Interview | Musical Inc.

21.05.2022
Freizeit
hb

Die Pandemie hat den Alltag der Theatergruppen an der JGU auf den Kopf gestellt. Mitglieder der "Musical Inc." reden mit campus-mainz.net über Online-Proben und das Bangen um die Aufführungstermine.

Im Verlauf der Pandemie mussten sich die Studierenden der Johannes Gutenberg-Universität mal mehr und mal weniger einschränken. Bestimmte Gruppen auf dem Campus wurden durch die, sich ständig ändernden, Hygienemaßnahmen jedoch besonders schwer getroffen – darunter die Theatergruppen. Anstelle regelmäßiger Proben auf dem Campus und Aufführungen im P1 stand für die Mitglieder vor allem ungewisses Warten auf dem Programm.

Eine der ältesten und größten Theatergruppen an der JGU ist die "Musical Inc.". Svenja Drewitz ist seit 2013 Teil der Gruppe, Katharina Schäfer seit 2010. campus-mainz.net hat im März mit den beiden ehemaligen Studentinnen darüber gesprochen, wie die Mitglieder der "Musical Inc." die letzten zwei Jahre erlebt haben, was sie in dieser Zeit realisieren konnten und wie die Vorbereitungen für die Premiere ihres neuen Stücks am 10. Juni vorankommen. 

Seit wann gibt es die "Musical Inc."?

Svenja: Seit 1993 gibt es die Gruppe, der Verein wurde dann später gegründet. Am Anfang gab es noch keine jährlichen Produktionen, das hat sich erst später etabliert. Unser Ziel ist, eine volle Produktion auf die Beine zu stellen. Also weniger eine Revue oder Liederabendzusammenstellung, sondern ein komplettes Stück aufzuführen.

Wie viele aktive Mitglieder seid ihr?

Svenja: Wir sind im Cast um die 40 und dann kommt das Orchester dazu, sowie Helfer und Team. Wir sind also wirklich eine sehr, sehr große Gruppe. 

An welchem Projekt habt ihr vor der Pandemie gearbeitet?

Svenja: Das letzte abgeschlossene Stück war "Nine to Five". Da war ich dabei, Kathi nicht. Es hat sehr viel Spaß gemacht. Wir hatten 14 Shows im P1, die waren auch zum Großteil ausverkauft. Das war im Mai/Juni 2019. Vor Beginn der Pandemie haben wir schon an unserem jetzt wieder aktuellen Stück "Made in Dagenham" gearbeitet.

Wie viele aktive Mitglieder waren auch schon vor Beginn der Pandemie Teil der Gruppe? Wie viele studieren noch?

Katharina: Vom Cast sind 13 von 40 Leuten nicht mehr dabei. 27 haben also schon vorher für "Made in Dagenham" mitgeprobt. Gefühlt die Hälfte studiert noch. Vor allem von den Neuen sind fast alle Studis. Der Anteil an Berufstätigen ist höher, da viele innerhalb der letzten Jahre auch fertig mit dem Studium geworden sind und jetzt arbeiten. 

Svenja: Im Orchester sind glaube ich ein paar nicht mehr dabei. Aber es ist schwierig zu sagen, weil es so eine riesige Gruppe mit unterschiedlichen Ressorts und Helfern ist. 

Katharina: Gefühlt ist die Mehrheit noch da. Und die, die im Cast nicht mehr dabei sind, sind auch nur nicht mehr dabei, weil sie beruflich weggegangen sind oder Kinder bekommen haben. 

Apropos neue Mitglieder, wie läuft die Rekrutierung neuer Leute in der Pandemie?

Svenja: Wir haben das Stück "Made in Dagenham" wieder aufgegriffen und haben ein Nachcasting gemacht. Wir hatten nur 13 Rollen zu besetzen und der Andrang war sehr groß. Da hatten wir also keine wirklichen Probleme. Sogar sehr viele Männer waren da, was sehr gut gepasst hat, weil wir viele Männer im Cast gebraucht haben.

Katharina: Der Hintergrund für das Nachcasting war, dass wir das Stück vorher schon komplett besetzt hatten und dann im März 2020 für eineinhalb bis 2 Jahre unterbrechen mussten. Und dann ist eben in der Zwischenzeit bei einigen Leuten viel passiert.

Das heißt, dass ihr vor Beginn der Pandemie schon mit allen Proben fertig wart?

Svenja: Genau. Wir waren eigentlich schon fast fertig mit den Proben. Die Aufführungen waren für Mai/Juni 2020 geplant.

