Interview| Mainzer Studentinnen im Deutschen Bundestag

02.01.2018
Studium, Arbeit

Entwicklungspolitik, Bildungspolitik und Fraktionsarbeit: Die Politikwissenschaftsstudentinnen Sarah, Kim und Selina haben Praktika im Deutschen Bundestag in Berlin gemacht. Campus Mainz hat mit ihnen gesprochen.

CM: Wie kommt man an einen Praktikumsplatz im Bundestag? Kann man sich einfach bewerben?

Selina: Frau Lips, in deren Büro ich war, ist die Bundestagsabgeordnete meines Nachbarwahlkreises und ich hatte sie vor drei Jahren für meine mündliche Abiturprüfung in Politik und Wirtschaft um Informationen gebeten. Damals hatte sie mir gesagt, dass sie Praktika in ihrem Berliner Büro anbietet. Letzten Herbst habe ich mich dann beworben und den Platz bekommen.

Sarah: Man kann sich bei Abgeordneten bewerben, meist werden Praktikanten genommen, die aus dem Wahlkreis sind. Allerdings sind Kontakte zum Einstieg durchaus hilfreich. Für mich war es das zweite Praktikum im Büro. Das erste habe ich auch nur mithilfe von Kontakten bekommen.

Kontakte und geografische Nähe scheinen durchaus hilfreich zu sein. Ist das bei einem Praktikum in einer Fraktion genauso?

Kim: Ich hatte schon ein zweiwöchiges Praktikum im Bundestag absolviert, allerdings bei einem Abgeordneten. Damals wurde ich auf dieses Programm von der Fraktion aufmerksam gemacht und habe eine Mail an die zuständige Organisationsreferentin geschrieben. Diese hat mir dann die Informationen rund um das Praktikum zugesendet. Generell benötigt man meiner Meinung nach aber keine Kontakte, da es ein allgemeines Bewerbungsverfahren gibt, bei dem die Teilnehmer ausgewählt werden. Daran habe ich teilgenommen. Bewerben sollte man sich allerdings bereits ein Jahr vor Beginn des Praktikums.

Welche Aufgaben habt ihr in den Büros übernommen?

Kim: Für das Büro habe ich Bürgerbriefe beantwortet oder zu aktuellen Themen recherchiert. Da mein Abgeordneter im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz sitzt, bezogen sich die Themenfelder auf diesen Bereich.

Sarah: Ich hatte ähnliche Aufgaben und habe häufig recherchiert, täglich die Post gemacht, Fragen von Bürgern beantwortet, Einladungen abgesagt und zugesagt, Ausschuss- und Arbeitsgruppensitzungen und ein Radiointerview vorbereitet.

Das klingt nach viel Schreibtisch-Arbeit. Habt ihr auch etwas vom politischen Alltag außerhalb der Büros miterlebt?

Selina: Ja, ich habe Frau Lips auf viele Termine begleitet. Das waren vor allem Kongresse zum Thema Qualität der Lehre oder Innovationsstandort Deutschland. Ich war aber auch bei Ausschusssitzungen und Fachgesprächen des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung dabei.

Kim: Durch das Fraktionspraktikum hatten wir jeden Tag ein oder zwei Termine, an denen wir teilgenommen haben. Diese waren Gespräche mit Ministern und Mitarbeitern des Bundestages, aber auch Besuche verschiedener relevanter Orte, wie das Bundeskanzleramt, Schloss Bellevue oder der Bundesrat, sowie Plenarsitzungen.

Was waren für euch die spannendsten Erlebnisse im Praktikum?

Sarah: Für mich gab es mehrere Highlights. Zum einen fand ich die Diskussionsrunde mit dem damaligen Bundestagspräsidenten Norbert Lammert im Rahmen des Praktikantenprogramms der CDU/CSU-Fraktion sehr spannend. Bei dem Programm gab es über mehrere Wochen verschiedene Angebote speziell für die Praktikantinnen und Praktikanten, wie Gesprächsrunden mit Politikern oder auch Führungen durch zum Beispiel den Bundesrat. Das Radiointerview von Frau Pfeiffer (Anmerkung der Redaktion: Frau Pfeiffer ist die Bundestagsabgeordnete, in deren Büro Sarah das Praktikum absolviert hat.) zum Thema Armut in Afrika war auch toll. Und die Vereidigung von Frank-Walter Steinmeier zum Bundespräsidenten war natürlich besonders.

Selina: Natürlich ist es toll die ganzen berühmten Politiker mal außerhalb der Tagesschau zu sehen. Das tollste Ereignis war für mich aber die Vereidigung vom Bundespräsident, bei der ich die Möglichkeit hatte, auf der Besuchertribüne zu sitzen und alles live mitzuerleben. Auf dem anschließenden Sektempfang mit Steinmeier, Lammert und dem ehemaligen Bundespräsidenten Joachim Gauck war ich auch dabei und das war selbstverständlich ein Erlebnis, das ich mir so nie erträumt hätte.

