Mainz gegen Rechtsextremismus: „Denn nie wieder ist jetzt.“

25.01.2024
Campus-News, Studium...
jos

Vor einer Woche demonstrierten 10.000 Menschen in Mainz gegen Rechtsextremismus. Warum wurde demonstriert? Wer organisierte die Demonstration? Wie verlief die Demonstration?

300 Menschen waren angemeldet, 10.000 sind gekommen.

Am Donnerstag, den 18.01., demonstrierten auf dem Bahnhofsvorplatz in Mainz nach Angaben der Organisator:innen 10.000 Menschen unter dem Motto „Zeichen gegen Rechts – kein Platz für Nazis“. Angemeldet wurde die Demonstration vom Freundeskreis Mainzer Studierender ca. eine Woche zuvor. Zunächst nur als Kundgebung geplant, entwickelte sich im Laufe dieser Woche der Plan einer ersten Kundgebung am Hauptbahnhof Mainz mit Demonstrationszug zum Staatstheater mit einer zweiten Kundgebung. Zu den Redner:innen gehörten u.a. Malu Dreyer (Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz), Gifty (Flüchtlingsrat Rheinland-Pfalz), sowie Beshrouz Asidi (Haus der Kulturen).

Hintergrund der Demonstration – wieso jetzt?

Am 10.01.2024 veröffentlichte das „Correctiv“ eine Recherche, die aufdeckte, dass AFD-Politiker bekannte Rechtsextreme und Mitglieder der Werteunion sich im November getroffen hatten. Das bestimmende Thema der Zusammenkunft war die Vertreibung von Millionen Menschen aus Deutschland – auch solcher mit deutschem Pass. Seit der Veröffentlichung gab es in ganz Deutschland Demonstrationen gegen Rechtsextremismus. Zu denen erschienen meist deutlich mehr Menschen als zuvor erwartet - so auch in Mainz.

Idee zur Demonstration in Mainz

Zu dem Freundeskreis Mainzer Studierender, die zur Demonstration aufgerufen hatten, gehört auch Jakob. Im Folgenden werden die Organisator:innen beim Vornamen genannt, da sie sich während ihrer Rede bei der Demonstration so vorstellten. Den Hergang, wie es zur Anmeldung kam, erklärt Jakob in einem Interview vor der Demonstration wie folgt: Die Freundesgruppe treffe sich jede Woche. Beim letzten Zusammentreffen habe sie „wie viele andere auch die Veröffentlichung vom „Correctiv“ diese Woche umgetrieben“. Daraufhin hätten sie versucht herauszufinden, ob in Mainz bereits eine Aktion gegen Rechtsextremismus geplant sei, da sie „finden, dass wir als ‚schweigende Mehrheit‘ etwas machen müssen“, hätten aber nichts gefunden.

„Und dann war das so eine Idee, die irgendwie nach ein bis zwei Bier entsteht, wenn man denkt, wir müssten eigentlich was machen und dann haben wir angefangen die Demo zu planen und es ist nicht nur bei der Idee geblieben.“ Mit der Demonstration wollten sie „dieser Wut Ausdruck verleihen und auf diese Ungerechtigkeit aufmerksam machen, die da gerade passiert“.

Planung der Demonstration

Den weiteren Verlauf der Planung fasst Till auf der Demonstration erstmal so zusammen: „Nadia hatte die Demo angemeldet und dann wussten wir aber eigentlich gar nicht, was als nächstes kommt. Wie das geht. Wir hatten auch wirklich nichts. Wir hatten einen Text und wir hatten ein Bild und ganz viele Freunde auf Instagram, die so nett waren, das zu teilen.“

Im Gespräch berichtet Jakob, dass sie dann begonnen hätten, diverse zivilgesellschaftliche und politische Organisationen anzuschreiben, die es in Mainz gibt. Von vielen hätten sie sofort Hilfe angeboten bekommen, sodass sie dann auch Ordner:innen, Technik und eine Bühne zur Verfügung hatten. Er erzählt, dass nach der Ankündigung andere Organisationen auf sie zugekommen seien, die ebenfalls dabei waren, eine Demonstration zu planen.

Daneben kritisierte er jedoch, dass es politische Parteien gegeben hätte, bei denen er sich gewundert habe, dass von ihnen „gar kein Zeichen kommt oder man keine Unterstützung erfährt“.

Kundgebung am Hauptbahnhof

Um 18 Uhr begann die Kundgebung am Hauptbahnhof. Bereits zuvor waren schon so viele Demonstrierende gekommen, dass der Bahnhofsvorplatz nicht mehr ohne Weiters zu überqueren war. Zu Beginn sprachen die Veranstalter:innen.

Eine der Beteiligten, Janina, fasste ihre Stimmung und Beweggründe so zusammen: „Heute vor einer Woche habe ich mich ohnmächtig gefühlt. Heute vor einer Woche war ich wütend. War ich wütend, weil rechte Extremisten Freund:innen, Kolleg:innen und Mitbewohner:innen von mir deportieren wollen und weil ich mich deswegen hilflos fühle“. Die nächste Rednerin, Nadia, führt diese Gedanken weiter und sagt, dass genau deshalb sie „das Gefühl hat unbedingt jetzt handeln […] und sich jetzt zu positionieren“ zu müssen. Ihre Reden erfuhren großen Beifall bei den Zuhörer:innen.

