Interview| "Aus dem Nichts heraus Gründe zu benennen, wäre zu früh"

14.11.2016
Studium, Internationales
sab

Für viele war der Ausgang der US-Wahl ein Schock, andere haben damit gerechnet. Campus Mainz hat sich mit der Politikwissenschaftlerin Daniela Hohmann getroffen und sie für euch zum Thema befragt.

Die Sommer- und Herbstmonate des Jahres 2016 waren medial vom US-Wahlkampf geprägt. Die Amerikaner hatten die Wahl zwischen der Demokratin Hillary Clinton und dem Republikaner Donald Trump. Daniela Hohmann, Promovendin  und ehemalige wissenschaftliche Mitarbeiterin des Instituts für Politikwissenschaft der JGU, war sechs Wochen vor Ort und hat als Freiwillige der Clinton-Kampagne aktiv am Wahlkampf mitgewirkt.

Sie haben während des Wahlkampfes Zeit in den USA verbracht und waren Wahlkampfhelferin für Hillary Clinton. Wie waren diese Wochen für Sie?

Diese Wochen waren definitiv sehr, sehr spannend. US-Wahlkämpfe sind aus vielerlei Hinsicht ein ganz spannendes Feld. Die politikwissenschaftliche Forschung bezieht sich sehr oft auf amerikanische Studien und viele Wahlkampfinnovationen kommen aus den USA. Ich wollte mir anschauen, wie US-Wahlkämpfe in einer sehr kleinen Dimension funktionieren und war dafür in Asheville, North Carolina.

Wie war die Stimmung vor Ort? War es im Bereich des Erdenklichen, dass Donald Trump gewinnen wird?

Die Stimmung war in jedem Fall polarisierend. Es gab das Clinton Lager auf der einen Seite und das Trump Lager auf der anderen. Der Wahlkampf wird sehr datenbasiert geführt und man geht für die Mobilisierung möglichst ressourceneffizient vor. Man geht  also an die Orte, wo Wähler zu holen sind, weil sie zum Beispiel den Demokraten nahestehen.

So trifft man in der Kampagne gar nicht so oft auf das andere Lager, was natürlich auch ein Problem ist, weil man einfach ein ganzes Stück voneinander weg ist und sich auf diese Art ein bisschen vermeidet. Auch das findet in der Medienlandschaft statt. Trump war natürlich immer im Bereich des Erdenklichen. Aber medial findet er beispielsweise auf Fox News statt und Clinton auf CNN. Wenn man möchte, kann man sich als Bürger sehr gezielt nur der einen Sichtweise hingeben und bekommt von den anderen Trends gar nicht so viel mit. 

Sie haben aktiv für Hillary Clinton geworben. Wie lief das ab?

Im Prinzip läuft ein amerikanischer Wahlkampf wie in Deutschland auf allen Kanälen:  online und offline. Man geht also von Tür zu Tür und kommt dort mit Wählern in Kontakt oder man benutzt Social Media, also zum Beispiel Twitter und Facebook. Man setzt aber auch nach wie vor auf Instrumente mit einer großen Fernsehreichweite, wie zum Beispiel TV-Duelle.  Wahlkämpfe werden also multimedial geführt, um sicherzustellen, dass man auf einem der Kanäle seinen potentiellen Wähler erreicht.

Es wird häufig vom härtesten Wahlkampf der US-Geschichte gesprochen. War das vor Ort spürbar?

Aus meiner ganz persönlichen Sicht war das vor allem medial spürbar. Diese ganzen Beleidigungen, das “negative campaigning“, das wir mit seinen Effekten, wie einem verminderten Vertrauen in Politik oder einer niedrigen Wahlbeteiligung, aus der Forschung kennen, all das spürt man vor allen Dingen medial. In den TV-Duellen haben wir das ganz stark gesehen.

Die Wahl hat Hillary Clinton nicht gewonnen. Was könnten die Gründe sein? Gibt es etwas, das Trump vielleicht besser kann? 

Hier bin ich in erster Linie Empirikerin. Vielleicht kann man ein bisschen darüber philosophieren, was es sein könnte, aber aus dem Nichts heraus Gründe zu benennen ist sehr früh und nicht datenbasiert.

Es könnte wohl an dem Faktor Glaubwürdigkeit gelegen haben. Hillary Clinton gehört zweifelsfrei zum politischen Establishment. Sie hat 30 Jahre Politikerfahrung in hohen Ämtern hinter sich, und man hat ihr wahrscheinlich nicht abgenommen, dass sie sich für die durchschnittliche US-Bevölkerung einsetzen kann, wenn sie doch selbst eine sehr privilegierte Person ist und die Realität des Durchschnitts-Amerikaners schon lange nicht mehr kennt. Ich denke, die Glaubwürdigkeit ihrer Person ist ein Faktor von vielen Faktoren, die letztlich dazu geführt haben, dass sie die Wahl nicht gewonnen hat.

Ich denke, dass Trump - natürlich auch sehr privilegiert, aber nicht aus der politischen Klasse - in diesem Wahlkampf vielen Bürgern aus dem Bauch und dem Herzen heraus gesprochen hat. Rund 70 Prozent der Amerikaner wollten Change, also einen Wandel. Und das war ein anderer Wandel, als der, den sie sich unter Obama gewünscht haben als es um einen Wandel hin zu Weltoffenheit ging. Diesmal war der Wunsch offenbar mehr US-Bezogenheit und Protektionismus. Diesen Nerv der Zeit, den wir auch hier bei uns vor der Haustür sehen, hat Trump besser getroffen.

