Latinum ad Latrinam - Abschaffung der Latinumspflicht in Rheinland-Pfalz?

20.03.2015
Studium
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In Nordrhein-Westfalen soll nach einer Petition die Latinumspflicht für Lehramtsstudierende aufgehoben werden. Eine Studierende der JGU sammelt jetzt auch in Rheinland-Pfalz Unterschriften gegen den Zwang zum Latinum.

Das Latinum bzw. Graecum stellt für viele Studierende eine große Hürde dar, weswegen einige einen Studiengang abbrechen oder gar nicht erst beginnen, meint Julia Adams, die an der JGU Französisch auf Lehramt studiert. Bevor man Energie in diese Zusatzqualifikation stecke, sollte man diese lieber seinem eigentlichen Fach widmen oder als Lehramtsstudierende weitere pädagogische Kompetenzen erwerben.  Auch weil sie glaubt, dass ihre zukünftigen Schülerinnen und Schüler nicht von ihren Lateinkenntnissen profitieren würden, hat Adams eine Petition für die Abschaffung bzw. Lockerung der Latinumspflicht in Rheinland-Pfalz gestartet.

Petition gegen „tote“ Sprache

Bis zum heutigen Tag wurde die Petition 635-mal unterzeichnet. Doch die Petentin hofft bis zum Ende noch wesentlich mehr Unterschriften sammeln zu können um die, wie sie es sagt, künstliche Art und Weise, wie Latein am Leben gehalten wird, zu beenden. Im Unterricht gesprochen wird es nicht, vielmehr bestehe dieser aus reinem Übersetzen und sturem Auswendiglernen von Grammatik

Ruf nach Abschaffung nicht neu

Auf die Petition angesprochen erklärt sich Dr. Wolfram Brinker, der Sprachbeauftragte für das Latinum und das Graecum am Institut für Altertumswissenschaften der Uni Mainz, den Ruf nach einer Abschaffung folgendermaßen:

Der Sinn dieser Bildung erschließt sich uns erst und die Lust an dieser Bildung stellt sich uns erst dann ein, wenn wir sie erworben haben. […] Bevor man also nicht zu schwimmen versteht, neidet man ängstlich dem Wasser sein Dasein.

Die Lehrenden der klassischen Sprachen sehen sich dem Argument fehlender Relevanz für die heutige Zeit schon lange ausgesetzt. So ist es wohl nicht verwunderlich, dass diese manchmal auch etwas gereizt auf die wiederholte Forderung reagieren. Doch die Vorsitzende des Deutschen Altphilologenverbandes, Prof. Dr. Sabine Vogt, erläutert, warum aus ihrer Sicht auch bei modernen Sprachen Lateinisch und Alt-Griechisch als wichtige Pfeiler eines fachwissenschaftlichen Hochschulstudiums gelten sollten: „Im Studium der Anglistik oder Romanistik wird eine Durchdringung der Sprache, Literatur und Kultur angestrebt, die selbstverständlich auch historische Dimensionen hat.“ Rund zwei Drittel des Wortschatzes in den entsprechenden Sprachen sind Lehnwörter aus den klassischen Sprachen und Diskurse  unter höher gebildeten Menschen wurde überall in Europa noch bis ins 18. Jahrhundert auf Latein geführt. Nur mit einem eigenen Verständnis dieser nicht mehr gesprochenen Sprachen wäre es möglich diese Grundlagen zu durchdringen, konstatiert die Professorin der Otto-Friedrich-Universität Bamberg.

Nordrhein-Westfalen diskutiert über das Latinum

Im benachbarten Nordrhein-Westfalen wird derzeit hart über die Abschaffung der Latinumspflicht für Lehramtsstudierende gestritten. Die Grüne Wissenschaftsministerin Sylvia Löhrmann sieht in der Verpflichtung ein Bildungshindernis und möchte in diesem Frühjahr eine Reform des Lehrerausbildungsgesetzes vorlegen, welche die Latinumspflicht abschafft.

Den Anstoß zur Debatte hatte der AStA der Ruhr-Universität Bochum in einer Petition aus dem Jahr 2013 gegeben, mit der am Ende über 9000 Unterzeichnerinnen und Unterzeichner die Abschaffung des Latinums forderten. Eine spätere Gegenpetition, die sich für den Erhalt der Latinumspflicht mit einer gleichzeitigen Reformierung der Voraussetzungen für den Erwerb des Latinums einsetzte, schaffte es nur auf gut 3000 Unterschriften.

