Boote handelt vom Streit zweier Freunde über "Kleine-Leute-Hasser" und  der Funktion von gelben U-Booten im Krieg.

Brotlose Kunst?

Als letzter Autor liest Hannes Franzke, der sich neben seinem Studium der Politikwissenschaft und Komparatistik, vor allem dem Schreiben widmet, aus zwei Kapiteln seines Romans. Die Handlung spielt in Berlin kurz vor Ausbruch des ersten Weltkriegs. Der Protagonist Emil will sein Glück als junger Autor versuchen, während sein Vater ihn gerne in Uniform sehen würde. Mit seiner "brotlosen Kunst" ist Emil daher eine Enttäuschung für seinen Vater und versucht mit der Unterstützung seines Freundes Jakob, seinen eigenen Weg zu gehen. Der ernste Ton der Geschichte regt zum Nachdenken an, das Publikum spendet anhaltenden Beifall. 

Bevor der Abend zu Ende geht, wird noch ein anonymer Beitrag mit dem Titel Plagiat vorgestellt und von Annabelle Gärtner und Tobias Kock, zwei Mitgliedern der Schauspielgruppe Erika gefällt das, vorgetragen. Der zweite Kurzfilm des Abends, "Waiting in a Van" von Oliver Häfner und Winona Wilhelm, handelt von drei Amateur-Gangstern, die aus den unterschiedlichsten Motiven einen Banküberfall begehen wollen. Entgegen ihrer Intention wirken Pam, Sam und Stan aber ganz und gar nicht gefährlich und bieten einen sehr amüsanten Ausklang für einen gelungenen Abend.

Eine offene Bühne

Neues aus der Werkstatt dient als offene Bühne für Studierende aus den Bereichen Musik, Film und Literatur. Unterstützt wird die Reihe vom Gutenberg-Institut für Weltliteratur und Schriftorientierung, Abteilung Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft. 

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