Was könnte sich denn jetzt ganz konkret verändern? Also welche Auswirkungen hat das Wahlergebnis eventuell nicht nur für die USA, sondern auch für Europa und Deutschland?

Trump wird am 20. Januar in das Weiße Haus einziehen. Wir müssen abwarten, welchen Trump wir als Präsidenten der USA bekommen. Wird es der Trump aus dem Wahlkampf sein, der sehr aggressiv und spaltend aufgetreten ist oder wird es der Trump sein, den wir in seiner ersten Rede gesehen haben? Da war er sehr bewusst in seiner Wortwahl, sehr versöhnlich, hat das Angebot gemacht, dieses Land wieder zu einen. Darin sehe ich seine größte Herausforderung. Hinsichtlich seiner zentralen Forderungen im Wahlkampf rudert Trump schon jetzt zurück. Er ist derzeit wirklich schwer berechenbar – und das gefällt den politischen Akteuren in Deutschland und Europa natürlich nicht.

Es ist möglich, wenn wir auf Europa gucken, dass die Wahl eines populistischen Kandidaten anderen Populisten in Europa Aufwind verschaffen kann. Wir sehen auch hier diesen Trend: In Österreich, beim Brexit oder auch, wenn wir uns den Zulauf der AfD in Deutschland ansehen. All das ist ein Trend und ihm wurde durch die Entscheidung der US-Wahl für Trump nochmal eine neue Dimension gegeben.

Welche Auswirkungen könnte die Wahl ganz konkret auf uns als Studierende haben? Viele Studis möchten ja beispielsweise gerne ein Auslandssemester in den USA verbringen.

Ich glaube, dass es ganz wichtig ist, im Dialog zu bleiben und Vorurteile abzubauen. Gerade junge Leute sollten das tun. Sie sollten die Möglichkeit eines Auslandssemesters nutzen. Ob das in den USA, Frankreich, Österreich oder wo auch immer ist. Es wäre nicht gut, wenn man Sachen jetzt einfach ausschließt oder  große Ängste hat, sich in einem anderen Land zu bewegen.

Beziehen wir den Brexit mit ein. Bei der Abstimmung wurde ein starker Generationenkonflikt deutlich: Junge Menschen haben vor allem gegen den Ausstieg aus der EU gestimmt, Ältere eher dafür. Hat sich bei der Präsidentschaftswahl eventuell ein ähnlicher Konflikt abgezeichnet? Wie haben junge Leute und Studierende in den USA gewählt?

Auch dazu wissen wir noch nicht genug. Die Zahlen, die ich bisher kenne, zeigen, dass weniger Frauen, Latinos und junge Menschen für Clinton abgestimmt haben, als erwartet. All das hat letztlich dazu geführt, dass sie die Wahl nicht gewonnen hat.

Es gibt wahrscheinlich einen anderen Konflikt in der amerikanischen Gesellschaft: Ein Konflikt zwischen arm und reich. Hier ist die Frage, wer eigentlich in den USA wählen geht und wer nicht? Und wofür entscheiden sich diese Leute? Wir haben zum Beispiel ein Cluster von Wählern im Trump Lager, das aus weißen männlichen Amerikanern mit nicht so gutem Bildungsabschluss besteht. Diese Bevölkerungsgruppe tritt im Zusammenhang mit Populismus wiederholt als auffällig hervor. Und man muss sich hier zum Beispiel fragen, ob Mainstream-Parteien diesen Wählergruppen glaubwürdige und konstruktive Angebote machen, um sie zurückzugewinnen. 

Umfragen in Deutschland haben gezeigt, dass nur ungefähr 10 Prozent der Deutschen Trump gewählt hätten. Nun wird er der 45. Präsident der Vereinigten Staaten. Ist das ein Zeichen, dass Deutschland und die USA vielleicht kulturell gar nicht so nah beieinander sind, wie man immer denkt?

Wenn uns Daten sagen, dass 10 Prozent der Deutschen für Trump gestimmt hätten, dann müssen wir uns natürlich fragen: Wie kommen diese 10 Prozent zustande? Es sind in aller Regel Umfragedaten und solche Daten haben eine gewisse Problematik inne. Das wissen wir zum Beispiel vom Brexit, der nicht korrekt vorausgesagt wurde und wir sehen es auch jetzt bei der US-Wahl. Bei Umfragen ist es einfach so, dass wir gewisse Menschen nicht erreichen.

Die Menschen, die in aller Regel nicht an Wahlen teilnehmen, nehmen auch nicht so gerne an Umfragen teil. Ein zweiter Aspekt könnte außerdem sein, dass Menschen in der Umfrage dann auch gegebenenfalls nicht zu dem stehen, wofür sie letztlich wählen. Diesen Einfluss schätze ich allerdings geringer ein. Was ich sagen möchte ist ganz einfach: Ich bin nicht sicher, ob diese 10 Prozent die Stimmung in unserer Bevölkerung richtig abbilden.

Frau Hohmann, vielen Dank für das Gespräch.

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