Zeitreise ins Frühjahr 2020

Wie konnte man sich vor der Pandemie eure Proben bzw. euer Miteinander als Gruppe vorstellen?

Svenja: Normalerweise proben wir im P1 oder in Absprache mit der Raumvergabe in anderen Räumen auf dem Campus. In der Regel war es dann schon so, dass eine kleine bis größere Gruppe nach den Proben noch in den Baron gegangen ist, um noch etwas zu trinken. Also, eigentlich regelmäßig mittwochs nach unserer Ensembleprobe. Ansonst hatten wir auch im Vorfeld der Aufführungen Kuchen- oder Glühweinverkäufe auf dem Campus. 

Wie hat die Gruppe den Beginn der Pandemie erlebt?

Svenja: Ich glaube, es war für uns beide ein bisschen unterschiedlich. Wir sind jetzt beide im Produktionsteam und damals war nur ich im Produktionsteam. Es war sehr stressig, weil für mich ein sehr hoher Druck da war. Ich muss dazu sagen, dass ich in einer Senioreneinrichtung arbeite und daher schon relativ früh Kontakt mit dieser ganzen Geschichte hatte, was mir einen besseren Überblick gab. Und ich erinnere mich, dass wir am Anfang gesagt haben: Wir halten jetzt mal ein bisschen Abstand und bringen Desinfektionsmittel mit. Aber es war noch nicht in den Köpfen der Leute angekommen, weil Abstand halten in unserer Gruppe auch einfach nicht funktioniert. Es funktioniert nicht gut und es ist auch nicht schön. Wir haben also quasi normal weitergemacht. Und dann hatten wir unseren Fototermin und die Woche danach haben wir die Besetzung festgelegt.
Am Tag vor unserer ersten Sitzprobe, dem ersten Mal, dass Cast und Orchester zusammenkommen, mussten wir unterbrechen. Das war eine schwierige Entscheidung, aber wir haben sie getroffen, bevor der Lockdown kam, weil wir gesagt haben, dass wir nicht verantworten können, dass 70 Leute zusammen auf engstem Raum sind. Aber auch mit dem Hintergrund, dass wir bis zum Ende der Osterferien pausieren und dann wieder weitermachen können, was jedoch nicht passiert ist. Ich weiß nicht, wie es im Cast ankam, weil wir im Team natürlich viel diskutiert haben.

Katharina: Zu der Zeit hat man das alles noch nicht wirklich ernst genommen, weil es vorher zum Beispiel Schweinegrippe, Vogelgrippe etc. gab, das irgendwann mal kam und dann schnell wieder weg war und einen persönlich nicht getroffen hat. Und so habe zumindest ich das damals auch erwartet. Und dann waren wir bei dem Fototermin und Svenja ist mit Desinfektionsmittel rumgelaufen.
Wir dachten nur: Ja, ja, ist okay, wir machen das. Wir dachten halt wirklich, dass es in drei Wochen wieder vorbei ist. Und dann kam am Abend vor der Sitzprobe die Mail, das die Probe ausfällt und wir verfrüht in die Osterferien starten, also vier statt zwei Wochen frei haben. Und daraus sind letztlich zwei Jahre geworden. 

Wie habt ihr dann weiter gemacht?

Katharina: Wir sind relativ schnell online zusammengekommen und haben versucht, herauszufinden, wie man online kommuniziert. Zuerst über Skype, das hat semi-gut funktioniert. Irgendwann haben wir Zoom für uns entdeckt. Dann haben wir mit 40 Leuten Zoom-Meetings gemacht, weil wir gegenseitig Support gebraucht haben. Man hat im Cast nicht so viel mitbekommen von dem, was das Team intern bespricht, wir haben also nur das Endergebnis gesehen. Und das war dann die Entscheidung: Wir setzen aus. Kurz darauf hätten wir das von offizieller Seite eh gemusst, weil der Lockdown kam. Das war nicht schön. An irgendeinem Tag, ich glaube als alle möglichen Events wie Olympia und die Fußball WM abgesagt wurden, saß ich auf der Couch und hab nur an die Wand gestarrt, weil ich überhaupt nicht wusste, was gerade abgeht. Daraufhin sind wir gefühlt alle zwei Tage in einem Zoom-Meeting aufgetaucht und haben dort versucht, Gemeinschaft zu finden. 

Svenja: Wir haben am Anfang – so April/Mai – versucht, online zu proben, weil wir dachten, dass wir vielleicht ab Herbst wieder einsteigen können. Das haben wir irgendwann gelassen, weil es nicht danach aussah, als ob wir wieder starten könnten. Dann haben wir andere Sachen gemacht.

