Kommentar | "An den Schläuchen"

05.11.2018
Freizeit
lcu

Was ist ein studentisches Symposium ohne studentische Partizipation? Und hat es dann noch eine Daseinsberechtigung?

"Organisation und Partizipation existieren im Zeitalter von Lebenslaufverbesserung und der Spaßoptimierung nicht mehr gemeinsam." – So könnte ein erstes übergeordnetes Fazit des diesjährigen Symposiums des FILMZ-Festival mit dem Titel "Streben gen Westen: Der Platz des Western im deutschen Kino" lauten. Jedenfalls schien sich die Studierendenschaft, die das alles auf die Beine stellt, nur wenig für die eigens ausgewählte Thematik zu interessieren und wenn, dann nur dafür diesen Programmpunkt endlich abzuarbeiten und in das Portfolio einzuarbeiten. Sie blieb erstens (wie üblich) fern und zweitens (wie bekannt) stumm. Kein studentischer Vortrag, kein studentischer Redebeitrag in den an die Vorträge anschließenden Diskussionen, lediglich eine Überzahl an zumeist älteren Herren, die entweder routiniert den wissenschaftlichen Diskurs leicht verdaulich rekapitulieren, sich über hybride Ausformungen des Genres streiten oder/und in Kindheitserinnerungen und Nostalgie schwelgen. Mittendrin die aufopferungsvoll kämpfende Moderatorin Helena Gering und wie immer mehr Helfer als Teilnehmer, denen kaum ein Vorwurf zu machen ist. 

Die bösartige Duftnote  

Und dennoch bleiben Fragen. Wem nützt dieses Schattensymposium noch, außer denen, die das für später und für die Erfahrung brauchen, weil es irgendwo im Programmheft stand? Hat es jemals wirklich stattgefunden oder existiert es nur auf dem Papier? Wie viel Selbstzweck ist noch tolerierbar und wie viel Aufwand darf noch enttäuscht werden? So viel Arbeit ohne Ertrag, das muss wohl das Wunder der Wissenschaft sein und dennoch kann und darf daraus nicht resultieren, dieser Veranstaltung die Maschinen abzustellen, egal wie sehr sie seit ihrer Geburt an den Schläuchen hängt. Es braucht weiter Mut zur Verzweiflung. Denn dem Ideal nach müsste das Symposium das Herzstück des der Wissenschaft nahestehenden Festivals sein. Es ist aber weiterhin nur ihr Blinddarm.

Ist also der Western für ein junges Publikum tot oder ist dieses Symposium unabhängig von seinem Inhalt nur ein weiteres Beispiel für eine systematisch anwachsende Unsitte im universitären Bereich, das gedanklichen Austausch mit Schweigen quittiert und inhaltliches Zusammenkommen mit Abstinenz? Nicht einmal rebellische Gründe einer Ab- und Auflehnung gegenüber institutionellen Zwänge gibt es mehr, sondern nur noch kein Bock. Letzteres, zweifellos, mag stimmen, aber ausgestattet mit einer noch bösartigeren Duftnote. Denn selbst das von Studierenden organisierte wissenschaftliche Podium wird von den selbigen rigoros ignoriert, sodass nicht einmal mehr gesagt werden kann, dass es an den alternden Universitätsstrukturen und den langweiligen Professoren lag, dass niemand da war. Die wissenschaftliche Belegschaft war selbstredend ebenfalls abwesend und an dieser Stelle könnte natürlich eine simple Kopie der Symposiumskritik aus dem letzten Jahr folgen. Aber was bringt ein Murmeltiertext, wenn es sich diesmal doch leider anders verhält. Denn zu allem Überfluss hatte das Symposium auch seine inhaltlichen und ausrichtungstechnischen Probleme. 

Was bleibt

Zu wenige Vorträge bei zu langer Vortragszeit, dadurch zu wenig Themenschwerpunkte und selbst da viel zu viele inhaltliche Dopplungen, die vor allem nichts mit dem jungen deutschen Western des 21. Jahrhunderts zu tun haben, sondern sich in den Cowboy-Shows des 19. Jahrhunderts verwirren oder beim privaten Schmalfilm aus der Heimat stecken bleiben. Kaum bis kein Wort über Andreas Prochaskas Das finstere Tal (2014), der heimliche Aufhänger dieses Symposiums, stattdessen Tom Mix und Luis Trenker. 

Was aber bleibt vom Symposium hängen? Dr. Tullio Hansen-Richter ist bezüglich der Hypothesenbildung am ehesten hervorzuheben, da er in einem Vergleich zwischen Fassbinders Whity (1971) und Thomas Arslans Gold (2013) wagte, von einem "Queering" der beiden Western-Filme zu sprechen –  auf der einen Seite in Bezug auf Rassismus, auf der anderen in Bezug auf Gender. Dr. Thomas Schneider ging aus kulturanthropologischer Perspektive der Frage nach dem kulturellen Transfer zwischen Deutschland und Amerika nach und stellte nicht nur die lange historische Tradition des Western in der deutschen Kultur heraus, sondern auch eine gewisse Formkonstanz im Wiedererkennungswert der Westernbilder. Dr. Thomas Klein hat in Abgrenzung dazu semantische neben syntaktische Ansätze positioniert und so Vorteile unterschiedlicher Lesarten des Western präsentieren können, wenn auch die Ergebnisse der Fallbeispiele entweder zu sehr mit Pressetexten operierten oder zu vage blieben. 

Quo vadis, Filmz-Symposium? Wirkliche Antworten bleiben rar und dies ist die ernüchternde Konsequenz einer, das Festival übersteigende, Gemengelage, die sich ununterbrochen durch die Wissenschaftskultur zieht.

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