Kim: Aus dem Praktikantenprogramm habe ich die Gesprächsrunde mit dem Innenminister in Erinnerung. Dr. de Maizière sprach klar über die hochbrisanten und aktuellen Ereignisse und konnte uns Praktikantinnen und Praktikanten einen anderen Blickwinkel zeigen. Dieser war für mich vor allem aus juristischer Sicht bemerkenswert und hat mich beeindruckt (Anmerkung der Redaktion: Kim studiert neben Politikwissenschaft auch Rechtswissenschaft an der JGU Mainz). Besonders erinnere ich mich auch an den Tag, als ich ins Justizministerium geschickt wurde und dort mein Büro vertreten habe.

Hat euch an der Arbeitsweise im Bundestag etwas überrascht?

Sarah: Mich hat der entspannte Umgang im Büro positiv überrascht und dass man als Praktikantin sofort in alle Tagesabläufe einbezogen wird. Außerdem ist es toll, dass die Chefin zwar die Chefin ist, aber man sich ganz normal mit ihr unterhalten kann und als Praktikantin als Teil des Teams angesehen wird.

Selina: Da stimme ich zu. Ich habe mich sofort wohl gefühlt. Das lag wahrscheinlich vor allem am sehr netten Umgang im gesamten Büro-Team. Sarah zu treffen, die ich aus einer Gruppenarbeit in einem Seminar an der Uni kannte, und dann noch als Praktikantin im "befreundeten" Büro, das war auch eine riesige Überraschung. Was ich außerdem toll fand, war der höfliche und zumeist kollegiale Ton, mit dem die Abgeordneten außerhalb des Plenarsaals miteinander gesprochen haben. Das bekommt man so ja nicht unbedingt in der Berichterstattung mit. Da sieht man immer nur die Wortgefechte.

Und wie war es mit dem Arbeitsaufwand?

Kim: Der Arbeitsaufwand der Abgeordneten hat mich sehr überrascht. Das breite Spektrum und die Dauer der Termine sind, gerade in den Sitzungswochen, hart. Die Sitzungen und Ausschüsse dauern meistens viele Stunden und es wird immer noch sehr viel auf dem Postweg und mit einem hohen Papieraufwand erledigt. Ansonsten sind die Wege im Bundestag selbst auch recht lang, da es viele verschiedene Bürogebäude gibt. So kann es schon passieren, dass man eine halbe Stunde früher loslaufen muss, um rechtzeitig zu einem Termin zu kommen.

Ein Praktikum in einer anderen Stadt besteht ja nicht nur aus Arbeit. Wo habt ihr denn in der Zeit gewohnt?

Selina: Ich hatte das Glück bei Freunden der Familie ein bisschen außerhalb von Berlin wohnen zu können. Morgens bin ich dann in relativ kurzer Zeit mit dem Zug in die Stadt gefahren.

Kim: Ich habe in einer WG mit drei weiteren Mädels am Prenzlauer Berg gewohnt. Die WG habe ich online recht schnell gefunden. Das war aber auch nötig, weil die Zeitspanne zwischen Praktikumszusage und Beginn des Praktikums nicht sehr groß war.

Sarah: Ich habe auch online eine Privatunterkunft gebucht. Das ging recht gut, wenn man ein bisschen auf Preise achtet. Trotzdem ist Berlin ziemlich teuer. Letztendlich war die Wohnung dann in Charlottenburg.

Ihr habt von spannenden Erlebnissen gesprochen, aber auch von einem großen Arbeitsaufwand. Was ist denn euer Resümee des Praktikums?

Kim: Die Praktikumszeit war wunderbar. Das Büro hat mir viele Aufgaben übertragen, mir wurde viel zugetraut und die Arbeit hat meinen Blickwinkel und meinen Erfahrungsschatz erweitert. Allerdings waren die Arbeitszeiten lang und man musste sich voll und ganz auf das Praktikum einlassen und bereit sein, sich mit den Themen auseinanderzusetzen. Deswegen sollte man darauf achten, dass man sich mit gewissen Positionen identifizieren kann. Ich kann aber jedem ein Praktikum im Bundestag empfehlen.

Sarah: Es war ein spannendes Praktikum mit vielen neuen Erfahrungen, bei dem man in den Tagesablauf von Politikerinnen und Politikern hineinschauen und die Abläufe im Büro von Bundestagsabgeordneten kennenlernen kann. Durch die angenehme Atmosphäre im Büro und den tollen Mitarbeitern und der netten Chefin gingen die vier Wochen aber leider viel zu schnell vorbei.

Selina: Für mich ist das ganz einfach: Es war das bisher beste Praktikum, das ich gemacht habe und ich würde es jederzeit wieder machen.

Campus Mainz e.V. unterstützen!

Campus Mainz e.V. ist ein gemeinnütziger Verein und die meiste Arbeit ist ehrenamtlich. Hilf uns dabei auch in Zukunft tolle Dienste für alle kostenlos anzubieten. Unterstütze uns jetzt!