Wie zufrieden seid ihr mit den Vorgaben, die euch die Uni in den letzten beiden Jahren bezüglich Proben und Auftritten gemacht hat?

Svenja: Schwierig. Also das hat uns vor die ein oder andere Krise gestellt. Nachdem die Uni das Go gegeben hatte, haben wir im Herbst letzten Jahres bei allen Beteiligten nachgefragt: habt ihr noch Bock, wollt ihr was anderes machen, wie sieht es aus? Und daraufhin haben wir gesehen, dass viele "Made in Dagenham" machen wollen. Und dann mussten wir gucken, wer kann im Team mitwirken. Das Nachcasting war dann auch relativ kurzfristig und ich glaube die erste Probe sollte Anfang Dezember sein. Und am Vorabend des Castings kam von der Uni die Rückmeldung, dass Hochschulgruppen keine Räume mehr bekommen. Das war sehr schwierig, weil wir in dem Moment überhaupt nicht wussten, wie wir damit umgehen sollten, ob wir das Casting machen sollen oder nicht, weil wir dann auch nicht hätten proben können. Wir haben uns dann entschieden, das Casting durchzuziehen, aber vorher zu kommunizieren, dass wir nicht wissen, was daraus wird. Und trotzdem haben alle sehr motiviert mitgemacht. Wir haben auch das Glück, dass wir über ein Mitglied große Räumlichkeiten für relativ wenig Geld anmieten konnten. Das geht natürlich auch in die Geldreserven. Im Voraus hatten wir schließlich geplant, in die Räumlichkeiten der Uni zu gehen. Die Vorgaben waren aber relativ streng, insbesondere im GFG wäre das aufwendig gewesen. Es ist allgemein schwierig, weil in der Uni jedes Gebäude mit den Raumvergaben unterschiedlich organisiert ist. Und wir hoffen einfach, dass wir jetzt bald wieder an der Uni starten können. Bei den Vorgaben, die wir uns selbst machen, sind wir strenger, als wir es eigentlich sein müssten. Wir haben von Anfang an gesagt, dass alle, die mitmachen wollen, geimpft sein müssen. Und wir haben auch immer eine Testpflicht für die Proben. 

Und wie sah es mit den Proben aus?

Svenja: Wir haben auch mal innerhalb des Teams versucht, Chorproben über unterschiedliche Tools zu machen. Das hat aber gar nicht funktioniert und daher haben wir uns dann auch dagegen entschieden. Letztes Jahr im August haben wir einen Liederabend in Präsenz gemacht, das war das Erste, was wir uns wieder getraut haben. 

Habt ihr weiterhin Zeit miteinander verbracht? Wie lief das Teambuilding unter Pandemiebedingungen?

Svenja: Eine große Herausforderung war es, Mitgliederversammlungen online zu machen. Das hat aber super funktioniert und ich weiß auch nicht, ob wir das jemals noch mal anders machen werden. So konnten natürlich auch Leute teilnehmen, die nicht in Mainz wohnen. Das war natürlich erst einmal ungewohnt, hat aber gut funktioniert.
Normalerweise haben wir immer eine große und legendäre Weihnachtsfeier, die aber nicht stattfinden konnte. Und dann haben wir uns eben spontan überlegt, was wir stattdessen machen können und haben 2020 eine Online-Weihnachtsfeier für alle Vereinsmitglieder organisiert. Viele Ehemalige sind noch Teil des Vereins und deutschlandweit verteilt, kommen für die Weihnachtsfeier aber wieder nach Mainz. So haben wir ein Onlineprogramm gemacht und die Resonanz war sehr gut. Wir haben zum Beispiel Wichteln gemacht und dann Pakete nach Berlin oder so geschickt. Und dann haben wir allen Mitgliedern noch einen Kalender mit alten Bildern gemacht und zugeschickt. Die Online-Weihnachtsfeier kam extrem gut an, sodass wir uns seit Januar/Februar 2021 immer einmal im Monat online getroffen haben, um alte Clips von Vorführungen oder Ähnlichem zu gucken. Die Resonanz war da auch sehr gut und danach haben sich immer größere Gesprächsrunden entwickelt. 

Katharina: Es hat erstaunlich gut funktioniert. Man denkt immer, in so einem Zoom-Meeting kommt keine Partystimmung auf, aber es war, als wenn man gemütlich zusammensitzt, nur über ganz Deutschland verteilt. 

Premiere nach zwei Jahren Warten

Wie laufen die Vorbereitungen zu "Made in Dagenham" im Moment?

