Interview | "Unipräsident ist man sieben Tage die Woche"

12.12.2016
Studium

Seit 2007 ist Univ.-Prof. Dr. Georg Krausch der Präsident der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU). Doch wer ist eigentlich der Mann, der an der Spitze unserer Universität steht?

Wir haben uns das Jubiläumsjahr der JGU zum Anlass genommen, unseren Unipräsidenten besser kennenzulernen. Im Interview haben wir mit ihm über seine Arbeit, aber auch über die Frage gesprochen, wie man Job und Familie miteinander vereinbart. Außerdem erklärt Krausch, warum Engagement von Studis wichtig ist und er sich manchmal mehr studentischen Protest wünscht.

Daneben haben wir mit dem Präsidenten der JGU natürlich auch über die Entwicklung der Universität in den letzten 70 Jahren gesprochen. Welche Fortschritte es in dieser Zeit gab und wo Unipräsident Krausch derzeit die größten Herausforderungen für unsere Uni sieht, könnt ihr in Teil 1 des Interviews nachlesen. 

Das Interview ist in Kooperation mit Campusradio Mainz entstanden. Das ganze Gespräch zum Anhören gibt es hier

CM: Was machen Sie eigentlich den ganzen Tag?

Univ.-Prof. Dr. Krausch: Meine Kinder fragen mich das auch. Den größten Teil meiner Arbeitszeit verbringe ich damit, mit Menschen zu reden, beispielsweise mit den Dekaninnen und Dekanen der Fachbereiche und den Leiterinnen und Leitern der Institute, mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der zentralen Einrichtungen und der Verwaltung. Ich besuche auch öffentliche Fachbereichsratssitzungen, spreche mit den verschiedenen Gruppen unseres Senats, natürlich auch mit den studentischen Vertretern.

In diesen vielen Gesprächen geht es mir darum zu erfahren, was in welchem Bereich gerade geschieht, welche Entscheidungen anstehen, ob Probleme bestehen. Zum anderen kann ich im Gespräch aber auch für bestimmte Belange seitens der Hochschulleitung werben. Hinzu kommt das Gespräch mit den politischen Verantwortlichen der Landesregierung, denn diese sollen verstehen, was uns hier bewegt. Für uns ist es natürlich auch wichtig, dass wir verstehen, welche Bedingungen im politischen Arbeiten vorherrschen. Nur so können wir realistisch planen.

Und natürlich bin ich als Präsident auch die Vertretung der Universität in der Gesellschaft. Repräsentanz nach außen und das Reden nach innen ist das, was die meiste Zeit einnimmt.

Und was passiert wenn Sie mal gerade nicht reden?

Als Präsident stehe ich der Hochschulleitung vor und leite den Senat. In der Hochschulleitung arbeiten wir im Team mit den beiden Vizepräsidenten und der Kanzlerin. Was ich nicht mache, ist Verwaltung. Wir haben hier einige hundert Leute, die sehr gut darin sind, die Verwaltungsarbeit zu erledigen. Ich könnte das gar nicht – ich bin gelernter Physiker, kein Verwaltungsfachmann.

Bei Physikern denkt man nicht unbedingt an Kommunikationstalente. Doch in Ihrem Job müssen Sie sehr viele verschiedene Interessen und Menschen unter einen Hut bringen. Wie machen Sie das?

Wir haben an der Uni eine Vielfalt von Fachkulturen. Es ist wichtig, sich genau darauf einzulassen. In meinem Fall hieß das zu erkennen, dass nicht alle so ticken wie etwa Naturwissenschaftler, die in ihrer Fachkultur sozialisiert worden sind. Interessanterweise sind übrigens eine ganze Reihe meiner Kollegen von Universitätspräsidenten Physiker. Unser Wissenschaftsminister auch. Offenbar ist es um die Kommunikationsfähigkeiten der Physiker besser bestellt, als man so klischeehaft denkt.

Ihr Key Learning aus 10 Jahren als Präsident?

Ich greife mal einen Punkt heraus. Ganz typisch: Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erleben die Verwaltung meist eher als hinderlich. Ich erlebe die Verwaltung heute als maximal unterstützend für die Arbeit der Universität und auch völlig unverzichtbar. Man lernt die Arbeit derer, die da in der Personalverwaltung, in der Finanzverwaltung, in der Immobilienverwaltung der Universität für uns alle arbeiten, ganz anders zu schätzen.

Wie viele Stunden hat ihr typischer Arbeitstag?

Das Problem dieser Bemessung ist, dass ich eine ganze Reihe von Verpflichtungen habe, die ich beruflich wahrnehme, die aber durchaus einen privaten, persönlichen Charakter haben. Das sind gesellschaftliche Anlässe, die typischerweise abends und am Wochenende stattfinden. Ich weiß, wann mein Arbeitstag beginnt, das ist morgens um halb acht. Wann er aufhört, ist – wie gesagt – ganz unterschiedlich, irgendwann zwischen abends um sechs und sieben oder auch mal um elf oder zwölf. Die Wochenenden sind manchmal frei, manchmal habe ich Termine. 

