Kimgoesöko: Ein Jahr lang ohne neue Kleidung

28.07.2015
Freizeit
aw

BWL-Studentin Kim stellt sich einem besonderen Selbstexperiment. Sie möchte ein Jahr lang keine neuen Klamotten kaufen. Darüber berichtet sie auf ihrem Blog Kimgoesöko.

Wenn man Kim das erste Mal sieht, mit ihrer runden Brille, fühlt man sich fast an die 70er Jahre und die Friedensbewegung erinnert. Ein bisschen alternativ, unangepasst wirkt sie mit Brille, Nasenpiercing und ihrer weiten blauen Hose. 

Kritisch ist Kim auf jeden Fall. Sie macht sich Gedanken über unsere Wirtschaft, unseren Lebensstil und die Folgen, die das Ganze hat, bloggt über Nachhaltigkeit, über Menschenrechte und Umweltschutz. 

Momentan schreibt Kim ihre Bachelorarbeit für ihr International Business Studium. Im Rahmen ihres dualen Studiums arbeitet sie außerdem für ein großes Unternehmen in Frankfurt.

Eine konsumkritische BWL-Studentin also, die sich an ein mutiges Experiment wagt: seit dem ersten Juni 2015 kauft sie keine neue Kleidung mehr, ein ganzes Jahr lang. 

Ist Mode auch kapitalistisch?

Mit dem Thema Nachhaltigkeit ist Kim vor allem durch Arbeit und Studium in Kontakt gekommen. Im vergangenen Jahr war sie beispielsweise für ihr Unternehmen in London und hat dort für ein Nachhaltigkeitsteam gearbeitet, in der Wirtschaft spricht man hier auch von der Corporate Social Responsibilty. 

Mit einer Freundin sei sie einmal spontan auf die Frage gekommen „Ist Mode auch kapitalistisch?“, einstimmig hätten die beiden sofort entschieden: „Auf jeden Fall“. Kim kritisiert vor allem die Schnelllebigkeit der Modeindustrie, die den Menschen regelmäßig vorschreibe, was in ist und was nicht mehr, sodass man immer mehr kaufen müsse. Fast Fashion nennt es Kim. 

„Und da hab ich überlegt, mein Geld nicht mehr in diese Industrie zu werfen, sondern Alternativen zu suchen. Und das ein Jahr lang.“

Das Experiment – Regeln und Alternativen 

Für das Selbstexperiment hat Kim sich einige Regeln aufgestellt. Die Idee ist, ein Jahr lang keine neue Mode zu kaufen. Kleidung von den einschlägigen Größen wie h&m, zara, Mango, etc. möchte sie ausschließlich Second Hand kaufen. Nur bei Unterwäsche und Socken mache sie eine Ausnahme. 

Neue Kleidung ist nicht erlaubt, auch wenn diese über Second Hand-Plattformen wie Kleiderkreisel angeboten wird: „Wenn da noch steht ‚Zettelchen dran’ und es ist in Kleiderkreisel, ist es für mich nicht Second Hand“, erklärt Kim. Zu Second Hand zählt Kim nur Teile, die gebraucht sind. Dadurch werde schließlich der Lebenszyklus des Produktes verlängert. „Das, find‘ ich, ist halt das Coole bei Second Hand“, sagt Kim. 

Neben dem Kauf von Second Hand Kleidung gibt es noch die Möglichkeit zu tauschen. Das probiere sie gerade in ihrem Freundeskreis. „Tauschen ist auch noch nachhaltiger als Second Hand.“ Hier werde Ware gegen Ware getauscht, die ursprünglichste Form des Handelns.

Neben Tauschen und Second Hand hat sie noch eine weitere Möglichkeit, an Klamotten heranzukommen. Erlaubt ist nämlich auch sogenannte Slow Fashion. Diese sei im Gegensatz zur klassischen Modeindustrie weniger saisonal und eher langfristig ausgerichtet. 

Bei Slow Fashion gehe es darum, ein Teil langfristig tragen zu können. Es werde auf Qualität gesetzt. Preislich könnte Slow Fashion Kleidung natürlich nicht mit h&m und Konsorten mithalten.

„Als Studentin muss ich voll drauf achten, dass ich nicht zu viel Geld ausgebe, klar, aber so krass ist es gar nicht. Also man muss halt schon vergleichen, es kostet Zeit.“

Reaktionen aus dem Umfeld

„Meine Mama und meine beste Freundin sind fest der Meinung, dass ich es nicht schaffe“, erzählt Kim lachend. Ihr Umfeld habe unterschiedliche Strategien entwickelt, mit Kims neuem Lebensstil umzugehen.

