Kommentar | Erlebnisse einer Pendlerin

14.06.2023
Campus-News, Studium
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Unsere Redakteurin Maria ist eine erfahrene Pendlerin. Hier schildert sie ihre Erfahrungen: Was sind die Schattenseiten? Warum überhaupt pendeln? Ist das nicht verlorene Zeit? Und lohnt sich das überhaupt?

Frühes Aufstehen, Verspätungen, Zugausfälle, ewiges Warten und fehlende Spontanität – das gehört zu meinem Alltag als Pendlerin. Seit vier Semestern pendele ich nun zur Uni und konnte einige Erfahrung über die Nachteile, aber auch Vorteile sammeln.

Meine übliche Pendelroutine

Ein Seminar um 8:15 Uhr im Philo: Das bedeutet für mich, um 6 Uhr aufstehen und um 6:30 Uhr mit dem Fahrrad zur Haltestelle fahren. Mit der Straßenbahn geht es dann zum Bahnhof in den Zug nach Mainz, der gegen 7:15 Uhr losfährt. Gegen 7:45 Uhr bin ich am Mainzer Hauptbahnhof, fahre mit dem nächsten Bus zur Uni, um dann um 8 Uhr im Philo anzukommen. Mein Uni-Hinweg besteht somit aus Fahrrad, Straßenbahn, Zug, und Bus fahren, wodurch ich anderthalb Stunden unterwegs bin. Zumindest solang alles nach Plan läuft...

Zugverspätungen und Ausfälle

Wenn nicht alles nach Plan läuft und ein Zug Verspätung hat oder sogar ausfällt, heißt es warten, warten, warten. Vor allem im Hochsommer sowie im tiefsten Winter kann das eine Qual sein. An einem Tag kam es sogar mal zu 5 Stunden Verspätung durch Zugausfälle.

Das geht mir auf die Nerven, wenn ich nach einem langen Uni-Tag nach Hause möchte. Noch nerviger ist es, dass ich immer mit eventuellen Verspätungen und Ausfällen rechnen muss. Steht eine Klausur oder Präsentation an, muss ich einen oder zwei Züge früher einplanen, und selbst dann ist meine Pünktlichkeit nicht gesichert.

Keine Partystimmung

Nicht nur durch Verspätungen und Ausfälle von Zügen kommt keine Stimmung auf, sondern auch die Partystimmung bleibt bei mir meist aus – dabei ist es doch ein Klischee, dass Studierende eine Menge Party machen. Als Pendlerin ist es jedoch schwieriger für mich, spontan auf Partys oder andere abendliche Veranstaltungen mit meinen Freund:innen und Mitstudierenden zu gehen. Um nach einer Party nicht spät am Abend oder früh am Morgen allein am Mainzer Hauptbahnhof zu stehen, organisiere ich mir in solchen Fällen einen Schlafplatz bei meinen Freund:innen.

Fehlende Spontanität

Generell habe ich das Gefühl, dass ich durch meine fehlende Spontanität einiges verpasse, denn wenn ich in Mainz wohnen würde, wäre ich durchaus öfter auf dem Campus. Während sich meine Mitstudierenden besser kennenlernen und sich Freundschaften bilden, bin ich oft schon im Zug nachhause.

Sogar die Ausleihe von Büchern kann nicht spontan stattfinden, denn dafür muss ich eine drei- bis vierstündige Tagesreise einplanen. Da überlege ich zwei Mal, ob es sich lohnt ein paar Tage vor der Hausarbeitsabgabe spontan doch noch ein weiteres Buch in der Bib auszuleihen, oder ob ich die Zeit nicht lieber zum Fertigstellen meiner Hausarbeit nutzen sollte.

Warum überhaupt pendeln?