Man ist einfach Präsident und das ist man – ehrlich gesagt – sieben Tage die Woche. Was aber nicht heißt, dass ich sieben Tage die Woche immer nur arbeite.

Sie sind Familienvater. Sie sind aber auch sieben Tage die Woche Präsident. Wie macht man das? 

Das ist Woche für Woche eine neue Herausforderung. Ich bin im Augenblick sogar alleinerziehender Vater von zwei Kindern. Einer meiner akademischen Lehrer hat mal gesagt, es ist nicht allein eine Frage der Quantität, sondern der Qualität der Zeit, die man mit den Kindern verbringt. Wenn ich bei meinen Kindern bin, dann bin ich bei meinen Kindern. Dann ist das Handy aus und auch der Rechner läuft nicht.

Meine Kinder sind zwölf und dreizehn Jahre alt und da sind sie an der Grenze, wo es nett ist, wenn ich zuhause bin, und auch, wenn ich mal nicht da bin. Ich habe kürzlich zwei Studentinnen eingestellt, die hin und wieder abends ein paar Stunden da sind und mit den Kindern essen, spielen, auch mal Hausaufgaben erledigen. Aber es bleibt eine Herausforderung.

Im Vergleich zu den früheren Jahren sind Studis heute nicht so auf Krawall gebürstet. Würden Sie sich mehr politisches Engagement von den Studierenden wünschen?

Diesen Spruch "Früher war alles besser" gibt es nachweislich seit mehreren tausend Jahren und er zeigt nur, dass diejenigen, die das sagen, alt geworden sind. Insofern bin ich immer vorsichtig, das zu sagen.

Bei jeder Erstsemesterbegrüßung lege ich den Studierenden nahe, nicht mit Scheuklappen zu studieren, sondern offen zu sein für das, was der Campus sonst noch bietet. Es muss kein hochschulpolitisches Engagement sein, wir haben auch viele kulturelle oder sportliche Möglichkeiten und vieles mehr. Aber es kann natürlich auch die Mitwirkung in der Hochschulpolitik sein – das ist ganz wichtig. Und in der Tat, an der einen oder anderen Stelle in den vergangenen Jahren hätte ich mir gewünscht, dass die Studierenden mal etwas lauter gewesen wären. Aber das ist letztlich Sache der Studierenden selbst.

Haben sie ein konkretes Beispiel?

Wenn ich aus Brandschutzgründen den Bücherturm der Zentralbibliothek sperren muss, weil ich die Verantwortung für die Sicherheit aller Nutzerinnen und Nutzer trage, dann dürfen Sie sich sicher sein, ich weiß, was es bedeutet, wenn ich das in der Hausarbeitszeit mache. Es hilft nur nichts, ich habe dafür Sorge zu tragen, dass niemand – weder Studierende noch Mitarbeiter – auf dem Campus zu Schaden kommen. Wenn mir etwa Brandschutzmängel im Bücherturm schriftlich bekannt gegeben werden, muss ich handeln. Überraschenderweise haben die Studierenden die Sperrung relativ gelassen genommen.

Wir hatten einmal einen Flashmob im Sommer unten vor der Tür (Anm.: Forum), der war seitens der Veranstalter sogar in den sozialen Medien angekündigt. Insofern war es kein echter Flashmob, was den Vorteil hatte, dass wir im Vorhinein eine mobile Lautsprecheranlage organisieren konnten. Die Lautsprecheranlage haben wir dann aber nicht wirklich gebraucht, denn es kamen nur 15 bis 20 Studierende.

Damals ging es um die konkrete Bibliothekssituation im Georg Forster-Gebäude für die Studierenden der Kunstgeschichte. Wenn dann von der Zeitung jemand vorbeikommt und findet lediglich eine Handvoll Studierende vor, schafft es das Thema meist nicht in die Zeitung. Wenn da 200 Studierende protestiert hätten, wäre das ein lohnenswertes Bild für die Medienberichterstattung gewesen. Insofern kann ich die Frage mit "Ja" beantworten: Hin und wieder wäre ein bisschen mehr studentische Stimme hilfreich für die Weiterentwicklung der Universität.

Die Uni Mainz ist in diesem Jahr 70 Jahre alt geworden. Wo sehen Sie sich an Ihrem persönlichen 70-jährigen Jubiläum?

Ich würde sagen, ich sehe mich in Mainz, weil es mir hier sehr gut geht. Ich sehe mich hoffentlich umgeben von erwachsenen, selbstständigen, selbstbewussten Menschen, die meine Kinder sind. Ich sehe mich hoffentlich bei guter Gesundheit. Ich sehe mich, Stichwort Ehrenamt, vermutlich in der einen oder anderen ehrenamtlichen Tätigkeit, die dem Berufsleben folgt, wenn man solche Tätigkeiten, wie ich gerade mache, ausübt.

Teil 1 des Interviews findet ihr hier. 

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