Ihre Mutter habe aufgehört, in Katalogen zu blättern, wenn Kim zu Besuch ist, und ihre beste Freundin erzähle ihr nicht mehr, wenn sie sich etwas Neues gekauft hat. Grundsätzlich werde ihr Umfeld von der ganzen Sache schon beeinflusst. „Die machen sich da auch Gedanken drüber.“

Die Reaktionen der Leute motiviere sie oft sehr, erzählt Kim. Teilweise werde sie von Freunden, von denen sie lange nichts gehört habe, angeschrieben. „Die schreiben mir und sagen ‚hey, coole Aktion‘“. Gerade über die sozialen Netzwerke fände man schnell Menschen, die ähnlich ticken und einen unterstützen. 

Der erste Monat

Im Juni hat Kim ihr Experiment offiziell gestartet. Allerdings habe sie schon im Mai damit angefangen, nur noch Second Hand zu kaufen. Schon in der kurzen Zeit habe sich ihr Bewusstsein verändert. „Ich denke viel eher drüber nach, ob ich etwas brauche oder nicht.“, sagt Kim.

Wovor sie allerdings noch etwas Angst habe: Kleiderläden. In die traut sie sich noch nicht so richtig rein, sagt sie, aus Angst, dass sie dort etwas entdeckt, das ihr gefällt: „Ich bin einmal kurz reingelaufen und bin da ganz panisch wieder raus, weil ich gedacht habe ‚oh nein, da ist was Schönes‘“.

 „Voll die Öko-Tante“

Obwohl Begriffe wie Nachhaltigkeit und Umweltschutz fast schon Trendworte sind, ist das Wort öko vielerorts negativ konnotiert. Trotzdem nennt Kim ihren Blog Kim goes öko. „Für mich ist es ironisch gemeint. Ich sage immer ‚ich bin voll die Öko-Tante geworden‘“.

Vielleicht sei das Ganze auch nur ein Lifestyle für wenige Jahre, eine neue Strömung nach dem Hipster-Trend, meint Kim. „Dann sehe ich mich schuldig als Opfer der Strömung. Aber es ist eine gute Strömung.“

Bloggen, um andere teilhaben zu lassen

Das Bloggen sei total neu für sie, erzählt Kim. Als campus-mainz sie wegen der Bloggerreihe angeschrieben hat, sei sie überrascht gewesen: „Bisher war mir nicht bewusst, dass ich eine Bloggerin bin.“ 

Um unter der Woche genug Zeit für die Bachelorarbeit zu haben, hat Kim einen festen Tag für ihre Blogposts, die sie auf Englisch und Deutsch veröffentlicht. Jeden Sonntag erscheint ein neuer Eintrag. Sie ist außerdem auf Instagram und Facebook aktiv. Auf Instagram postet sie mindestens einmal am Tag. Das sei dann „Gedankenkotze, so ganz schnell in die Tastatur gehauen, was mich gerade betrifft.“

Natürlich hätte man das Experiment auch nur für sich selbst durchführen können, um sich etwas zu beweisen, ohne Blog. Über den Blog aber habe sie die Möglichkeit, andere zu erreichen, anderen zu zeigen, dass es anders geht, sie zum Nachdenken anzuregen oder vielleicht sogar dazu, selbst etwas zu ändern.

Nach dem Experiment: Kaufrausch oder Bewusstseinswandel? 

Etwa zehn Monate ohne neue Kleidung liegen noch vor Kim. Trotzdem lohnt es sich, jetzt schon mal zu fragen, was eigentlich danach kommen soll. Ein exzessiver Shopping-Marathon am 1. Juni 2016? 

Kim glaubt nicht, dass es ein Problem wird, das eine Jahr zu schaffen. Und auch danach werde sie sicherlich viel bewusster mit Kleidung und Konsum umgehen.

Flohmarkt „Meins für Mainz“

Am kommenden Sonntag, den zweiten August, findet im Kulturzentrum (KUZ) in Mainz ein Kleiderflohmarkt statt, den Kim zusammen mit einer Mitarbeiterin des KUZ organisiert hat. 

„Meins für Mainz“ hat Kim den Flohmarkt genannt. Auch für Verpflegung und Unterhaltung ist gesorgt: Street Food-Stände und Musik machen das Ganze vom reinen Flohmarkt zu einem kleinen Event. Einen Stand kann man übrigens noch am Abend vorher anmelden. 

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