Zeitaufwand während des Studiums hoch

Auch Dr. Margit Ruffing aus dem Arbeitsbereich Philosophie der Neuzeit an der JGU sieht Reformbedarf beim Vermitteln von soliden Sprachkenntnissen der klassischen Sprachen. Zwar ist sie durchaus der Meinung, dass Latein und Alt-Griechisch Voraussetzung zum Verständnis wichtiger Fachtermini und einem eigenständigen Zugang zu philosophischen Texten klassischer Autoren (nicht nur der Antike) seien, doch sei es schwierig, den nötigen Zeitaufwand in den Bachelor- und Bachelor of Education-Studiengängen zu integrieren.

Anrechnung auf Regelstudienzeit und BAFöG

Damit steht sie nicht allein. Der Altphilologenverband fordert aus diesem Grund, dass die Lehramtsfächer selbst entscheiden sollten, ob ein Latinum notwendig ist oder auch spezifischere Formen von Sprachkenntnissen ausreichend sind. Etwaige Sprachkurse für Studierende, die entsprechende Lateinkenntnisse nicht in der Schule erworben haben, sollten auf die Regelstudienzeiten und die BAFöG-Förderungsdauer angerechnet werden.

Der Lehramtsstudentin Julia Adams geht es mit ihrer Petition auch nicht um die vollständige Streichung von Latein aus dem Lehrplan oder als Voraussetzung für den Abschluss eines Studiums. Auf die entsprechenden Sprachen zugeschnittene Sprachkenntnisse in Latein könnten auch in ihrem Fach Romanistik sinnvoll sein. In Geschichte und Philosophie sei bei der Wahl eines historischen Schwerpunkts das Latinum bzw. Graecum hilfreich, aber nicht zwingend erforderlich. Für sie steht die spätere Berufswahl oder der Anwendungszweck im Vordergrund. Man müsse mit Schülerinnen und Schülern keine Primärtexte lesen, sondern könne genauso gut auf übersetzte Fassungen zurückgreifen. Aus diesem Grund wären gut ausgebildete Altphilologen von Nöten.

Fachschaftsrat fordert Reform

Eine solche Reform wird auch vom Fachschaftsrat Romanistik an der JGU befürwortet: „Statt staatlicher Ergänzungsprüfung sollten Lateinkenntnisse vermittelt werden, die bestenfalls in den Studienverlaufsplan integriert sind.“, erklärt Fachschaftsratsmitglied Carmelina Raffele. Einige Studierende hätten aufgrund der vom Ministerium organisierten und schwierigen Prüfung schon ihren Studienort gewechselt und würden nun in Frankfurt weiterstudieren. Dort ist das Latinum keine Voraussetzung für einen Studienabschluss. 

Latinum an der Uni Trier

An der zweitgrößten Universität in Rheinland-Pfalz in Trier gibt es laut der Studienberatung nur noch wenige Fächer, in denen explizit das Latinum verlangt wird. Meist werden „Lateinkenntnisse“ verlangt, die nicht über staatliche Ergänzungsprüfung, sondern durch eine hochschulinterne Prüfung abgedeckt werden. Eine Reform, bei der Lateinnachweise zur Anrechnung auf die BAFöG-Förderungsdauer und die Regelstudienzeit in die Studiengänge integriert werden, ist nach Aussage von Studienberatungsleiter Guido Käsgen derzeit nicht vorgesehen.

Klassische Sprachen als Voraussetzung für einen Studienabschluss an der JGU

Latinum:

  • Romanische Sprachen (Französisch, Italienisch, Spanisch)
  • Evangelische und Katholische Theologie/Religion
  • Klassische Philologie (Latein/Griechisch)
  • Geschichte und ggf. Philosophie (bei Wahl eines historischen Schwerpunkts)
  • Archäologie (Schwerpunkt christliche oder klassische Archäologie)
  • Musikwissenschaft

Graecum:

  • Griechisch
  • Latein
  • Evangelische und Katholische Theologie/Religion

Genauere Informationen, z.B. zum Zeitpunkt des erforderlichen Nachweises sind in den entsprechenden Studiensteckbriefen auf der Webseite der Zentralen Studienberatung zu finden.

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