JGU wegen fehlender Transparenz bei China-Beziehungen verklagt

09.03.2021
Studium, Internationales...
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David Missal und die Gesellschaft für Freiheitsrechte verklagen die JGU Mainz. Grund dafür ist, Missal zufolge, die fehlende Transparenz bei seinen Anfragen zu Kooperationen zwischen der JGU und China.

Der Journalist, Sinologe und Menschenrechtsaktivist David Missal hat im Januar 2021 eine Klage gegen die Johannes Gutenberg Universität Mainz eingereicht. Sein Vorwurf: Die Hochschule weigere sich, Auskunft darüber zu geben, für welche Forschungsprojekte sie Drittmittel aus China erhält. Laut §11 des Landestransparenzgesetzes ist sie jedoch dazu verpflichtet.

Kritik an fehlender Unabhängigkeit der Universitäten

Nachdem Anfang 2020 öffentlich wurde, dass an der Freien Universität Berlin eine Professur von China bezahlt wird, fing Missal an, zu China-Kooperationen an anderen deutschen Universitäten zu recherchieren.

Er sieht in der Entgegennahme von Geld aus China zwei Hauptproblematiken. Erstens stehe in den Kooperationsverträgen mit chinesischen Partner:innen oft, dass die entsprechende Universität nicht gegen chinesisches Recht verstoßen dürfen. "Das ist natürlich ein Druckmittel der chinesischen Seite und führt meines Erachtens zu Selbstzensur", so Missal.

Das zweite Problem sieht er in der Entgegennahme von finanziellen Mitteln von chinesischen Firmen wie Huawei. Diese sind internationalen Medienberichten zufolge in die Verfolgung und Unterdrückung der Uigur:innen im Westen Chinas verstrickt. "Deutsche Hochschulen müssen endlich von ihrer Bunkermentalität abrücken. Die Öffentlichkeit hat ein Recht zu erfahren, was in einer staatlichen Institution geschieht", fordert Missal.

Die Gesellschaft für Freiheitsrechte, die seine Klage gegen die JGU unterstützt, setzt sich nach eigenen Aussagen mit rechtlichen Mitteln für die Grund- und Menschenrechte ein und unterstützt ausgewählte Kläger:innen bei ihren Gerichtsprozessen.

Kooperationen der JGU Mainz mit chinesischen Partner:innen

Die durch Missals Klage eingeforderten Informationen über den Umfang der Kooperationen mit China lägen dem Kläger laut der JGU Mainz inzwischen vor. "Die JGU hat damit dem Informationsbedarf des Klägers in dieser Angelegenheit voll umfänglich entsprochen", so die Leiterin der Stabstelle Kommunikation und Presse, Petra Giegerich.

Demnach kooperierte die JGU laut eigenen Angaben mit Huawei bei einem Forschungsprojekt. Dieses Projekt, bei dem ein mathematisches Modell für Datensammlungs- und Datenaufbewahrungssysteme etabliert werden soll, sei aus dem gemeinsamen Interesse der beteiligten Wissenschaftler:innen entstanden. Ca. 95.000 Euro sollen dabei der JGU von chinesischer Seite zur Verfügung gestellt worden sein.

Außerdem gab es eine Kooperation mit Euro-China Deloitte International. Deloitte ist ein internationaler Konzern, der Unternehmen und Institutionen bei der Wirtschaftsprüfung, Risikoberatung, Steuerberatung und Finanzberatung unterstützt. Nach Angaben der Universität wurden dabei seit 2017 jährlich bis zu 2.000 Euro durch die chinesische Seite gezahlt. Bei dem Projekt gehe es um eine Seminarveranstaltung der Evangelischen Theologie der JGU, die sich in den deutsch-chinesischen Rechtsstaatsdialog eingliedere. Dort sollen Werte "deutscher Unternehmenskultur" vermittelt werden.

Bei einer weiteren Forschungskooperation mit dem Beijing Institute of Radiation Medicine sei kein Geld geflossen. Für diese Kooperation wurden der JGU Wirkstoffe aus der traditionellen chinesischen Medizin zur Untersuchung ihrer möglichen cytotoxischen Wirkung bei Krebstherapien zur Verfügung gestellt.

Nach Einschätzungen der Universität selbst "kann von einer Abhängigkeit von chinesischen Geldgebern keine Rede sein", da die chinesischen Drittmittel im Vergleich zum Umfang des Universitätshaushaltes "recht gering" seien: Der Haushalt belaufe sich auf "mehrere hundert Millionen Euro", die Drittmittelzuwendungen auf unter 100.000 Euro.

Den Problemen mit Huawei und deren Verstrickung in die Verfolgung der muslimischen Gesellschaftsgruppe in China sei sich die Universität durchaus bewusst.

Missal bestätigt, dass die Uni mittlerweile die Informationen über die genannten Kooperationen übermittelt hat. Laut eines Berichts im Landtag gäbe es allerdings „zahlreiche Kooperationen“ zwischen der JGU und chinesischen Institutionen. Um herauszufinden, ob weitere Kooperationen bestehen, hält Missal die Klage aufrecht.

Leitfragen mit unterschiedlichem Spielraum

Die JGU fühle sich Giegerich zufolge außerdem an die "Leitfragen zur Hochschulkooperation mit der Volksrepublik China" gebunden, die 2020 in der Hochschulrektorenkonferenz verabschiedet wurden. Die Leitfragen zielen u. a. darauf ab, geistiges Eigentum zu schützen und eine Gleichbehandlung der deutschen und chinesischen Partner:innen zu garantieren.

Auch die politische Perspektive fand hier Gehör: So lautete eine der Leitfragen, ob bei der Kooperation mit einer chinesischen Hochschule oder Wissenschaftseinrichtung staatliche Einflussnahme von chinesischer Seite stattfinden könnte. Auf ein explizites Verbot der Kooperation in diesem Fall verzichtete die Hochschulrektorenkonferenz jedoch. Nichtsdestotrotz bekräftigte sie, dass man sich bei Kooperationen mit chinesischen Partner:innen an die Beschlüsse und Beschränkungen der Bundesregierung halten wolle.

Bundesweite Anfragen und Klagen laufen noch

Um auch jenseits der JGU Informationen über den Umfang der China-Kooperationen zu erhalten, fragte Missal die 100 größten Hochschulen in Deutschland diesbezüglich über das Portal FragDenStaat.de an. Von etwa 80 Universitäten habe er keine Informationen erhalten. Um die Gebühren zu finanzieren, die von den Universitäten für die Anfragen erhoben werden können, startete er ein Crowdfunding-Projekt. Außerdem versuche er, mit Studierendenvertretungen und Abgeordneten im Landtag in Kontakt zu treten, die ihn bei seiner Recherche möglicherweise unterstützen wollen.

Missal zufolge werde es noch einige Monate dauern, bis es im Fall der JGU Mainz zu einer Verhandlung kommt. Er hofft, "dass die Unis durch dieses Projekt ein Stück weit unter Druck gesetzt werden, sich zweimal zu überlegen, ob es ethisch vertretbar ist, Geld von chinesischen Mittelgebern anzunehmen".

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