Katharina: Von unserem eigenen Ablauf gut. Wir haben jetzt Aufführungstermine geplant, in der Hoffnung, dass die Uni uns irgendwann wieder reinlässt. Aber dadurch, dass wir die Möglichkeit hatten, andere Räumlichkeiten abseits vom Campus zu kriegen, hatten wir die Chance, wirklich zu proben. Wir kommen gut voran, die Leute sind motiviert, die Stimmung ist gut. Wir haben hin und wieder vereinzelt Fälle gehabt, auch im Cast, wo die ein oder andere Probe aus Quarantänegründen ausgefallen ist. Aber insgesamt sind wir von unserer Seite her ganz zuversichtlich, es hängt halt wirklich von den Räumen ab. 

Svenja: Ich denke auch, dass wir ganz gut dabei sind, auch wenn es stressig wird, weil wir weniger Zeit haben. Aber sonst läuft es ganz gut.

Wann sind die Aufführungstermine?

Svenja: Mit dem Theaterausschuss wurden Termine vergeben. Da kommen immer alle Theatergruppen zusammen und dann wird das P1 verteilt. Das ist immer etwas schwierig, weil natürlich jeder zu seiner Lieblingszeit rein möchte und wir immer einen sehr großen Block an Zeit brauchen, damit sich das für uns rechnet. Aber das hat super funktioniert. Die Termine haben wir schon, jetzt brauchen wir nur noch die Zusage von der Uni und die Ansage, wie viele Zuschauer wir rein lassen dürfen. Die Premiere ist am 10. Juni, wir planen aktuell mit 14 Shows bis zum 25. Juni. Das ist ein sehr enger Zeitraum für uns, was aber auch auf Corona zurückzuführen ist, weil jetzt natürlich noch mehr Theatergruppen reinwollen als vorher. Das wird sehr straff, aber wir freuen uns, wenn das funktioniert.  

Katharina: Wir hatten zwischendurch überlegt, ob wir woanders hingehen können, das war aber auch schwierig. Erstens von den Gegebenheiten her, weil wir ganz spezifische Anforderungen haben: wie groß die Bühne sein muss, wie viele Räume es neben der Bühne geben muss und so weiter. Und da gab es nicht so viel, was das erfüllt hat und was wir uns hätten leisten können, weil die Miete dann doch sehr teuer ist. Daher sind wir aktuell sehr froh, dass wir zurück ins P1 können. Es ist auch einfach Tradition und wir sind schließlich auch eine Hochschulgruppe und sollten auf dem Campus aufführen. Daher hoffen wir das Beste und freuen uns, dass wir hoffentlich bald rein können. Die neuen Leute waren zum Beispiel noch gar nicht hinter der Bühne, das wird dann sehr spannend für sie.  

Svenja: Wenn man so eine aufwendige Produktion macht und immer über die nicht vorhandenen Möglichkeiten im P1 meckert und wenn man dann anfängt eine Alternative zu suchen, denkt man es ist doch ganz gut, was man dort hat. 

Katharina: Schon allein, dass der Zuschauerraum ansteigende Reihen hat, das finde ich großartig. Es gibt nicht viele Locations, die das außerhalb professioneller Theater haben. Wir waren letztens in einer Aufführung, bei der der Raum flach war und da merkt man schon den Unterschied. Dann sitzt man als Zuschauer da, der Vordermann bewegt sich, man bewegt sich mit, um noch was zu sehen und das ist im P1 kein Problem. Worst case ist aktuell, dass zwei Tage vor der Premiere Corona umgeht. 

Gibt es schon Pläne für Eure nächste Produktion?

Svenja: Normalerweise ist es so: Die Produktion ist beendet und es wird ein neues Team gesucht. Und das Team kümmert sich dann ums neue Stück. Wir sind jetzt ein bisschen später im Zeitplan als sonst. Es kann also sein, dass wir das noch parallel machen müssen. Aber das liegt noch in der Ferne.  

Campus-mainz.net bedankt sich bei Svenja und Katharina für das im März geführte Gespräch. Zum heutigen Stand, dem 21. Mai, dürfen die Theatergruppen wieder auf dem Campus proben. Für das Stück "Made in Dagenham" findet im Moment der Vorverkauf statt.

Campus Mainz e.V. unterstützen!

Campus Mainz e.V. ist ein gemeinnütziger Verein und die meiste Arbeit ist ehrenamtlich. Hilf uns dabei auch in Zukunft tolle Dienste für alle kostenlos anzubieten. Unterstütze uns jetzt!