Latinumspflicht für romanische Sprachen auf Lehramt wird aufgehoben

16.01.2020
Studium, Campus-News
jsc

Wer ab dem Sommersemester 2020 Spanisch, Italienisch oder Französisch auf Gymnasiallehramt studieren will, muss kein Latinum mehr ablegen. Das gilt auch für die Zulassung zu den Masterstudiengängen.

Alle, die ab dem Sommersemester 2020 in Rheinland-Pfalz ihren Bachelor oder Master in Spanisch, Italienisch oder Französisch auf Gymnasiallehramt antreten, müssen kein Latinum mehr nachweisen. Damit werden die Anforderungen von Bachelor und Master of Education in diesen Fächern punktuell an die von Bachelor und Master of Arts angeglichen, weil Letztere bisher kein Latinum brauchten.

"Ich hatte echt Tränen in den Augen, als ich das erfahren hatte", erzählt  Jenny Thorisch, die zurzeit als Teil des Mainz-Dijon-Programms Deutsch und Französisch auf Lehramt studiert. Sie freut sich sehr darüber, in ihrem siebten Bachelorsemester das Latinum hinter sich lassen zu können.  Denn ohne die Reform hätte sie unter Umständen ihren Studienplatz verloren.

Latein bleibt jedoch auch für die Studierenden, die kein Latinum mehr ablegen müssen, ein fester Bestandteil des Studiums: "Wir sind meilenweit davon entfernt, als Romanisten das Latein schlechtzureden oder abzuschaffen", so Prof. Dr. Sylvia Thiele, die Dekanin des Fachbereichs 05, auf einer Informationsveranstaltung am 11. Dezember 2019. So werden Studierende romanischer Sprachen weiter in den Modulen 3, 4 und 7 Latein begegnen – allerdings reicht es nach der Reform, diese Module abzuschließen, um die nötigen Lateinkenntnisse vorweisen zu können. Zusätzliche Lateinkurse müssen nicht mehr belegt werden, auch die Latinumsprüfung ist keine Pflicht mehr.

Wer die Module 3, 4 und 7 bereits erfolgreich abgeschlossen hat, kann ab dem 1. April 2020 beim Prüfungsamt für romanische Fächer einen Online-Antrag stellen, um nachzuweisen, dass die nötigen Lateinkenntnisse vorliegen und ein Latinum nicht mehr nötig ist. Dieser Antrag wird dann vom Studienbüro bearbeitet, es meldet sich allerdings nur bei den betroffenen Studierenden zurück, wenn noch Klärungsbedarf besteht. Wer jenseits des Bachelor und Master of Education noch in der Romanistik promovieren möchte, muss jedoch dafür weiterhin das Latinum vorweisen.

Klärungsbedarf in Sonderfällen

Ein Antrag auf Befreiung von der Latinumspflicht wird auch genehmigt, wenn Studierende schon einmal durch die Latinumsprüfung gefallen sind. Zurzeit wird aber noch geklärt, wie beispielsweise mit Studierenden umzugehen ist, die einen solchen Antrag stellen, nachdem sie im Drittversuch der Latinumsprüfung gescheitert sind.

Auch für das Studienprogramm Mainz-Dijon wird eine Sonderregelung ausgearbeitet, da in dieser Prüfungsordnung kein Modul 7 existiert.  Man zeigt sich entschlossen, weder eine Latinumspflicht für die hier betroffenen Studierenden aufrechtzuerhalten, noch ein neues Modul 7 zu etablieren. "Auch Dijon wird kein Latinum mehr machen", so Prof. Thiele.

Eine weitere Ausnahme wird für all jene Studierende etabliert, die zurzeit sowohl noch im Bachelor als auch schon im Master of Education eingeschrieben sind. Sie müssen nach ihrer bisherigen Prüfungsordnung bis zum 31. März 2020 nachweisen, alle Leistungen im Bachelor abgeschlossen zu haben, auch das Latinum, um nicht vom Master exmatrikuliert zu werden. Haben sie aber bereits die Module 3, 4 und 7 absolviert, können sie im Rahmen dieser Sonderregelung bereits im Januar das Gespräch mit den Studienmanagern suchen, um den Anerkennungsantrag schon vorher auszufüllen.

Kein Bangen um BAföG mehr

Joline Schomisch ist von beiden Sonderfällen betroffen: Sie ist wie Jenny mit Französisch und Deutsch Teil des Mainz-Dijon-Programms, dabei allerdings sowohl im Bachelor als auch im Master immatrikuliert, um weiter BAföG zu beziehen. Auch sie freut sich über die Aufhebung des Latinums: "Ganz vielen Studierenden wird da eine riesengroße Last von den Schultern genommen", so Joline, die auch den fehlenden Bezug des Latinums zum Romanistikstudium beklagt: "Es ist ein Armutszeugnis, dass Leute, die super gut in Französisch, Spanisch oder sonstigen romanischen Sprachen sind, ihr Studium nur wegen des Latinums teilweise nicht beenden können." 

