Mainzer Professor:innen befürworten Segnung von homosexuellen Paaren

03.05.2021
Campus-News
mm, hm

Deutschlandweit sprechen sich Theologieprofessor:innen gegen das Segnungsverbot des Vatikans gegenüber homosexuellen Paaren aus. Auch Professor:innen der JGU Mainz üben Kritik.

Im März 2021 veröffentlichte die Glaubenskongregation des Vatikans ein sogenanntes Responsum ad dubium, zu Deutsch in etwa die "Antwort auf eine Zweifelhaftigkeit", hinsichtlich der Segnung von homosexuellen Paaren. Darin legt sie fest, dass ihre Angestellten für diese Paare von Segnungsfeiern absehen sollen, was umgangssprachlich als Segnungsverbot gilt. 

Familiengründung für Vatikan im Fokus

Denn dem Vatikan zufolge würde eine solche Segnung gleichgeschlechtliche Paaren genauso anerkennen wie heterosexuelle, verheiratete Paare. In den Augen der Kirche könne die Schöpfung und damit die Familiengründung jedoch nur bei heterosexuellen Paaren erfüllt werden. Beziehungen, die keine Lebensweitergabe eröffnen, würden laut Vatikan daher nicht Gottes Plänen entsprechen. Da der Vatikan sich als treuer Interpret und Verkünder der Pläne Gottes sieht, gebe es keine göttliche Vollmacht und damit auch keine kirchliche Fürbitte dafür, diesen Segen auch gleichgeschlechtlichen Paaren auszusprechen.

In der Theologie gilt die Segnung von Paaren als Zuspruch der Aufnahme in Gottes Heilraum und als Zeichen der Hoffnung auf die Kraft Gottes. Wenn der Segen jedoch verweigert wird, werde vor aller Welt deutlich, dass dieser Zuspruch sowie die Hoffnung auf Gottes Kraft verhindert werden sollen. 

Widerstand erreicht Hochschulen 

Das "Nein" des Vatikans löste Empörung unter Theolog:innen, Priestern und Bischöfen aus. Eine Stellungnahme, die von einer Arbeitsgruppe der Universität Münster verfasst wurde, richtet sich gegen das Responsum des Vatikans. Das Leben gleichgeschlechtlicher Paare sei "vor Gott nicht weniger wert […] als das Leben und Lieben eines jeden anderen Paares". Das Verbot der Segnung von homosexuellen Paaren sei diskriminierend und ignoriere wissenschaftliche Erkenntnisse. 

Über 270 Professor:innen der Theologie haben die Stellungnahme bereits unterzeichnet und damit Kritik an der Entscheidung der Glaubenskongregation geäußert. Auch Prof. Dr. Heike Grieser, Prof. Dr. Thomas Hieke, Prof. Dr. Ansgar Franz, Prof. Dr. Konrad Huber, Prof. Dr. Stefan Knobloch, Prof. Dr. Gerhard Kruip der JGU Mainz sowie Prof. Dr. Werner Müller-Geib, Prof. Dr. Eleonore Reuter und Prof. Dr. Clarissa Vilain der Katholischen Hochschule in Mainz haben sich an der Unterschriftensammlung beteiligt.

Tradition gegen Gegenwartswissenschaft

Professor Dr. Thomas Hieke lehrt an der Katholisch-Theologischen Fakultät der JGU in der Abteilung Altes Testament. Er erklärt auf Anfrage, er habe die Stellungnahme unterschrieben, da der Vatikan die Ergebnisse der Forschung zur menschlichen Sexualität in der Humanwissenschaft schlicht "ignoriert oder weggewischt" habe. Allerdings seien diese Forschungen und Ergebnisse von vielen Theolog:innen sogar schon aufgegriffen, geprüft und in die theologische Lehre integriert worden. 

Der Vatikan argumentiere jedoch in einer Weise, dass die Lehre heute unverständlich sei. Durch seine Regelungen, die vor allem jeden Geschlechtsverkehr außerhalb der monogamen, verschiedengeschlechtlichen Ehe betreffen, habe er in früheren Zeiten weibliches Dienstpersonal vor der Übergriffigkeit männlicher Herrschaften schützen wollen, berichtet Prof. Dr. Hieke.

Als gläubiger Christ hinterfragt er auch die Deutungshoheit, die der Vatikan für Gottes Pläne beansprucht: Er hält den Anspruch des Vatikans, die Pläne Gottes genau zu kennen, für "paternistisch und spirituellen Hochmut". Darüber hinaus glaube er nicht, dass sich Gott an die Vorschriften der Glaubenskongregation halte, "fein säuberlich diese veraltete Sexualmoral beachtet" und gleichgeschlechtliche Paare nicht segne, obwohl sie "sich ehrlich und aufrichtig lieben und füreinander Verantwortung übernehmen".

Stattdessen begleite Gott in der Bibel die sich ändernden Lebensverhältnisse der Menschen andauernd und fasse immer wieder neue Pläne, mit den Menschen in Beziehung zu treten. Diese "Anpassungsfähigkeit" Gottes wünsche sich der Dozierende heute auch von der kirchlichen Lehre. Dass diese "Anpassungsfähigkeit" kein Ding der Unmöglichkeit sei, wurde laut Hieke spätestens seit der Abschaffung der Todesstrafe durch Papst Franziskus deutlich. 

Der Vergleich des heterosexuellen Ehesegens als Verhängnis 

Dass der Segen für homosexuelle Paare fälschlicherweise als Analogie oder Nachahmung des heterosexuellen Ehesegens aufgefasst werden könne, empfindet der Mainzer Professor als nicht nachvollziehbar. Eine Verbindung einzugehen, die gegenseitige Unterstützung, Verantwortlichkeit, Wertschätzung und Partnerschaftlichkeit beinhalte, erfordere Gewissheit über die Beziehung - ob diese jedoch homosexuell sei oder heterosexuell auf eine eigene Familie abziele, sei "nicht erheblich", so Prof. Dr. Hieke. "Die Ängste, die aus dem Vatikandokument sprechen, sind unbegründet und vorgeschoben", meint er. 

Mit Blick auf §175 StGB, der von 1872 bis 1994 männliche Homosexualität unter Strafe stellte und es legitimierte, diese zu verfolgen, resümiert er: "Wir wissen inzwischen ja auch, dass niemand 'homosexuell geworden' ist, nur weil der §175 StGB abgeschafft worden ist."

Doch nicht nur im damaligen Recht, auch im Vatikan werde die Homosexualität falsch behandelt, was zu einer menschenverachtenden Haltung führe, beklagt Prof. Dr. Hieke. Das Responsum ad dubium halte insgesamt an alten, falschen Lehren fest, die durch Wiederholung und Einschärfung nicht richtiger werden würden.

In ihrer Stellungnahme ermutigen und betonen daher auch seine Kolleg:innen aus der Lehre: "Wir gehen demgegenüber davon aus, dass das Leben und Lieben gleichgeschlechtlicher Paare vor Gott nicht weniger wert sind als das Leben und Lieben eines jeden anderen Paares."

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