Nach Angaben der Polizei waren während der Demonstration über 5.000 Menschen anwesend, nach Zählungen der Veranstalter:innen waren es 10.000.

Ambivalenz der Redebeiträge

Alle Redebeiträge waren inhaltlich von einer starken Ambivalenz geprägt. Auf der einen Seite sorgte es für Euphorie, dass sich eine so große Anzahl an Menschen verschiedener Altersklassen und mit unterschiedlichen Hintergründen zusammengefunden hatte, um ein Zeichen gegen Rassismus und Rechtsextremismus zu setzen. Doch diese Euphorie wurde begleitet von der Fassungslosigkeit darüber, dass diese Demonstration nötig geworden war und weitere wohl auch erforderlich sein werden.

Malu Dreyer machte deutlich, dass bei dem Treffen in Potsdam eine Gesellschaft geplant wurde, die „wir nicht wollen“, und dass „wir das aus alten Zeiten kennen. Wir haben fürchterliche Erinnerungen daran“.

Forderungen nach klarer Positionierung

Malu Dreyer machte klar: „Seit Potsdam kann gar niemand mehr sagen: Ich habs nicht gewusst, ich wusste nicht, was die [Rechtsextremisten – Anmerkung der Redaktion] da planen.“ Keiner könne sich mehr wegducken. Sie forderte alle auf, sich zu positionieren und das auch kontinuierlich über einen längeren Zeitraum.

Gifty vom Flüchtlingsrat Rheinland-Pfalz verdeutlichte in ihrer Rede: „Lasst uns nicht nur gegen etwas sein, sondern v.a. für eine Gesellschaft eintreten, die sich für die Rechte von Flüchtlingen stark macht, Rassismus bekämpft und die Werte der Empathie hochhält“. Sie hoffe auf eine Gesellschaft, in der Vielfalt als Bereicherung und nicht als Bedrohung empfunden wird.

Franzi von der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft machte mehrfach klar, dass sie als Verband „sich von den rechten Unterwanderungen der Bauernproteste distanzieren“ und sie entsetzt über die „Correctiv“-Berichte seien.

Weitere Kundgebung im Laufe der Demonstration

Die Menschen auf dem Bahnhofsvorplatz setzten sich gegen 18:45 Uhr Richtung Staatstheater in Bewegung. Bis die letzten, die sich dem Demonstrationszug anschlossen, losgelaufen waren, vergingen mindestens 20 Minuten. Zu den Demonstrierenden gehörten auch viele Familien mit Kindern, sowie die unterschiedlichsten Organisationen.

Am Staatstheater folgte die zweite Kundgebung bei der u.a. Beshrouz Asidi (Haus der Kulturen) sowie Philipp Gresch (Schwuguntia) sprachen. Aufgrund der hohen Zahl von Teilnehmenden, waren ihre Reden jedoch nicht über den gesamten Platz zu hören.

Die JGU zu radikalen Bestrebungen

Auf eine Anfrage der Redaktion, ob die JGU sich an ähnlichen Protesten beteiligen wird oder auf andere Art und Weise vorhat, Zeichen gegen Rechtsextremismus zu setzen, erhielten wir eine generelle Positionierung gegen rechtsradikale Ansichten. So heißt es, dass „extremistische und radikale Bestrebungen, antisemitische oder gegen andere Religionsgemeinschaften gerichtete Bestrebungen, ausländerfeindliche und homophobe oder gegen Minderheiten gerichtete Ideologien an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) keinen Platz finden“.

Zudem wurde darauf verwiesen, dass die Universität radikalen Bestrebungen auf dem Gelände der JGU keine Plattform bieten würde und „im Rahmen ihres Ordnungsdienstes beispielsweise gegen Plakatierungen“ vorgegangen werde, die gegen die Grundsätze verstoßen würden. Eigene Kundgebungen sind jedoch offenbar nicht in Planung.

Und jetzt?

Im Interview im Vorfeld sagte Jakob bereits, dass sie hofften, dass es „sowas wie ein Bündnis gegen Rechts in Mainz geben würde“. Ein paar Tage nach der Demonstration teilte er mit, dass aktuell weitere Demonstrationen von anderen Organisationen in Planung seien. Während der Demonstration wurde vom Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) auch das „Bündnis stellt sich quer“ vorgestellt. Der DGB kündigte eine Woche später eine Demonstration gegen Rechtsextremismus für den 03.02. um 12:00 Uhr auf dem Ernst-Ludwig-Platz in Mainz an.

Zudem hatte Jakob selbst bei der Demonstration deutlich gemacht, dass er hoffe, dass sich Menschen fänden, die weitere Demonstrationen planen und dass „wir dann immer noch genauso viele sind… Denn nie wieder ist, glaube ich, jetzt.“

 


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