Mit Blick auf die zeitliche, finanzielle und psychische Belastung kann sie auch aus eigener Erfahrung sprechen: Um sich auf das Latinum vorzubereiten, hat sie im Sommersemester 2019 auch eine Hausarbeit geschoben – allerdings hat sie die Prüfung trotzdem nicht bestanden, danach befand sie sich ursprünglich im Drittversuch. Die Befreiung von der Latinumspflicht nehme ihr deshalb auch viel Stress, erzählt sie: Da sie finanziell vom BAföG abhängig ist und diese Mittel an ihre Immatrikulation gekoppelt sind, hätte sie die Prüfung in diesem Semester ablegen und bestehen müssen. Sie frustriert auch, dass ihr die eigenen Lateinkenntnisse für ihr Französischstudium "eher wenig bis gar nichts" gebracht hätten. 

Weniger Stress, mehr Studium

Jenny Thorischs Bilanz fällt ähnlich negativ aus: "Das Latinum hat mich bisher nur Zeit, Nerven und jede Menge Tränen gekostet und somit nur das Studium erschwert. Es war mir auf keinen Fall eine Stütze für meine in den Französischkursen erworbenen Kenntnisse." Stattdessen habe sie für Deutsch und Französisch „nur das Nötigste geleistet“, um sich auf Latein konzentrieren zu können. "Von daher halte ich die Abschaffung auch für sinnvoll und kann echt nur alle beneiden, die jetzt anfangen zu studieren und direkt von Anfang an voll und ganz ihrem Studienfach nachgehen können", sagt Jenny. Auch ihre Regelstudienzeit habe sie durch die Vorbereitung auf das Latinum nicht einhalten können. 

Während ihrer drei Auslandssemester in Dijon hätte sie zwar auch die Möglichkeit gehabt, Lateinkurse zu belegen, allerdings sah sie sich unter anderem von der Übersetzung des Französischen ins Lateinische überfordert. Hätte sie dort eine Prüfung abgelegt, die dem Latinum in Mainz entspricht, wäre diese zudem nur in Dijon und Mainz anerkannt worden. "Deshalb habe ich eigentlich beschlossen, keine Lateinkurse dort zu belegen und einfach auch mal mein Studium dort zu genießen und mich voll und ganz darauf zu konzentrieren", erklärt Jenny. 

Doch auch als sie in Frankreich war, blieb das Latinum präsent: Das lag unter anderem an den Mails des Studienbüros für Französisch, in denen jedes Semester unter anderem danach gefragt wird, wann die Studierenden das Latinum machen wollen – und warum nicht. Jenny hatte angesichts dieser Mails "auch einfach keine Lust mehr, das immer im Hinterkopf zu behalten" und meldete sich damit kurzentschlossen für die Prüfung in Deutschland im März an, ohne einen der nötigen Lektürekurse an der JGU Mainz besucht zu haben. Die Prüfung bestand sie wegen dieser mangelnden Vorbereitung nicht und wäre genau wie Joline jetzt im Drittversuch. 

Mittlerweile hat Jenny  die nötigen Module absolviert und kann mit dem Inkrafttreten der Neuregelung im Sommersemester 2020 ganz regulär mit dem Master anfangen. Jenny freut sich besonders darüber, dass sie jetzt verstärkt ihren eigenen Interessen nachgehen könne. Außerdem habe sie nun "auch mal Zeit […] für Literatur, die vielleicht ein bisschen über den Kurs hinausgeht".

Gemeinsame Anstrengungen haben sich gelohnt

Auf der Informationsveranstaltung zur Zukunft des Latinums am 11. Dezember berichtet Prof. Dr. Sylvia Thiele vom Überzeugungsprozess mit Blick auf die rheinland-pfälzische Landesregierung. Gemeinsam mit Vertreter:innen der Uni Koblenz-Landau und der Uni Trier habe man sich häufig an das Bildungsministerium des Landes gewandt. Zudem wurde im Februar 2018 eine studentische Petition gegen die Latinumspflicht im Lehramt romanischer Sprachen an den Landtag gestellt (campus-mainz.net berichtete). Die Anstrengungen waren letztendlich von Erfolg gekrönt: Die Aufhebung der Latinumspflicht zum 1. April 2020 sei "kein Aprilscherz", so Prof. Dr. Sylvia Thiele.

Gegenüber den versammelten Studierenden gibt sie auch zu: "Das Latinum heißt übersetzt: Man kann Cäsar und Cicero perfekt lesen, übersetzen und sich vielleicht noch zu den philosophischen Inhalten äußern. Auch schön. Ist für die Romanistik aber nur bedingt entscheidend." 

Dass Studierende von Spanisch, Italienisch und Französisch auf Gymnasiallehramt nun einfacher in den Master starten können, wird mit Jubel und Applaus aus den Sitzreihen begrüßt. Auch Joline und Jenny sind erleichtert: Sie können sich in Zukunft voll und ganz auf ihr Romanistikstudium konzentrieren.

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