Mit Blick auf die hohen Wohnkosten und die schwierige Wohnungssuche kommt einem das Pendeln jedoch gar nicht so schlecht vor. Die Wohnungsnot der Studierenden in Mainz war in der Vergangenheit schon immer problematisch, berichtete unter anderem das magazin der ub (MUB). Nach MUB verbesserte sich die Lage zwar, nachdem Studierende 1970 gegen Mieterhöhungen rebellierten und ihnen daraufhin mit Sozialbauten und Bauförderungen entgegengekommen wurde, jedoch gab es in den darauffolgenden Jahren wieder die gleichen Probleme. Heutzutage hat sich das Problem der Wohnungssuche aufgrund der Energiekrise verschlimmert, so berichtet SWR Aktuell. Zudem seien die Wohnheime voll und die Wohnungen kaum bezahlbar.

Da ich mein Studium zu Corona-Zeiten begonnen habe, hat es sich am Anfang nicht gelohnt, nach Mainz zu ziehen. Es gab die ersten Semester keine Präsenzveranstaltungen, was zwar schade war, aber so habe ich mir in dieser Zeit das Pendeln erspart. Im Moment ist es für mich günstiger, im Heimatort zu bleiben und zu pendeln. Das Semesterticket ist durch die Semestergebühren sowieso schon bezahlt und stellt eine günstige Alternative zu höheren Wohnkosten in Mainz dar. Mit dem Auto wäre ich zwar schneller an der Uni, jedoch sind die Benzinpreise weitere Kosten, welche ich durch das Semesterticket sparen kann.

Verlorene Zeit?

Obwohl ich durch das Pendeln Geld spare, frage ich mich oft, ob ich mit meiner Lebenszeit bezahle. An einem Tag mit nur einem anderthalbstündigen Seminar verbringe ich mit einer insgesamt dreistündigen An- und Abreise sogar mehr Zeit im Zug als in der Uni. Um nicht das Gefühl von verlorener Zeit zu haben, hilft es mir, während der Zugfahrt etwas Produktives zu machen. Ich habe die Zugfahrten schon oft genutzt, um Texte für Seminare zu lesen und diese vorzubereiten, Lernzettel oder Präsentationsfolien zu gestalten oder an Aufgaben zu arbeiten.

Zudem kann ich inmitten eines stressigen Uni-Alltags eine lange Zugfahrt auch für etwas nutzen, wofür ich mir sonst keine Zeit nehmen kann: eine Serie schauen, ein Buch lesen, einen Podcast oder Musik hören, oder mal gar nichts tun, aus dem Zugfenster schauen und entspannen. Das Gute während des Zugfahrens ist: es gibt in diesem Moment keine alltäglichen Verpflichtungen, welchen ich nachkommen muss. Ich muss nur an mein Ziel kommen.

Lohnt sich Pendeln?

Ob das Pendeln zur Uni sich lohnt, kommt auf mehrere Faktoren an. Die Zugverbindungen nach Mainz und der ÖPNV in der Heimatstadt sollten regelmäßig fahren und gut erreichbar sein, denn wer beispielweise auf einem Dorf wohnt, in welchem der Bus zum örtlichen Bahnhof nur zwei Mal am Tag fährt, hat schlechte Karten. Sollte man keine bezahlbare Wohnmöglichkeit in Mainz oder der näheren Umgebung finden, wäre Pendeln eine gute Alternative.

Möchte man durch das Pendeln Geld sparen, muss man für sich abwägen, ob man dafür seine Zeit opfern möchte. Außerdem sollte man nichts dagegen haben, mehrere Stunden mit diversen Verkehrsmitteln unterwegs zu sein, bei welchen es eventuell auch zu Verspätungen und Ausfällen kommt. Zudem sollte man überlegen, ob es für einen vereinbar ist, wegen fehlender Spontanität möglicherweise etwas vom Studierendenleben zu verpassen.

Für mich lohnt sich das Pendeln vor allem finanziell und an meinen Pendel-Alltag habe ich mich gewöhnt. Zugfahren und unterwegs sein macht mir zudem viel Spaß. Vor allem nach den vielen Corona-Semestern, in welchen mein Uni-Alltag nur darin bestand, vorm Laptop in meinem Zimmer zu sitzen, gefällt es mir umso besser, endlich wieder unterwegs zu sein.

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